Gesetzgebung

GVBl (12/2016): Gesetz zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung verkündet

©pixelkorn - stock.adobe.com

Grabsteine_Fotolia_87357189_S_copyright - passDas o.g. Gesetz v. 02.08.2016, das eine Änderung des Bestattungsgesetzes (BestG) vorsieht, insbesondere die Einfügung eines neuen Art. 9a BestG (Verbote von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit), wurde am 09.08.2016 verkündet (GVBl S. 246). Es tritt am 01.09.2016 in Kraft.

Wortlaut der Neuregelung

Art. 9a BestG lautet hiernach:

Art. 9a Verbote von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit

(1) 1Der Friedhofsträger kann durch Satzung bestimmen, dass Grabsteine und Grabeinfassungen aus Naturstein nur aufgestellt werden dürfen, wenn sie nachweislich ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit im Sinne von Art. 3 des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1290, 1291) hergestellt worden sind. 2Herstellung im Sinne dieses Artikels umfasst sämtliche Bearbeitungsschritte von der Gewinnung des Natursteins bis zum Endprodukt.

(2) 1Der Nachweis kann im Sinne von Abs. 1 Satz 1 erbracht werden durch

  1. eine lückenlose Dokumentation, wonach die Grabsteine oder Grabeinfassungen aus Naturstein ausschließlich in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, weiteren Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz hergestellt worden sind, oder
  1. die schriftliche Erklärung einer Organisation, wonach
    a) die Herstellung ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit erfolgt ist,
    b) dies durch sachkundige und unabhängige Kontrolleure regelmäßig und unangemeldet vor Ort überprüft wird und
    c) die ausstellende Organisation weder unmittelbar noch mittelbar an der Herstellung oder am Handel mit Naturstein beteiligt ist.

2Ist die Vorlage eines Nachweises nach Satz 1 unzumutbar, genügt es, dass der Letztveräußerer schriftlich

  1. zusichert, dass ihm keine Anhaltspunkte dafür bekannt sind, dass die verwendeten Grabsteine und Grabeinfassungen aus Naturstein unter schlimmsten Formen von Kinderarbeit hergestellt worden sind, und
  1. darlegt, welche wirksamen Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Verwendung von solchen Grabsteinen und Grabeinfassungen zu vermeiden.

(3) Eines Nachweises im Sinne von Abs. 1 Satz 1 bedarf es nicht, wenn der Letztveräußerer glaubhaft macht, dass die Grabsteine oder Grabeinfassungen aus Naturstein oder deren Rohmaterial vor dem 1. September 2016 in das Bundesgebiet eingeführt wurden.

Hintergrund der Gesetzesänderung

Die Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung (Grabsteine werden vielfach aus dem Ausland importiert) ist bundesweit ein Anliegen zahlreicher Friedhofsträger, die entsprechende Regelungen (Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit) in ihre Friedhofssatzungen aufgenommen hatten. In einem Urteil vom 16.10.2013 (8 CN 1.12) hatte das BVerwG jedoch entschieden, dass

  • die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage darstellen, um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze zu rechtfertigen und dass
  • es das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und hinreichenden Bestimmtheit verletzt, wenn für den Normbetroffenen (insbes. Steinmetze) nicht im Voraus erkennbar ist, welche Nachweise zum Beleg dafür, dass die Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, anerkannt werden.

In Ansehung dieses Urteils hatte der Bayerische Landtag die Staatsregierung mit Beschluss vom 03.04.2014 (LT-Drs. 17/1487 [PDF]) aufgefordert, eine Rechtsgrundlage für den Erlass kommunaler Satzungsregelungen zu schaffen, die eine Verwendung von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit ausschließen.

Dem Urteil des BVerwG lag ein mehrjähriger und über mehrere Instanzen geführter Rechtsstreit über die Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg (BFS) zugrunde. Diese hatte dort folgende Regelung aufgenommen:

28 – Grabmale
[…] (2) Es dürfen nur Grabmale aufgestellt werden, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konvention 182), in Kraft getreten am 19. November 2000, hergestellt wurden.

