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BVerwG: Rückabwicklung einer Sportförderung für den Betrieb einer Kletterhalle wegen Verletzung von Unionsrecht?

Das BVerwG in Leipzig hat sich heute mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Amateursportverein eine Sportförderung für den Betrieb einer Sporthalle wegen Verstoßes gegen das europarechtliche Verbot der unangemeldeten Durchführung wirtschaftlicher Beihilfen zurückzahlen muss. Es hat entschieden, dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet sind, die Frage, ob die Sportförderung alle Voraussetzungen einer anmeldepflichtigen wirtschaftlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 AEUV erfüllt, grundsätzlich eigenständig zu überprüfen. Diese Verpflichtung wird nicht dadurch eingeschränkt, dass die Europäische Kommission zuvor den Sachverhalt vorläufig geprüft und das Vorliegen einer Beihilfe angenommen hat.

Der Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen einer Betreiberin einer gewerblichen Kletterhalle (Klägerin) und dem Land Berlin (Beklagter) zu Grunde. Das Land stellte dem beigeladenen Deutschen Alpenverein Sektion Berlin e.V. im Rahmen einer Sportförderung ein Areal für den Bau einer Kletterhalle zur Verfügung und vereinbarte im Rahmen eines auf 30 Jahre angelegten Mietvertrages dafür nur einen erheblich vergünstigten Mietzins von € 1.132,92 im ersten Jahr. Die Klägerin sah darin eine wettbewerbsverzerrende und nach Art. 107 Abs. 1 AEUV europarechtlich unzulässige Beihilfe und erhob dagegen Klage beim VG Berlin.

Gleichzeitig befassten die Klägerin und andere Kletterhallenbetreiber die Europäische Kommission mit dem Vorgang und mit weiteren vergleichbaren Subventionen anderer Bundesländer. Die Kommission billigte aufgrund vorläufiger Prüfung mit Beschluss vom 05.12.2012 sämtliche staatliche Unterstützungsleistungen zu Gunsten von Kletteranlagen des Deutschen Alpenvereins in Deutschland. Diese seien zwar Beihilfen, aber mit dem Binnenmarkt vereinbar. Der Beschluss wurde auf die Beschwerde der Klägerin vom EuG mit Urteil vom 09.06.2016 bestätigt, ohne dass das Vorliegen einer Beihilfe näher geprüft wurde.

Das VG hat der Klage teilweise stattgegeben. Der im Oktober 2011 geschlossene Mietvertrag sei bis zur Entscheidung der Kommission im Dezember 2012 hinsichtlich der Mietzinsregelung nichtig gewesen. Für den darauf folgenden Zeitraum könne sich die Klägerin auf eine ggf. weiterbestehende Nichtigkeit nicht mehr berufen. Das OVG hat sich im Berufungsverfahren dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Die Kommission habe den Deutschen Alpenverein und seine regionalen Sektionen als eine Unternehmensgruppe angesehen und alle dieser Gruppe von verschiedenen Ländern zugewendeten Zuschüsse in den Blick genommen. Sie sei daher vom Vorliegen einer binnenmarktrelevanten Beihilfe ausgegangen, auch wenn sie sie gebilligt habe. Diese Einschätzung sei rechtlich bindend und führe zu dem Ergebnis, dass der Mietvertrag vor der Zustimmung der Kommission wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unwirksam gewesen sei.

Das BVerwG hat auf die Revision des beigeladenen Alpenvereins die Sache zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung und tatrichterlichen Überprüfung an das OVG zurückverwiesen. Das OVG ist bei seiner Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass es an die Feststellung der Europäischen Kommission zum Beihilfecharakter der Maßnahme rechtlich gebunden sei. Eine solche Rechtsbindung ergibt sich weder aus der Vermutung der Rechtmäßigkeit europäischer Hoheitsakte noch aus der im Beihilferecht anerkannten Loyalitätspflicht der nationalen Gerichte gegenüber den Organen der Europäischen Union. Die aus dem Verfassungsgebot effektiven Rechtsschutzes fließende Pflicht zur umfassenden Überprüfung des Streitfalls in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ist jedenfalls dann nicht eingeschränkt, wenn die Kommission ihre Entscheidung – wie hier – auf Grund nur vorläufiger Prüfung und ohne Anhörung des beigeladenen Subventionsempfängers abgeschlossen hat. Aus der Loyalitätspflicht kann allerdings, wenn die Verwaltungsgerichte von der Entscheidung der Kommission aus Rechtsgründen abweichen wollen, eine Pflicht zur Vorlage des Verfahrens an den EuGH folgen. Da das OVG seinen Prüfungsumfang zu Unrecht auf das Vorliegen von „Zweifeln“ reduziert hat, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden.

BVerwG, Pressemitteilung v. 26.10.2016 zum Urt. v. 26.10.2016, BVerwG 10 C 3.15