Recht Deutschland & Europa

EuG: Europäische Bürgerinitiative „Minority SafePack“ – Ablehnung der Registrierung nichtig

Das Gericht erklärt die Kommissionsentscheidung für nichtig, mit der die Registrierung des Vorschlags für eine europäische Bürgerinitiative namens „Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe“ abgelehnt wurde. Die Kommission hat ihre Begründungspflicht verletzt, da sie weder angegeben hat, welche der im Anhang des Antrags genannten Maßnahmen nicht in ihre Zuständigkeit fallen, noch die Gründe angegeben hat, auf denen diese Schlussfolgerung beruht

Am 15.07.2013 legte ein Bürgerausschuss[1] der Kommission den Vorschlag für eine europäische Bürgerinitiative[2] namens „Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe“ vor. Mit dieser Initiative soll die EU aufgefordert werden, den Schutz für Angehörige nationaler Minderheiten und von Sprachminderheiten zu verbessern sowie die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union zu stärken. Im Anhang des Vorschlags werden elf Bereiche dargestellt, in denen die EU-Organe Vorschläge für Rechtsakte ausarbeiten sollen, wobei zu diesem Zweck genaue Angaben zu den Arten der zu erlassenden Rechtsakte, ihrem Inhalt[3] und den entsprechenden Rechtsgrundlagen im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union gemacht wurden.

Mit Entscheidung vom 13.09.2013[4] lehnte die Kommission die Registrierung dieses Vorschlags mit der Begründung ab, dass er offenkundig außerhalb des Rahmens liege, in dem sie befugt sei, einen Vorschlag für den Erlass eines Rechtsakts der EU vorzulegen, um die Unionsverträge umzusetzen.

In ihrer Entscheidung erkannte die Kommission an, dass die Wahrung der Rechte von Personen, die Minderheiten angehörten, zu den Werten der EU zähle und dass die EU-Organe die kulturelle und sprachliche Vielfalt wahren sowie Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit vermeiden müssten. Sie fügte hinzu, einige der geforderten Rechtsakte könnten für sich genommen innerhalb des Rahmens liegen, in dem sie befugt sei, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der EU vorzulegen. Die Verordnung über die Bürgerinitiative[5] sehe aber die Registrierung eines oder mehrerer Teile einer geplanten Initiative nicht vor. Im Ergebnis gebe es in den Unionsverträgen keine Rechtsgrundlage für die Vorlage eines ganzen Bündels von Vorschlägen wie der im Antrag auf Registrierung genannten, so dass der fragliche Vorschlag offenkundig außerhalb des Rahmens ihrer Befugnis liege.

Mit seinem heutigen Urteil gibt das Gericht der Klage des Bürgerausschusses gegen die Kommission[6] statt und erklärt ihre Entscheidung für nichtig, da ihre Begründung für die Verweigerung der Registrierung des fraglichen Vorschlags offensichtlich unzureichend ist. Die Kommission hätte nämlich angeben müssen, welche der Maßnahmen im Anhang des Vorschlags nicht in ihre Zuständigkeit fallen und auf welchen Gründen diese Schlussfolgerung beruht.

So war für den Bürgerausschuss weder ersichtlich, welche der im Anhang zu seiner geplanten Bürgerinitiative angeführten Vorschläge nach Ansicht der Kommission außerhalb des Rahmens ihrer Befugnisse liegen, noch erfuhr er die Gründe für diese Beurteilung. Er war somit daran gehindert, die Richtigkeit dieser Beurteilung in Frage zu stellen, und das Gericht ist daran gehindert, die Beurteilung der Kommission auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Ohne eine vollständige Begründung wäre es zudem kaum möglich, einen neuen, den Einwänden der Kommission gegen die Zulässigkeit bestimmter Vorschläge Rechnung tragenden Vorschlag vorzulegen. Damit wird zugleich die Verwirklichung der Zielsetzung der europäischen Bürgerinitiative gefährdet, die Bürger zur Teilnahme am demokratischen Leben zu ermutigen und die EU zugänglicher zu machen.

Das Gericht lässt im Übrigen offen, ob eine geplante europäische Bürgerinitiative nicht registriert werden kann, wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen teilweise außerhalb der Befugnis der Kommission liegen, einen Rechtsakt der EU vorzulegen, um die Unionsverträge umzusetzen.

EuG, Pressemitteilung v. 03.02.2017 zum Urt. v. 03.02.2017 – T-646/13 (Bürgerausschuss für die Bürgerinitiative Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe / Kommission)


[1] Bestehend aus Herrn Hans Heinrich Hansen (Dänemark), Herrn Hunor Kelemen (Rumänien), Herrn Karl-Heinz Lambertz (Belgien), Frau Jannewietske Annie De Vries (Niederlande), Herrn Valentin Inzko (Österreich), Herrn Alois Durnwalder (Italien) und Frau Anke Spoorendonk (Deutschland).

[2] Für allgemeine Informationen über die europäische Bürgerinitiative vgl. das amtliche Register (http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/basic-facts?lg=de).

[3] Vorgeschlagen werden u. a. (i) die Anpassung von Förderprogrammen, um die Zugänglichkeit für kleine Regional- und Minderheitensprachen zu erleichtern, (ii) die Schaffung eines Zentrums für Sprachenvielfalt, (iii) die Anpassung der gemeinsamen Bestimmungen für die regionalen Fördermittel der Union dahin gehend, dass Minderheitenschutz sowie die Förderung kultureller und sprachlicher Vielfalt als thematische Ziele einbezogen werden, (iv) die Stärkung der Stellung von Bürgern, die einer nationalen Minderheit angehören, innerhalb der EU mit dem Ziel, dafür Sorge zu tragen, dass ihre berechtigten Anliegen bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments berücksichtigt werden, und (v) wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen und zur Förderung der Gleichbehandlung auch in Bezug auf nationale Minderheiten.

[4] Entscheidung C (2013) 5969 final der Kommission vom 13.09.2013, mit der der Antrag auf Registrierung der europäischen Bürgerinitiative namens „Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe“ zurückgewiesen wurde.

[5] Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 über die Bürgerinitiative (ABl. 2011, L 65, S. 1).

[6] Im Verfahren vor dem Gericht wurden der Bürgerausschuss von Ungarn und die Kommission von der Slowakei und Rumänien unterstützt.