Der Verlauf des Rechtsstreits lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • BayVGH, B. v. 27.07.2009, 4 N 09.1300. Der BayVGH hatte dem Normenkontrollantrag eines Steinmetzbetriebs gegen die fragliche Satzungsbestimmung der Stadt Nürnberg zunächst stattgegeben: Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO komme als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht: Die Satzungsbestimmung betreffe nicht die Nutzung des Friedhofs, sondern eine gewerbliche Tätigkeit im Vorfeld der Friedhofsnutzung – sie verfolge daher einrichtungsfremde Zwecke (Bekämpfung der Kinderarbeit weltweit); somit beziehe sich die Satzungsbestimmung auch nicht auf eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, sondern diene der Umsetzung eines weltweiten politischen Anliegens (Bekämpfung der Kinderarbeit), das keinen spezifisch örtlichen Bezug aufweise. Der BayVGH hatte die Revision nicht zugelassen.
  • BVerwG, B. v. 07.01.2010, 7 BN 2.09. Das BVerwG wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
  • BayVerfGH, E. v. 07.10.2011, Vf. 32-VI-10. Auf die Verfassungsbeschwerde der Stadt Nürnberg hin hob der BayVerfGH den Beschluss des BayVGH auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an den BayVGH zurück. Der BayVerfGH kritisierte, dass der BayVGH in seiner Entscheidung der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts der Bf. (Stadt Nürnberg) nicht gerecht werde: Das Aufstellungsverbot von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit mag einrichtungsfremde Zwecke verfolgen, liege aber auch im Rechtskreis der Totenbestattung. Die eigenen Angelegenheiten der Gemeinden und gesamtstaatliche Aufgaben oder Belange berührten sich vielfach. Deshalb reiche allein die Feststellung, das Verbot der Verwendung nicht nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellter Grabmale entspreche einem weltweiten politischen Anliegen, von vornherein nicht aus, um zu begründen, die Regelung liege nicht mehr im Rechtskreis der Totenbestattung im Sinn des Art. 83 Abs. 1 BV und damit auch nicht im Rechtskreis des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts. Verfassungsrechtlich tragfähig sei diese Annahme nur dann, wenn gesagt werden könne, der Regelung fehle zugleich der spezifisch örtliche Bezug. Doch auch der spezifisch örtliche Bezug ist nach Auffassung des BayVerfGH gegeben und wird über Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV vermittelt: Nach Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV haben die Gemeinden dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden kann. Art. 8 Abs. 1 BestG führt dazu näher aus, Friedhöfe seien den Verstorbenen als würdige Ruhestätte und der Pflege ihres Andenkens gewidmet. Welche Benutzungsregelungen die Gemeinde in einer Friedhofssatzung trifft, um diesen Anforderungen Genüge zu tun, liege grundsätzlich in ihrem weiten normativen Ermessen. Es sei weder sachfremd noch willkürlich und bewege sich innerhalb des gemeindlichen normativen Einschätzungsspielraums, wenn die Bf. davon ausgehe, dass es im Interesse der Würde des Ortes der Totenbestattung liegen kann, dass dort keine Grabsteine aufgestellt werden, deren Material in einem weltweit geächteten Herstellungsprozess durch „schlimmste Formen der Kinderarbeit“ gewonnen worden ist. Diese Entscheidung war innerhalb des BayVerfGH nicht unumstritten: Zwei Mitglieder legten ein Sondervotum zu den Akten, in dem sie deutliche Kritik an der Mehrheitsmeinung formulierten und in der Entscheidung des BayVGH keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht erblickten.
  • BayVGH, U. v. 06.07.2012, 4 N 11.2673. Im Rahmen der Zurückverweisung durch den BayVerfGH hatte sich der BayVGH erneut mit der Sache zu befassen. Von der Argumentation des Verfassungsgerichtshofs nicht überzeugt, aber in der Sache an die Entscheidung des BayVerfGH gebunden (Art. 29 VfGHG) – dieser Hinweis fehlt freilich nicht – lehnte er den Normenkontrollantrag nunmehr ab: Der angegriffenen Satzungsbestimmung könne nicht mehr entgegengehalten werden, der Antragsgegnerin mangele es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO ermächtige die Gemeinden, in Satzungen die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln. Nach der Auffassung des BayVerfGH sei hier der sachliche Zusammenhang mit dem Friedhofszweck und damit auch der spezifisch örtliche Bezug in rechtlich einwandfreier Weise hergestellt. Der BayVGH hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
  • BVerwG, U. v. 16.10.2013, 8 CN 1.12. Das BVerwG erklärt § 28 Abs. 2 BFS nunmehr wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam: Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO und Art. 8 und 9 BestG seien keine wirksamen Ermächtigungsgrundlagen. Dies allerdings wegen Verstoßes gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes wegen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit von Steinmetzen; im Hinblick auf die Auslegung durch BayVerfGH und BayVGH, dass § 28 Abs. 2 BFS sich im Rahmen der von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO geforderten Zweckbestimmung halte und auch einen örtlichen Bezug aufweise, stellt das BVerwG nur fest, dass darin jedenfalls kein Verstoß gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden könne.

Weitere Informationen

  • Verfahrensverlauf und ggfls. Stellungnahmen zum Gesetzentwurf: hier. Zur Vorgangsmappe des Landtags mit den amtlichen Dokumenten: hier (PDF).
  • Verschlagwortung im Dokumentationssystem des Bayerischen Landtags: Möglichkeit des Verbots durch Friedhofssatzungen; neuer Art. 9a (Verbote von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit), redaktionelle Änderungen an Art. 15, 16, 20 BestG

Ass. iur. Klaus Kohnen; Titelfoto/-abbildung: (c) majorosl66 – Fotolia.com