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EuGH: Finanzierungsregelung der spanischen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt (RTVE) mit den Unionsregeln für staatliche Beihilfen vereinbar

Die in der Neuregelung vorgesehenen steuerlichen Maßnahmen sind nicht Bestandteil der Beihilfe für RTVE

Für die Corporación de Radio y Televisión Española, SA (RTVE), die spanische öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt, war bis 2009 eine duale Finanzierung vorgesehen. Dabei erzielte sie zum einen Einnahmen aus ihren kommerziellen Tätigkeiten (insbesondere durch den Verkauf von Sendezeit für Werbung), und erhielt zum anderen vom spanischen Staat eine Ausgleichszahlung für die Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags.

Im September 2009 wurde das Finanzierungssystem durch ein spanisches Gesetz geändert. Es sieht vor, dass Werbung, Teleshopping, Sponsoring und Zugangsdienste keine Finanzierungsquellen von RTVE mehr darstellen. Zum Ausgleich des Verlusts dieser kommerziellen Einnahmen wurden mehrere steuerliche Maßnahmen eingeführt, darunter eine neue Abgabe auf die Einnahmen der in Spanien ansässigen Betreiber von Bezahlfernsehangeboten als Beitrag zum Haushalt von RTVE. Ferner war nach dem neuen Gesetz, wenn die Finanzierungsquellen nicht ausreichten, um die gesamten RTVE durch die Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags entstehenden Kosten zu decken, der Staat verpflichtet, für dieses Defizit aufzukommen, so dass das System der dualen Finanzierung in ein System fast ausschließlich öffentlicher Finanzierung umgewandelt wurde.

Mit Beschluss vom 20.07.2010[1] stellte die Kommission fest, dass die Änderung des Systems der Finanzierung von RTVE mit dem Binnenmarkt der Union vereinbar sei, und fügte hinzu, dass das neue System jede Überkompensation von RTVE ausschließe. In diesem Rahmen vertrat sie die Auffassung, dass die fraglichen steuerlichen Maßnahmen nicht Bestandteil der zugunsten von RTVE eingeführten Beihilferegelung seien und dass deshalb eine etwaige Unvereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Unionsrecht keine Auswirkungen auf die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt habe. DTS Distribuidora de Televisión Digital, eine Gesellschaft, die eine Bezahlplattform für digitales Satellitenfernsehen betreibt, beantragte daraufhin beim Gericht der Europäischen Union die Nichtigerklärung dieses Beschlusses mit der Begründung, dass die steuerlichen Maßnahmen Bestandteil der Beihilfe seien und der Begriff der Beihilfe im Sinne des Unionsrechts verletzt worden sei. Mit Urteil vom 11.07.2014[2] wies das Gericht die Klage von DTS ab. Diese hat beim Gerichtshof ein auf die Aufhebung des Urteils des Gerichts gerichtetes Rechtsmittel eingelegt.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof das Rechtsmittel von DTS zurück und bestätigt damit das Urteil des Gerichts. Er stellt fest, dass das Gericht in den steuerlichen Maßnahmen zu Recht keinen Bestandteil der Beihilferegelung zugunsten von RTVE sah.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Finanzierungsweise, wenn sie Bestandteil einer Beihilferegelung ist, zu deren Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt führen kann. Daher kann die Kommission, wenn sich herausstellt, dass eine Abgabe, die speziell zur Finanzierung einer Beihilfe dient, mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, die Beihilferegelung, deren Bestandteil die Abgabe ist, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären.

Damit eine Abgabe Bestandteil einer Beihilfe ist, muss nämlich ein zwingender Verwendungszusammenhang zwischen der Abgabe und der Beihilfe in dem Sinne bestehen, dass das Aufkommen aus der Abgabe notwendig für die Finanzierung der Beihilfe verwendet wird und deren Umfang unmittelbar beeinflusst.

Der Gerichtshof weist das Vorbringen von DTS zurück, durch die steuerlichen Maßnahmen werde die Beihilferegelung unmittelbar finanziert. Er führt aus, dass sich die Höhe der Beihilfe nach den Nettokosten für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags richtet, so dass das Aufkommen aus den steuerlichen Maßnahmen keinen unmittelbaren Einfluss darauf hat, ob und in welchem Umfang RTVE die Beihilfe gewährt wird. Da die Beihilfe folglich nicht unmittelbar von den Einnahmen aus den fraglichen steuerlichen Maßnahmen abhängt, pflichtet der Gerichtshof dem Gericht bei, dass kein zwingender Verwendungszusammenhang zwischen den steuerlichen Maßnahmen und der Beihilfe besteht. Überdies kann ein Teil des Aufkommens aus der Abgabe unter Umständen zu anderen Zwecken verwendet werden. So kann der Überschuss der Steuereinnahmen einem Rücklagenfonds zugewiesen werden oder in die Staatskasse fließen und damit letztlich in den Staatshaushalt. Auch die Unanwendbarkeit der fraglichen steuerlichen Maßnahmen würde die Beihilfe nicht in Frage stellen, weil der spanische Staat die Differenz zwischen den Finanzierungsquellen von RTVE und ihren Kosten für die Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags ausgleichen muss.

DTS macht ferner geltend, da die Abgabe der Betreiber von Bezahlfernsehangeboten zur Finanzierung einer Beihilferegelung zugunsten von RTVE diene, entstehe ihr durch die Pflicht zur Entrichtung dieser Abgabe ein zusätzlicher Wettbewerbsnachteil auf den Märkten, auf denen sie mit RTVE, die die Abgabe nicht zu entrichten habe, in Wettbewerb stehe. Der Gerichtshof sieht diesen Umstand jedoch nicht als ausreichend zum Nachweis dafür an, dass die Abgabe Bestandteil der Beihilfe ist. Er hebt insoweit hervor, dass die Frage, ob eine Abgabe Bestandteil einer durch eine Abgabe finanzierten Beihilfe ist, nicht davon abhängt, ob ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Schuldner der Abgabe und dem Empfänger der Beihilfe besteht, sondern allein davon, dass zwischen der Abgabe und der betreffenden Beihilfe ein zwingender Verwendungszusammenhang besteht. Überdies unterliegen die Abgaben grundsätzlich nicht den Regeln für staatliche Beihilfen. Würde der Argumentation von DTS gefolgt, würde aber jede auf sektorieller Ebene erhobene Abgabe, die in einem Wettbewerbsverhältnis zu dem Begünstigten einer durch die Abgabe finanzierten Beihilfe stehende Wirtschaftsteilnehmer trifft, den Regeln für staatliche Beihilfen unterliegen.

EuGH, Pressemitteilung v. 10.11.2016 zum Urt. v. 10.11.2016, Rs. C-449/14 P (DTS Distribuidora de Televisión Digital / Kommission)


[1] Beschl. 2011/1/EU der Kommission vom 20.07.2010 über die staatliche Beihilfe C 38/09 (ex NN 58/09), deren Gewährung Spanien zugunsten der spanischen Rundfunk- und Fernsehanstalt „Corporación de Radio y Televisión Española“ (RTVE) plant (ABl. 2011, L 1, S. 9).

[2] Urteil des Gerichts vom 11.07.2014, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission (T-533/10).