Gesetzgebung

Landtag: Grabsteine aus Kinderarbeit sollen von Friedhöfen verschwinden

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Ein altbekanntes Thema beschäftigt heute wieder den Landtag: Grabsteine, die in ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt werden. Tatsächlich trifft das auf viele Grabsteine auf bayerischen Friedhöfen zu. Die Grabsteine kommen hauptsächlich aus Indien aber auch aus anderen Ländern und werden dort von Kindern behauen und in Form gebracht – eine körperlich sehr anstrengende Arbeit. Zwei Gesetzesentwürfe, die auf dasselbe Ergebnis abzielen, sind heute im Landtag in erster Lesung behandelt worden. Mit einer Abstimmung über die Gesetzesänderung wird noch vor der Sommerpause gerechnet.

Das Bestattungsgesetz (BestG) soll einen neuen Artikel bekommen: Den Artikel 9a „Verbote von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit“. So sieht es der Gesetzentwurf der Staatsregierung vor, der heute in erster Lesung im Landtag behandelt wurde. Der Artikel beinhaltet dabei weniger ein pauschales Verbot solcher Grabsteine als vielmehr die Einräumung einer Satzungsermächtigung. Das Verbot der Grabsteine wird dann in der Friedhofssatzung formuliert, deren Aufstellung in der Zuständigkeit der Kommunen liegt.

Der Gesetzentwurf setzt nicht nur ein dickes politisches Ausrufezeichen gegen ausbeuterische Kinderarbeit“, sagt Staatsministerin Melanie Huml, in deren Zuständigkeit der Gesetzesentwurf federführend erarbeitet worden ist, „er trifft auch Aussagen dazu, wie ein Nachweis erbracht werden kann, dass der Grabstein nicht von Kinder hergestellt wurde.“

Sie nimmt dabei Bezug auf den 2. Absatz des Artikels 9a, wo Regelungen zur Nachweisführung aufgenommen sind.

Auch die SPD-Fraktion hat einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der sich nur in der Formulierung der Nachweisführung unterscheidet oder wie Joachim Hanisch (FREIE WÄHLER) es nennt:

Der Gesetzentwurf der SPD fordert bei der Nachweisführung ein aktiveres Vorgehen.“

Im Gesetzentwurf der CSU muss der Letztveräußerer schriftlich zusichern, dass ihm keine Anhaltspunkte dafür bekannt sind, dass die verwendeten Grabsteine in Kinderarbeit hergestellt wurden. Im Entwurf der SPD muss der Letztveräußerer schriftlich zusichern, sich vergewissert zu haben, dass die Grabsteine nicht in Kinderarbeit hergestellt wurden. Dieser Passus kommt aber ohnehin nur dann zum Tragen, wenn der Grabstein außerhalb der EU gefertigt wurde und wenn das produzierende Unternehmen kein Zertifikat hat, das Kinderarbeit-freie Produkte garantiert.

Angesichts der geringfügigen Unterschiede erklärt Angelika Weikert (SPD), was ihre Fraktion dennoch bewegt hat, einen eigenen Gesetzentwurf zu formulieren:

Frau Ministerin, wir haben viel zu lange auf den Gesetzentwurf gewartet. Auf Grund der Chronologie der Abläufe sahen wir uns gezwungen, ebenfalls einen Entwurf zu erarbeiten.“

