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BMJV: Endergebnisse des Rosenburg-Projekts vorgestellt – „Es gibt kein Ende der Geschichte“

Vier Jahre lang hat eine Unabhängige Wissenschaftliche Kommission untersucht, wie das Bundesjustizministerium in den 1950er und 1960er Jahren mit der NS-Vergangenheit umgegangen ist. Heute wurde der Abschlussbericht der Kommission „Die Akte Rosenburg – Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit“ im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgestellt. Minister Maas betonte in seiner Eingangsrede: “Die Akte Rosenburg ist bedrückend. Sie zeigt die großen Versäumnisse der Vergangenheit, und sie formuliert damit zugleich eine Verpflichtung für die Gegenwart.“

Der Bericht macht die hohe personelle Kontinuität zwischen der Nazi-Justiz und dem Justizministerium der jungen Bundesrepublik deutlich. Mehr als die Hälfte aller Führungskräfte waren ehemalige NSDAP-Mitarbeiter, jeder fünfte war Mitglied der SA, viele stammten aus dem Reichsministerium. Der Bericht zeigt auch, zu welchen fatalen Folgen diese Kontinuität führte: Die Strafverfolgung von NS-Tätern wurde hintertrieben, die Diskriminierung einstiger Opfer wie Homosexuelle oder Sinti und Roma fortgesetzt und Gesetze beispielsweise im Jugendstrafrecht wurden nur oberflächlich entnazifiziert.

Ab 1959 entwarf die Bundesregierung sogar ein geheimes Kriegsrecht. Sonderausgaben des Bundesgesetzblattes mit Notverordnungen lagen in den Schubladen bereit, um im Kriegsfall verkündet zu werden. Vom Grundgesetz nicht gedeckt, hätten sie rechtsstaatliche Garantien ausgehebelt; selbst eine Neuauflage der berüchtigten „Schutzhaft“ war vorgesehen. Die Beamten des Bundesjustizministeriums hatten keine Skrupel, am geplanten Verfassungsbruch mitzuarbeiten.

Zu den Ursachen sagte Maas:

Weil sich viele Juristen als unpolitische Rechtstechniker verstanden, wurden sie in der NS-Zeit zu Mittätern des Unrechts. Später verhinderte falscher Korpsgeist eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte, und ein Mangel an rechtsstaatlicher Haltung machte viele Juristen zu Bremsern der demokratischen Erneuerung.“

Bei der heutigen Veranstaltung diskutierten Bundesjustizminister Maas, die Leiter der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission, der Historiker Prof. Manfred Görtemaker und der Jurist Prof. Christoph Safferling, gemeinsam mit der damaligen Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die das Projekt 2012 ins Leben gerufen hatte, über die Ergebnisse und die Konsequenzen, die das Ministerium und die Justiz daraus ziehen sollten.

Sie kommen zu dem Schluss, dass der Blick in die Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, dass Juristinnen und Juristen die Werte des Grundgesetzes leben und verteidigen – die Würde des Menschen, die individuelle Freiheit und die gesellschaftliche Vielfalt.

Dazu Maas: „Es gibt kein Ende der Geschichte. Auch heute gibt es Gefahren für Humanität und Freiheit, denen Juristinnen und Juristen an ihrem jeweiligen Platz widerstehen müssen. Das Wissen um die Geschichte kann die Sinne dafür schärfen, wenn Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit wieder in Frage gestellt werden. Um dieses Ethos weiter zu stärken, sollte das Unrecht, das deutsche Juristen angerichtet haben, Pflichtstoff der Juristenausbildung werden. Im Ministerium starten wir deshalb ein neues Fortbildungsprogramm.“

Hintergrund

Im Januar 2012 hatte die Unabhängige Wissenschaftliche Kommission beim Bundesministerium der Justiz zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit (UWK) ihren Arbeitsauftrag erhalten. Ein Team von Historikern und Juristen untersuchte unter der Leitung des Historikers Prof. Manfred Görtemaker und des Juristen Prof. Christoph Safferling seitdem den Umgang des Ministeriums mit der NS-Vergangenheit, die personellen und sachlichen Kontinuitäten, die Verfolgung von Verbrechen im Zusammenhang mit dem Holocaust sowie Fragen von Amnestie und Verjährung. Der Abschlussbericht ist nun unter dem Titel „Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit“ im Verlag C.H.Beck erschienen.

BMJV, Pressemitteilung v. 10.10.2016