Aktuelles

EU-Kommission: Flüchtlingspakt EU-Türkei wirkt – aber es bleibt viel zu tun

©pixelkorn - stock.adobe.com

Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) ihren zweite Zwischenbilanz zur Umsetzung der Vereinbarung mit der Türkei zur Bewältigung der Flüchtlingskrise vorgelegt.

Die Erklärung EU-Türkei führt zu konkreten Ergebnissen: Die Migranten erkennen, dass es sich nicht lohnt, auf Schleuserbooten das Leben zu riskieren, und wir sind auf Kurs, um bis Ende dieses Sommers für Projekte im Rahmen der Flüchtlingsfazilität 1 Mrd. Euro vertraglich zu binden“, erklärte der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans.

„Aber noch können wir uns nicht zurücklehnen. Wir müssen alle Elemente der Erklärung vollständig umsetzen. Unter anderem müssen wir die Neuansiedlungsmaßnahmen verstärken und dafür sorgen, dass Griechenland besser in der Lage ist, die humanitäre Lage zu meistern und die Asylanträge im Einklang mit dem EU-Recht zu bearbeiten. Außerdem müssen die türkischen Behörden den Fahrplan für die Visaliberalisierung vollständig umsetzen.“

Der anhaltende deutliche Rückgang der Zahl der Personen, die irregulär über die Ägäis von der Türkei nach Griechenland gelangen oder dabei ums Leben kommen, belegt, dass die Erklärung bisher Wirkung zeigt, und macht auch deutlich, dass den Schleusern das Handwerk gelegt werden kann. Die Mitgliedstaaten haben zudem ihre Neuansiedlungsmaßnahmen verstärkt und bieten den Flüchtlingen eine legale und sichere Alternative. Weitere Rückführungsmaßnahmen sind durchgeführt worden. Da alle Mitgliedstaaten ihre Beitragszertifikate im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei eingereicht haben, werden die Fazilitätsmittel rascher ausgezahlt werden können, sodass bis Sommerende bereits die erste Milliarde Euro den Flüchtlingen zugutekommen kann. Seit der Veröffentlichung des dritten Berichts über die Fortschritte der Türkei bei der Umsetzung des Fahrplans für die Visaliberalisierung am 4. Mai wurden auch weitere Fortschritte im Hinblick auf die Erfüllung der verbliebenen Vorgaben des Fahrplans für die Visaliberalisierung erzielt.

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Griechenland in der nächsten Umsetzungsphase dringend seine Kapazitäten zur individuellen Bearbeitung von Asylanträgen und Rechtsbehelfen gegen Asylbescheide so schnell wie möglich im Hinblick auf Rückführungen und Rückübernahmen erhöhen sollte, insbesondere durch Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats. Außerdem sollte Griechenland seine Aufnahmekapazitäten auf den Inseln sowie die täglichen Arbeitsabläufe und die Koordinierung der Registrierungszentren mit Hilfe der EU und der Mitgliedstaaten verbessern. Auf der Grundlage der bisher erzielten Ergebnisse sollten die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen verstärken und erheblich mehr Personen neu ansiedeln. Ebenso sollte die Türkei die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die verbliebenen Vorgaben für die Visaliberalisierung so bald wie möglich zu erfüllen, damit die EU die Visumpflicht für türkische Staatsbürger aufheben kann.

Umverteilung und Neuansiedlung: an verstärkten Bemühungen festhalten

In ihrem ebenfalls heute (Mittwoch) vorgelegten Bericht über die Fortschritte bei der Umverteilung und Neuansiedlung äußert sich die Kommission zufrieden über die auf 2280 gestiegene Zahl der Umverteilungen. Damit hat sich die rate im Vergleich zum Vormonat fast verdoppelt. Aber auch hier beklagt die Kommission die nur zögerliche Umsetzung der Regelungen. Rascheres Handeln ist gefragt, damit die Migranten nicht wieder auf irreguläre Routen ausweichen.

Der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, erklärte: „Da die Zahl der Menschen, die in Griechenland ankommen, sich verringert hat, liegt der Fokus jetzt auf vermehrter und rascherer Umverteilung. Wir dürfen aber auch Italien nicht vergessen, wo die Zahl der ankommenden Menschen saisonbedingt steigt. Dies ist eine humanitäre Verpflichtung. Gleichzeitig begrüße ich die Bemühungen der Mitgliedstaaten in den vergangenen Monaten, syrische Flüchtlinge aus der Türkei neu anzusiedeln. Es wird uns nur dann dauerhaft gelingen, Schleusern wirklich das Handwerk zu legen, wenn Asylsuchenden ein sicherer, legaler Weg offensteht.“

Die Zahl der Neuansiedlungen aus der Türkei im Zuge der Erklärung EU-Türkei hat sich weiter erhöht; sie dürfte in den kommenden Monaten noch zunehmen, wenn die Mitgliedstaaten die Bearbeitung der von der Türkei über den UNHCR übermittelten Dossiers abschließen. Seit dem 4. April 2016 wurden 511 Syrer aus der Türkei in der EU neu angesiedelt, 330 davon seit dem letzten Bericht. Mittlerweile sind mehr EU-Mitgliedstaaten aktiv beteiligt. Seit dem letzten Fortschrittsbericht haben außer in Deutschland, Finnland, Litauen, den Niederlanden und Schweden nun auch Neuansiedlungen in Italien, Luxemburg und Portugal stattgefunden.