Die Kritik, der Gesetzentwurf der Staatsregierung komme reichlich spät, ist allen Oppositionsparteien gemein. Es sei schon verwunderlich, dass seit dem Landtagsbeschluss im April 2014 (PDF), eine solche Rechtsgrundlage zu schaffen, zwei Jahre vergehen mussten, ehe der Entwurf jetzt endlich vorliegt, kritisiert Joachim Hanisch (FREIE WÄHLER). Hermann Imhof (CSU) bezieht sich auf einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zum Gesetzentwurf: 2013 hat sich die Stadt Nürnberg einer Rechtsprechung beugen müssen. Nürnberg wollte schon damals in die städtische Friedhofssatzung ein Verbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit aufnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Satzung als unwirksam erklärt, weil es an einer hinreichenden, gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehle. Das war der Auftrag an den Landtag hier Schritt für Schritt darauf hinzuarbeiten, so Imhof. Jürgen Mistol (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) geht in der Geschichte sogar noch weiter zurück: Schon 2009 gab es einen Antrag der Grünen, hier die nötige Gesetzesgrundlage zu schaffen. Dem Antrag ist damals im Ausschuss auch einstimmig zugestimmt worden. Dann habe die Regierung den Antrag auf die lange Bank geschoben, so Mistol. Er freue sich, dass es nun endlich so weit sei und dass der heutige Gesetzesentwurf der Regierung sich nur in „homöopathischen Dosen“ von dem ursprünglich grünen Gesetzesentwurf unterscheide.

Gesetzentwurf der Staatsregierung, Gesetzentwurf der SPD, Gesetzentwurf der Grünen – wer auch immer hier Initiator und Urheber ist, alle Fraktionen wollen den Gesetzentwurf so bald als möglich beschließen.

„Am besten noch vor der Sommerpause“, wünscht sich Angelika Weikert (SPD) und fügt hinzu „vielleicht gibt uns die Diskussion über Grabsteine auch den Anlass über andere Produkte nachzudenken, die bei uns so im Umlauf sind und deren Herstellung auch durch Kinderarbeit erfolgt“.

Die weitere Beratung wird nun im Ausschuss für Kommunale Fragen stattfinden.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus dem Plenum v. 20.04.2016 (von Ina Friedl)

Redaktionelle Anmerkung

Die Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung ist seit Längerem bundesweit ein Anliegen zahlreicher Friedhofsträger, die entsprechende Regelungen (Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit) in ihre Friedhofssatzungen aufgenommen hatten. In einem Urteil vom 16.10.2013 (8 CN 1.12) hatte das BVerwG jedoch entschieden, dass

  • die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage darstellen, um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze zu rechtfertigen und dass
  • es das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und hinreichenden Bestimmtheit verletzt, wenn für den Normbetroffenen (insbes. Steinmetze) nicht im Voraus erkennbar ist, welche Nachweise zum Beleg dafür, dass die Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, anerkannt werden.

In Ansehung dieses Urteils hatte der Bayerische Landtag die Staatsregierung mit Beschluss vom 03.04.2014 (Drs. 17/1487 [PDF]) aufgefordert, eine Rechtsgrundlage für den Erlass kommunaler Satzungsregelungen zu schaffen, die eine Verwendung von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit ausschließen.

Dem Urteil des BVerwG lag ein mehrjähriger und über mehrere Instanzen geführter Rechtsstreit über die Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg (BFS) zugrunde. Diese hatte dort folgende Regelung aufgenommen:

§ 28 – Grabmale
[…] (2) Es dürfen nur Grabmale aufgestellt werden, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konvention 182), in Kraft getreten am 19. November 2000, hergestellt wurden.

