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EuGH: Aufeinanderfolgende befristete Verträge zur Deckung eines dauerhaften Bedarfs im Bereich der Gesundheitsdienste verstößt gegen Unionsrecht

Die Verwendung solcher Verträge kann nur damit gerechtfertigt werden, dass ein zeitweiliger Bedarf gedeckt werden muss

Frau María Elena Pérez López wurde für den Zeitraum vom 05.02. bis zum 31.07.2009 als Krankenschwester im Universitätskrankenhaus von Madrid eingestellt. Ihre Ernennung wurde mit der „Ausführung bestimmter zeitlich begrenzter, konjunktureller oder außerordentlicher Dienste“ gerechtfertigt. Die Ernennung von Frau Pérez López wurde mittels identisch formulierter befristeter Arbeitsverträge siebenmal verlängert. Kurz vor Ablauf ihres letzten Vertrags im März 2013 teilte ihr die Verwaltung mit, dass sie erneut ernannt werde, so dass sie zwischen Februar 2009 und Juni 2013 ununterbrochen für das Krankenhaus arbeitete. Parallel hierzu wurde Frau Pérez López darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihr Arbeitsverhältnis danach auslaufe.

Frau Pérez López erhob gegen die Entscheidung über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Klage. Nach ihrer Auffassung dienten ihre aufeinanderfolgenden Ernennungen nicht der Deckung eines konjunkturellen oder außerordentlichen Bedarfs der Gesundheitsdienste, sondern entsprachen in Wirklichkeit einer dauerhaften Tätigkeit. Der mit dieser Klage befasste Juzgado de la Contencioso Administrativo n° 4 de Madrid (Verwaltungsgericht Nr. 4 Madrid, Spanien) fragt den Gerichtshof, ob die spanische Regelung, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge im Bereich der Gesundheitsdienste zulässt, gegen die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge[1] (eine Vereinbarung, nach der die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen müssen, um Missbräuchen durch die Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge vorzubeugen und die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten zu verhindern) verstößt. Dieses Gericht hat insbesondere Zweifel in Bezug auf die sachlichen Gründe, die eine Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen können.

Mit seinem heutigen Urteil[2] entscheidet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines zeitweiligen Personalbedarfs ermöglicht, während dieser Bedarf in Wirklichkeit ständig besteht.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Rahmenvereinbarung die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Vermeidung der missbräuchlichen Verwendung befristeter Arbeitsverträge verpflichtet, in ihrer Gesetzgebung mindestens einen der drei folgenden Punkte durch ein Mittel ihrer Wahl zu regeln: 1) sachliche Gründe, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen, 2) die insgesamt maximal zulässige Dauer, für die solche aufeinanderfolgenden Verträge geschlossen werden können, und 3) die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen.

Da die spanische Regelung keine Beschränkung zur Dauer oder zur Zahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge vorsieht (Nrn. 2 und 3 der vorstehenden Aufzählung), prüft der Gerichtshof, ob ein auf genau bezeichnete, konkrete Umstände bezogener sachlicher Grund die aufeinanderfolgenden Ernennungen von Frau Pérez López rechtfertigen konnte (Nr. 1 der vorstehenden Aufzählung). Insoweit erkennt der Gerichtshof an, dass die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers zur Deckung eines zeitweiligen Bedarfs einen sachlichen Grund darstellen kann. Er stellt jedoch fest, dass die Verträge nicht für ständige und dauerhafte Aufgaben verlängert werden können, die zur normalen Tätigkeit des festen Krankenhauspersonals gehören. Der sachliche Grund muss die Erforderlichkeit der Deckung eines zeitweiligen und nicht eines ständigen Bedarfs konkret rechtfertigen können.

Im Fall von Frau Pérez López beruhen ihre aufeinanderfolgenden Ernennungen offensichtlich nicht auf einem bloß zeitweiligen Bedarf des Arbeitgebers. Eine solche Verlängerung befristeter Arbeitsverträge führt zu einer Unsicherheit, unter der in Anbetracht des strukturellen Mangels an Planstellen im Bereich der Gesundheitsdienste in der Autonomen Gemeinschaft Madrid nicht nur Frau Pérez López zu leiden hatte.

Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass für die spanische öffentliche Verwaltung keinerlei Verpflichtung zur Schaffung von Planstellen besteht und dass es ihr freisteht, die Stellen durch die Ernennung von für eine Übergangszeit beschäftigten Kräften (sog. Interimspersonal) zu besetzen, und zwar ohne eine Beschränkung der Dauer der Verträge oder der Anzahl ihrer Verlängerungen. Daraus ergibt sich, dass die Unsicherheit, in der sich die Arbeitnehmer befinden, andauern würde. Daher entscheidet der Gerichtshof, dass die spanische Regelung, indem sie trotz eines strukturellen Mangels an Planstellen die Verlängerung von befristeten Verträgen zur Deckung eines ständigen und dauerhaften Bedarfs zulässt, gegen die Rahmenvereinbarung verstößt.

EuGH, Pressemitteilung v. 14.09.2016 zum Urt. v. 14.09.2016, C-16/15 (María Elena Pérez López / Servicio Madrileño de Salud)

Redaktioneller Hinweis: Zur Rechtsentwicklung im Kontext „öffentlicher Dienst“.

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[1] Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist (ABl. 1999, L 175, S. 43).

[2] Der Gerichtshof hat heute ferner zwei weitere Urteile über die Verwendung befristeter Arbeitsverträge in Spanien erlassen (nämlich zum einen das Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-184/15 Florentina Martínez Andrés / Servicio Vasco de Salud und C-197/15 Juan Carlos Castrejana López / Ayuntamiento de Vitoria sowie zum anderen das Urteil in der Rechtssache C-596/14 Ana de Diego Porras / Ministerio de Defensa). In den verbundenen Rechtssachen C-184/15 und C-197/15 stellt der Gerichtshof klar, dass die nationalen Behörden geeignete, hinreichend effektive und abschreckende Maßnahmen vorsehen müssen, um festgestellte Missbräuche sowohl bei dem Arbeitsrecht unterliegenden befristeten Verträgen als auch bei dem Verwaltungsrecht unterliegenden befristeten Verträgen zu verhindern und zu ahnden. Bezogen auf die Rechtssache C-596/14 stellt der Gerichtshof unter Verweis auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung fest, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer in gleicher Weise wie Dauerbeschäftigte einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Vertragsbeendigung haben.