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Landtag: Interpellation zur Pflegesituation in Bayern

Mit Blick auf Versorgungslücken und sich anbahnende Notstände im Pflegebereich hat sich die Fraktion der FREIEN WÄHLER mit einer Interpellation, also einer großen öffentlichen Anfrage, an die Staatsregierung gewandt und um eine Bestandsaufnahme gebeten. Mittlerweile liegt zur „Pflege in Bayern – häusliche, ambulante und stationäre Altenpflege“ ein 130 Seiten umfassender Bericht der Staatsregierung vor (LT-Drs. 17/12728 v. 10.08.2016 [PDF]) – „als Standortbestimmung und auch als Anstoß“, wie Staatsministerin Melanie Huml erklärte. Die Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft bei der Pflege steht, sind jedenfalls gewaltig, Fortschritte bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen weiterhin notwendig – darin waren sich die Redner aller Fraktionen in der Debatte im Landtag einig.

Gegenwärtig sind rund 330.000 Bürgerinnen und Bürger in Bayern pflegebedürftig – eine Zahl, die aufgrund der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren noch stark ansteigen wird.

„Mein Ziel ist es, dass Pflegedürftige möglichst lange selbstständig leben können und bestmögliche Unterstützung bekommen. Dabei haben wir schon viel erreicht“, sagte Melanie Huml im Landtag.

Die Ministerin verwies darauf, dass im Juli 2017 in Nürnberg ein großer bayerischer Pflegegipfel stattfinden werde, zu dem auch Bundesminister Hermann Gröhe sein Kommen angekündigt habe. Eingeladen werden sollen sowohl Vertreter der Pflegeberufe und der Wissenschaft als auch der Kassen, Kommunen und Einrichtungsträger sowie Vertreter von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen.

„Bei der Pflege handelt es sich um ein Thema, das für die Menschen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Deshalb ist es wichtig, die Herausforderungen in diesem Bereich gemeinsam anzupacken“, unterstrich Huml.

Bayerischer Pflegegipfel 2017 in Nürnberg geplant

Die Erkenntnisse aus dem Pflegegipfel 2017 werden die Grundlage für Entscheidungen über langfristige Ziele der bayerischen Pflegepolitik sein. Klar sei aber schon jetzt, „dass wir mehr gesellschaftliche Anerkennung für professionelle und häusliche Pflege brauchen. Außerdem müssen wir passende Rahmenbedingungen auch für ein möglichst selbstbestimmtes Leben der Pflegebedürftigen schaffen“, sagte Huml. Aus der Sicht der Staatsministerin habe die Politik mit den Pflegestärkungsgesetzen des Bundes und mit Verbesserungen auf Landesebene bereits wichtige Weichen gestellt. Ein drittes Pflegestärkungsgesetz, das derzeit in Berlin verhandelt werde, soll insbesondere die Strukturen vor Ort und die Position der Kommunen stärken. Als Erfolg verbuchte es Huml auch, dass die Schülerzahlen in der Altenpflege im Freistaat seit dem Schuljahr 2009/2010 um fast 40% gestiegen sind. Dabei sei Bayerns „HERZWERKER“-Kampagne sehr erfolgreich, unterstrich die Ministerin.

Zur besseren Versorgung Demenzkranker habe die Staatsregierung beschlossen, Demenzzentren als Anlaufstellen in den Bezirken zu schaffen. Der Freistaat fördere zudem im Rahmen der Bayerischen Demenzstrategie Projekte und Angebote. Als Beispiel nannte sie den Ausbau von Betreuungsangeboten für Demenzkranke, die zu Hause gepflegt werden.

Aus der Sicht der Fraktion der FREIEN WÄHLER geht aus den Antworten der Staatsregierung in der Interpellation hervor, dass die Maßnahmen der Vergangenheit nicht ausreichend waren. Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer, pflegepolitischer Sprecher der Fraktion der FREIEN WÄHLER, forderte hier insbesondere die Einrichtung einer „echten“ und unabhängigen Pflegekammer in Bayern und lehnte die von der Staatsregierung geplante „Vereinigung der bayerischen Pflege“ ab. Erforderlich seien zudem eine angemessene Bezahlung der Pflegenden und eine gesetzliche Personalbemessung, um den Beruf für junge Menschen attraktiver zu machen, Bürokratieabbau und eine unabhängige Pflegeberatung. Diese werde derzeit häufig von gesetzlichen oder privaten Pflegekassen oder vom MDK – dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen – angeboten, erklärte Prof. Bauer.

Auch Ulrich Leiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sprach sich für die Einrichtung einer Pflegekammer und damit „eine starke Stimme für die Pflege“ aus. Zwar habe die Staatsregierung das Ministerium für Gesundheit und Pflege geschaffen, aber der erzwungene Umzug des Ministeriums nach Nürnberg und die Verweigerung der Einrichtung einer Pflegekammer zeigten, wie einflusslos das Ministerium sei.

Auf die durchschnittlich nur kurze Verweildauer in den Pflegeberufen wies Ruth Waldmann hin. Als Gründe nannte die SPD-Politikerin Doppel- und Mehrfachbelastungen, weil hauptsächlich Frauen als Pflegende tätig sind, Schichtarbeit und die Zunahme von Arbeitsdichte und Aufgaben.

„Nur wenn der Pflegeberuf deutlich attraktiver wird, werden auch mehr junge Menschen diesen Beruf ergreifen“, betonte sie.

Das A und O: die Frage des Personalschlüssels

„Wir müssen die Rahmenbedingungen und den Personalschlüssel weiter in Angriff nehmen“, zeigte sich auch der Patienten- und Pflegebeauftragte Hermann Imhof (CSU) überzeugt.

Wenn sich die Pflegekräfte „die Seele aus dem Leib rennen“ und „am Ende ihrer physischen und psychischen Kräfte sind“, brauche sich niemand über die geringe Nachfrage nach dieser Ausbildung zu wundern. Die Frage des Personalschlüssels, die auch von Staatsministerin Melanie Huml immer wieder aufgegriffen werde, sei dabei „das A und O“.

Bernhard Seidenath (CSU) bestätigte die Problemanalyse und appellierte, auch anzuerkennen, was in Bayern schon alles in eine positive Richtung bewegt hätte werden können. Als Erfolg wertete er dabei die Abschaffung der Kostenpflicht für die Altenpflegeausbildung. Auch in Sachen Entbürokratisierung seien Fortschritte gelungen.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus dem Plenum v. 10.11.2016 (von Katja Helmö)