Nach Angaben der beteiligten Staaten wurden bis zum 10. Juni 2016 insgesamt 7272 Personen überwiegend aus der Türkei, dem Libanon und Jordanien nach der Neuansiedlungsregelung vom 20. Juli 2015 neu angesiedelt. 19 Staaten haben diese Menschen aufgenommen: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Island, Irland, Italien, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz, Tschechien und das Vereinigte Königreich.

Die Zahl der Umverteilungen ist im Berichtszeitraum (13. Mai bis 14. Juni) gestiegen, 780 weitere Personen wurden umverteilt – im Vergleich zum vorangegangenen Zeitraum ist dies fast eine Verdopplung. Damit wurden bis zum 14. Juni insgesamt 2280 Menschen umverteilt – 1503 davon aus Griechenland, die übrigen 777 aus Italien. Obwohl dies ein Fortschritt ist, bleiben die Zahlen doch weit hinter dem Ziel der Kommission – der Umverteilung von 6000 Menschen pro Monat – zurück. Die Mitgliedstaaten sind weit davon entfernt, ihre Zusagen gemäß den Umsiedlungsbeschlüssen des Rates zu erfüllen. Derzeit werden durchschnittlich 260 bis 300 Menschen pro Monat aus Griechenland umverteilt. Zudem ist die gestiegene Zahl der Umverteilungen großenteils den verstärkten Bemühungen jener Mitgliedstaaten zu verdanken, die sich ohnehin schon am aktivsten an dem System beteiligen.

Die Zahl der Umverteilungs-Transfers und Zusagen in Italien bleibt angesichts der wachsenden Zahl dort ankommender potenzieller Interessenten für eine Umverteilung besonders niedrig.

In Griechenland warten rund 49 000 Asylsuchende und Migranten in offiziellen vorläufigen Aufnahmeeinrichtungen auf dem Festland auf ihre Registrierung und die Bearbeitung ihres Falls. Mit Finanzhilfe der Kommission und Unterstützung vor Ort durch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen und den UNHCR startete der griechische Asyldienst am 8. Juni eine großangelegte Vorabregistrierung mit dem Ziel, 1400 Personen pro Tag vorab zu erfassen – dies soll die Identifizierung von Interessenten für eine Umverteilung und die vollständige Bearbeitung ihres Falls beschleunigen. In den kommenden Monaten wird damit eine beträchtliche Zahl zusätzlicher Asylbewerber für eine Umverteilung bereitstehen – zwischen 60 und 65 % der vorab registrierten Personen dürften eine der für eine Umverteilung in Frage kommende Staatsangehörigkeit besitzen.

In dem heute vorgelegten Bericht erkennt die Kommission die Anstrengungen einiger Mitgliedstaaten an. Sie drängt alle Mitgliedstaaten zu einer effizienteren Planung, um die Zahl der Zusagen und Umverteilungstransfers zu erhöhen. Eine verkürzte Bearbeitungszeit für Umverteilungsersuchen ist ebenfalls von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Umsetzung der Umverteilungsregelung. Noch immer führen die Sicherheitsüberprüfungen zu einer beträchtlichen Verlängerung der Bearbeitungszeit, die zuweilen über die im Ratsbeschluss festgelegte Zweimonatsfrist hinausgeht. Die Kommission fordert alle Akteure zudem auf, die Umverteilung besonders schutzbedürftiger Personen, vor allem unbegleiteter Minderjähriger, zu beschleunigen.

Kommission empfiehlt weitere Schritte zur Wiederaufnahme der Dublin-Überstellungen nach Griechenland

Griechenland hat sein Asylsystem erheblich verbessert, um sich für mögliche Rückführungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der Dublin-Verordnung besser zu wappnen. So hat Griechenland unter anderem die Gesamtaufnahmekapazität und die Kapazität des griechischen Asyldienstes erhöht, einen Rahmen für unentgeltliche Rechtsberatung geschaffen und neue Rechtsbehelfsbehörden eingerichtet. Allerdings müssen noch erhebliche Fortschritte erzielt werden, bevor die Überstellungen nach Griechenland auf der Grundlage der Dublin-Verordnung wie geplant Ende des Jahres wieder aufgenommen werden können. Zu diesem Ergebnis kommt die Kommission in ihrer heute (Mittwoch) vorgelegten zweiten Empfehlung.

Der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, sagte dazu: „Obwohl die Herausforderungen und der Druck infolge der Migrationskrise in den vergangenen Monaten nicht nachgelassen haben, hat Griechenland bei der Verbesserung seines Asylsystems und der Bedingungen für Migranten und Flüchtlinge unbestreitbare Fortschritte erzielt. Die Kommission wird Griechenland gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten weiterhin dabei unterstützen, die hohe Zahl von Asylsuchenden in Griechenland in angemessener Weise zu bewältigen, so dass Griechenland in der Lage sein wird, schrittweise wieder zum Dublin-System zurückzukehren.“

Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland als erfüllt zu betrachten sind, obliegt den Behörden der Mitgliedstaaten, die dabei der Kontrolle der nationalen und europäischen Gerichte unterliegen. Die Empfehlung der Kommission ist ein Fahrplan, der die Schritte enthält, die Griechenland unternehmen muss, damit sein Asylsystem reibungslos funktioniert und das Land die Vorgaben des europäischen Dublin-Systems voll erfüllt.

In der heute angenommenem Empfehlung wird festgestellt, dass die griechischen Behörden seit der Annahme der ersten Empfehlung mit Unterstützung der Kommission, des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO), der Mitgliedstaaten und internationaler Organisationen kontinuierliche Anstrengungen zur Verbesserung der Funktionsweise des Asylsystems unternommen haben, um den aufgezeigten Bedenken zu begegnen.

Weitere Informationen

EU-Kommission, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 15.06.2016