Gesetzgebung

BMJV: Kabinett beschließt erweiterte Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren

Das Bundeskabinett hat heute den von Bundesminister Heiko Maas vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung von Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen beschlossen.

Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas:

Das ist ein weiterer Schritt zur Modernisierung der Justiz. Was in Deutschland von den obersten Gerichten an Recht gesprochen wird, wirkt sich auf unser gesellschaftliches Zusammenleben aus. Da kann es nur helfen, wenn das allen interessierten Menschen noch näher gebracht wird, indem sie sich solche Urteilsverkündigungen ansehen können. Die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte ist von sehr hoher Qualität. Wenn sie einer breiteren Öffentlichkeit kommuniziert wird, kann das vielen Menschen unseren Rechtsstaat näher bringen. Klar ist: Die Rechte von allen Verfahrensbeteiligten müssen immer gewahrt bleiben. Und: Wir werden aus dem Gerichtssaal keine Showbühne machen. Deshalb werden die Gerichte auch selbst darüber entscheiden können, ob ihre Verhandlung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter übertragen werden sollte oder ob ein letztinstanzliches Urteil von so großer öffentlicher Bedeutung ist, dass es auch über die Medien verkündet werden sollte.“

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass seit 1964 bestehende Verbot von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung moderat zu lockern. Das gewandelte Medienverständnis und der Umgang mit modernen Kommunikationsformen lassen ein generelles Verbot nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Künftig erhalten Gerichte die Möglichkeit, in bestimmten Fällen Aufzeichnungen bzw. Übertragungen zu gestatten.

Zugelassen werden können

  • die Übertragung der mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter;
  • eine audio-visuelle Dokumentation von Gerichtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung sowie
  • die Übertragung von Verkündungen von Entscheidungen der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in den Medien.

Die Regelung soll neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch für die Arbeits-, die Verwaltungs-, die Finanz- und die Sozialgerichtsbarkeit und in angepasster Form auch für das Bundesverfassungsgericht gelten.

Ferner enthält der Gesetzentwurf Verbesserungen für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen. Vorgesehen sind Erweiterungen hinsichtlich der Beteiligung von Gebärdendolmetschern für hör- und sprachbehinderte Personen: Künftig sollen die Kosten für die Verdolmetschung des gesamten gerichtlichen Verfahren übernommen werden.

BMJV, Pressemitteilung v. 31.08.2016

Redaktionelle Hinweise

Der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprach- und Hörbehinderte (EMöGG) findet sich hier.

U. a. soll § 169 GVG folgenden Wortlaut erhalten (Änderungen im Gesetzestext fett markiert):

(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann von dem Gericht zugelassen werden. Die Tonübertragung kann zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens teilweise untersagt werden. Im Übrigen gilt für den in den Arbeitsraum übertragenen Ton Satz 2 entsprechend.

(2) Ton- und Filmaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen teilweise untersagt werden. Die Aufnahmen sind nicht zur Akte zu nehmen und dürfen nicht herausgegeben oder zu Verfahrenszwecken genutzt werden. Sie sind vom Gericht nach Abschluss des Verfahrens demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden. 

(4) Die Beschlüsse des Gerichts nach den Absätzen 1 bis 3 sind unanfechtbar.