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EuGH: Höchstaltersgrenze von 35 Jahren für Auswahlverfahren zur Einstellung in Polizeivollzugsdienst unionsrechtskonform

Der Ausschluss von Bewerbern, die älter als 35 Jahre sind, von einem Auswahlverfahren zur Einstellung von Polizeibeamten, die für die Wahrnehmung von Einsatz- und Vollzugsaufgaben vorgesehen sind, ist mit dem Unionsrecht vereinbar / Das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten stellt eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung in Bezug auf solche Polizeibeamten dar

Herr Gorka Salaberria Sorondo bestreitet die Rechtmäßigkeit einer von der Academia Vasca de Policía y Emergencias (Baskische Akademie für Polizei und Rettungsdienste, Spanien) veröffentlichten Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens zur Einstellung von Polizeibeamten bei der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlands. Gemäß dieser Bekanntmachung durften die Bewerber für die Teilnahme an diesem Auswahlverfahren das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Herr Salaberria Sorondo, der zum Zeitpunkt des Auswahlverfahrens älter als 35 Jahre war, ist der Auffassung, dass die in der Bekanntmachung vorgeschriebene Altersgrenze den Zugang zu öffentlichen Funktionen ohne angemessenen Grund beschränke.

Herr Salaberria Sorondo bezieht sich insoweit auf die Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf[1], deren hauptsächlicher Zweck darin besteht, verschiedene Arten von Diskriminierung zu bekämpfen. Diese Richtlinie verbietet insbesondere im Bereich der Beschäftigung jegliche direkte oder indirekte Diskriminierung wegen des Alters. Im Jahr 2014 hat der Gerichtshof in der Rechtssache Vital Pérez[2] entschieden, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Höchstalter für die Einstellung von Beamten der örtlichen Polizei auf 30 Jahre festlegt.

Das Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Autónoma del País Vasco (Oberster Gerichtshof der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlands, Spanien) hat dem Gerichtshof daher die Frage gestellt, ob eine Regelung, die vorsieht, dass die Bewerber für Beamtenstellen bei einer Polizei, die mit der Wahrnehmung von Einsatz- und Vollzugsaufgaben betraut ist, das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen, gegen die Richtlinie verstößt.

Mit seinem heutigen Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass die Bewerber auf Stellen für Polizeibeamte, die für die Wahrnehmung von Einsatz- und Vollzugsaufgaben vorgesehen sind, das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen, nicht entgegensteht.

Der Gerichtshof führt aus, dass diese Regelung offensichtlich eine Ungleichbehandlung wegen des Alters begründet, da sie zur Folge hat, dass bestimmte Personen allein deshalb, weil sie das 35. Lebensjahr vollendet haben, eine weniger günstige Behandlung erfahren als andere Personen in vergleichbaren Situationen. Er weist jedoch darauf hin, dass nach der Richtlinie die Ungleichbehandlung wegen des Alters nicht als eine Diskriminierung gilt, wenn ein Merkmal, das mit dem Alter zusammenhängt, wie das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.

Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass die Aufgaben betreffend den Schutz von Personen und Sachen, die Festnahme und Ingewahrsamnahme von Straftätern sowie der präventive Streifendienst die Anwendung körperlicher Gewalt erfordern können. Die Natur dieser Aufgaben macht besondere körperliche Fähigkeiten erforderlich, da körperliche Schwächen bei der Ausübung dieser Tätigkeiten beträchtliche Konsequenzen haben können, und zwar nicht nur für die Polizeibeamten selbst und für Dritte, sondern auch für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Demzufolge kann das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten, um die wesentlichen Aufgaben der Polizei der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlands zu erfüllen, als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Ausübung dieses Berufs angesehen werden.

Bezüglich der Rechtssache Vital Pérez stellt der Gerichtshof klar, dass die Aufgaben, die die Polizeikräfte der Autonomen Gemeinschaften wahrnehmen, von den Aufgaben verschieden sind, die der örtlichen Polizei zugewiesen sind. Des Weiteren führt der Gerichtshof aus, dass in der Stufe, für die das Auswahlverfahren organisiert wurde, keine administrativen Aufgaben wahrgenommen werden, und dass für diese Art von Aufgaben ein anderes spezielles Auswahlverfahren ohne Altersgrenze organisiert wird.

Der Gerichtshof betont außerdem, dass in Anbetracht der massiven Überalterung der Polizei (die in der Rechtssache Vital Pérez nicht gegeben war) die Notwendigkeit besteht, Vorkehrungen für eine schrittweise Ersetzung der ältesten Beamten durch die Einstellung von jüngerem Personal zu treffen. Ein junger Beamter ist nämlich in der Lage, die körperlich anstrengenden Aufgaben effizienter zu erfüllen, was im Übrigen genau der Grund dafür ist, dass die Beamten dieser Polizei ab dem Alter von 56 Jahren von bestimmten Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen können (Verringerung der jährlichen Arbeitszeit, Befreiung vom Nachtdienst usw.). Zur Wiederherstellung einer zufriedenstellenden Alterspyramide ist das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten deshalb dynamisch zu beurteilen, d. h. unter Berücksichtigung der Dienstjahre, die der Beamte nach seiner Einstellung absolviert.

Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass die spanische Regelung als dem Ziel, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren des Polizeidienstes der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlands zu gewährleisten, angemessen angesehen werden kann.

EuGH, Pressemitteilung v. 15.11.2016 zum Urt. v. 15.11.2016, C-258/15 (Gorka Salaberria Sorondo / Academia Vasca de Policía y Emergencias)


[1] Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festsetzung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

[2] Urteil des Gerichtshofs vom 13.11.2014, Vital Pérez (C-416/13, vgl. auch Pressemittteilung Nr. 149/14 [PDF]).