Der Verlauf des Rechtsstreits lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • BayVGH, B. v. 27.07.2009, 4 N 09.1300. Der BayVGH hatte dem Normenkontrollantrag eines Steinmetzbetriebs gegen die fragliche Satzungsbestimmung der Stadt Nürnberg zunächst stattgegeben: Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO komme als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht: Die Satzungsbestimmung betreffe nicht die Nutzung des Friedhofs, sondern eine gewerbliche Tätigkeit im Vorfeld der Friedhofsnutzung – sie verfolge daher einrichtungsfremde Zwecke (Bekämpfung der Kinderarbeit weltweit); somit beziehe sich die Satzungsbestimmung auch nicht auf eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, sondern diene der Umsetzung eines weltweiten politischen Anliegens (Bekämpfung der Kinderarbeit), das keinen spezifisch örtlichen Bezug aufweise. Der BayVGH hatte die Revision nicht zugelassen.
  • BVerwG, B. v. 07.01.2010, 7 BN 2.09. Das BVerwG wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
  • BayVerfGH, E. v. 07.10.2011, Vf. 32-VI-10. Auf die Verfassungsbeschwerde der Stadt Nürnberg hin hob der BayVerfGH den Beschluss des BayVGH auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an den BayVGH zurück. Der BayVerfGH kritisierte, dass der BayVGH in seiner Entscheidung der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts der Bf. (Stadt Nürnberg) nicht gerecht werde: Das Aufstellungsverbot von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mag einrichtungsfremde Zwecke verfolgen, liege aber auch im Rechtskreis der Totenbestattung. Die eigenen Angelegenheiten der Gemeinden und gesamtstaatliche Aufgaben oder Belange berührten sich vielfach. Deshalb reiche allein die Feststellung, das Verbot der Verwendung nicht nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellter Grabmale entspreche einem weltweiten politischen Anliegen, von vornherein nicht aus, um zu begründen, die Regelung liege nicht mehr im Rechtskreis der Totenbestattung im Sinn des Art. 83 Abs. 1 BV und damit auch nicht im Rechtskreis des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Verfassungsrechtlich tragfähig sei diese Annahme nur dann, wenn gesagt werden könne, der Regelung fehle zugleich der spezifisch örtliche Bezug. Doch auch der spezifisch örtliche Bezug ist nach Auffassung des BayVerfGH gegeben und wird über Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV vermittelt: Nach Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV haben die Gemeinden dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Art. 8 Abs. 1 BestG führt dazu näher aus, Friedhöfe seien den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres Andenkens gewidmet. Welche Benutzungsregelungen die Gemeinde in einer Friedhofssatzung trifft, um diesen Anforderungen Genüge zu tun, liege grundsätzlich in ihrem weiten normativen Ermessen. Es sei weder sachfremd noch willkürlich und bewege sich innerhalb des gemeindlichen normativen Einschätzungsspielraums, wenn die Bf. davon ausgehe, dass es im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung liegen kann, dass dort keine Grabsteine aufgestellt werden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstellungsprozess durch „schlimmste Formen der Kinderarbeit“ gewonnen worden ist. Diese Entscheidung war innerhalb des BayVerfGH nicht unumstritten: Zwei Mitglieder legten ein Sondervotum zu den Akten, in dem sie deutliche Kritik an der Mehrheitsmeinung formulierten und in der Entscheidung des BayVGH keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht erblickten.
  • BayVGH, U. v. 06.07.2012, 4 N 11.2673. Im Rahmen der Zurückverweisung durch den BayVerfGH hatte sich der BayVGH erneut mit der Sache zu befassen. Von der Argumentation des Verfassungsgerichtshofs nicht überzeugt, aber in der Sache an die Entscheidung des BayVerfGH gebunden (Art. 29 VfGHG) – dieser Hinweis fehlt freilich nicht – lehnte er den Normenkontrollantrag nunmehr ab: Der angegriffenen Satzungsbestimmung könne nicht mehr entgegengehalten werden, der Antragsgegnerin mangele es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO ermächtige die Gemeinden, in Satzungen die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln. Nach der Auffassung des BayVerfGH sei hier der sachliche Zusammenhang mit dem Friedhofszweck und damit auch der spezifisch örtliche Bezug in rechtlich einwandfreier Weise hergestellt. Der BayVGH hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
  • BVerwG, U. v. 16.10.2013, 8 CN 1.12. Das BVerwG erklärt § 28 Abs. 2 BFS nunmehr wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam: Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO und Art. 8und 9 BestG seien keine wirksamen Ermächtigungsgrundlagen. Dies allerdings wegen Verstoßes gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes wegen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit von Steinmetzen; im Hinblick auf die Auslegung durch BayVerfGH und BayVGH, dass § 28 Abs. 2 BFS sich im Rahmen der von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO geforderten Zweckbestimmung halte und auch einen örtlichen Bezug aufweise, stellt das BVerwG nur fest, dass darin jedenfalls kein Verstoß gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden könne.

Ass. iur. Klaus Kohnen