Gesetzgebung

Europäischer Rat: Erklärung von Malta über die externen Aspekte der Migration – Vorgehen in Bezug auf die zentrale Mittelmeerroute

Europäischer Rat, Erklärung von Malta über die externen Aspekte der Migration: Vorgehen in Bezug auf die zentrale Mittelmeerroute, Valletta, den 03.02.2017:

1. Wir würdigen und unterstützen die Anstrengungen, die der maltesische Vorsitz unternimmt, um die umfassende Migrationspolitik der Europäischen Union in allen Aspekten voranzubringen. Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, unter uneingeschränkter Achtung der Menschenrechte, des Völkerrechts und der europäischen Werte und in Zusammenarbeit mit dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zu handeln.

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2. Von maßgeblicher Bedeutung für eine nachhaltige Migrationspolitik ist, dass eine wirksame Kontrolle unserer Außengrenzen sichergestellt wird und dass die illegalen Zuwanderungsströme in die EU eingedämmt werden. Die Zahl der angekommenen Flüchtlinge ist 2016 auf ein Drittel der Zahlen des Jahres 2015 zurückgegangen. Auf der östlichen Mittelmeerroute hält der Migrationsdruck zwar an, doch ist die Zahl der angekommenen Flüchtlinge in den letzten vier Monaten des Jahres 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 98 % zurückgegangen. Wir halten an der Erklärung EU-Türkei fest und treten nach wie vor dafür ein, dass sie in jeder Hinsicht vollständig und in nicht diskriminierender Weise umgesetzt wird und dass die Länder entlang der Westbalkanroute weiter unterstützt werden.

3. Auf der zentralen Mittelmeerroute wurden 2016 hingegen mehr als 181 000 Flüchtlinge erfasst, und die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen oder vermissten Personen erreicht seit 2013 jedes Jahr einen neuen Höchststand. 2017 sind bereits mehrere Hundert Flüchtlinge zu Tode gekommen, und der Frühling steht bevor; deshalb sind wir fest entschlossen, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Migrationsströme entlang der zentralen Mittelmeerroute deutlich zu verringern und das Geschäftsmodell der Schleuser zu zerschlagen und gleichzeitig die östliche Mittelmeerroute sowie die anderen Routen weiter im Auge zu behalten. Wir werden unsere Zusammenarbeit mit Libyen, dem Land, über das die meisten Flüchtlinge reisen, sowie mit den Nachbarländern Libyens im Norden Afrikas und südlich der Sahara vertiefen.

4. Der Partnerschaftsrahmen und der Aktionsplan von Valletta haben uns ermöglicht, die langfristige Zusammenarbeit mit einer Reihe von Partnerländern, auch im Hinblick auf die Migrationsursachen, im Wege einer soliden, auf gegenseitigem Vertrauen beruhenden Partnerschaft zu vertiefen. Diese Zusammenarbeit, die bereits erste Ergebnisse liefert, wird noch weiter intensiviert. Gleichzeitig erfordert die Dringlichkeit der Lage umgehende zusätzliche operative Maßnahmen auf regionaler Ebene, wobei an jedem Punkt entlang der Migrationsroute ein pragmatischer, flexibler und maßgeschneiderter Ansatz unter Einbeziehung aller Akteure verfolgt werden muss. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin „Migration über die zentrale Mittelmeerroute. Bewältigung der Migrationsströme, Rettung von Menschenleben“.

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5. Maßnahmen zur Stabilisierung der Lage in Libyen sind jetzt wichtiger denn je, und die EU wird nach Kräften zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen. In Libyen ist der Aufbau von Kapazitäten von entscheidender Bedeutung, damit die Behörden die Kontrolle über die Land- und Seegrenzen erlangen und gegen Durchreise und Schleusertätigkeiten vorgehen können. Die EU befürwortet weiterhin eine alle Bevölkerungsgruppen einbeziehende politische Lösung im Rahmen des Libyschen politischen Abkommens und die Unterstützung des Präsidialrates und der Regierung der Nationalen Einheit, wofür auch die Vereinten Nationen eintreten. Soweit möglich werden die EU und die Mitgliedstaaten auch ihre Zusammenarbeit mit regionalen und lokalen Gemeinschaften in Libyen vertiefen und ihre Hilfe für diese Gemeinschaften aufstocken; sie werden auch intensiver mit den im Land tätigen internationalen Organisationen zusammenarbeiten.

6. Folgenden Aspekten wird Vorrang eingeräumt:

a) Ausbildung, Ausrüstung und Unterstützung der libyschen nationalen Küstenwache und anderer relevanter Agenturen. Ergänzende Ausbildungsprogramme der EU müssen in Bezug auf Intensität und Anzahl rasch verstärkt werden, und zwar beginnend mit den Ausbildungsmaßnahmen, die bereits im Rahmen der Operation SOPHIA durchgeführt werden, und aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen. Die Finanzierung und Planung dieser Maßnahmen muss – auch im Rahmen des Seahorse-Netzwerks Mittelmeer – nachhaltig gesichert und voraussehbar sein;

b) weiteren Anstrengungen zur Zerschlagung des Geschäftsmodells der Schleuser durch verstärkte operative Maßnahmen im Rahmen eines integrierten Ansatzes, in den Libyen und andere Länder entlang der Route sowie relevante internationale Partner, die beteiligten Mitgliedstaaten, GSVP-Missionen und -Operationen, Europol und die Europäische Grenz- und Küstenwache einzubeziehen sind;

c) soweit möglich der Unterstützung der Entwicklung der lokalen Gemeinschaften in Libyen, insbesondere in den Küstengebieten und – dort wo die Migrationsrouten verlaufen – an den libyschen Landgrenzen, um ihre wirtschaftliche und soziale Lage zu verbessern und ihre Resilienz als Aufnahmegemeinschaften zu stärken;

d) Bemühungen, gemeinsam mit dem UNHCR und der IOM angemessene Aufnahmekapazitäten und -bedingungen für Migranten in Libyen zu gewährleisten;

e) Unterstützung der IOM bei der erheblichen Verstärkung der Maßnahmen für die unterstützte freiwillige Rückkehr;

f) Intensivierung der an Migranten gerichteten Informationskampagnen und Kontaktaufnahme in Libyen und in den Herkunfts- und Transitländern in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und internationalen Organisationen, vor allem um gegen das Geschäftsmodell der Schleuser vorzugehen;

g) Unterstützung bei der Verringerung des Drucks auf die libyschen Landgrenzen in Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden wie auch mit allen Nachbarn Libyens, unter anderem durch Unterstützung von Projekten, durch die ihre Grenzmanagementkapazitäten verbessert werden;

h) Verfolgung alternativer Routen und einer möglichen Umleitung der Tätigkeiten von Schleusern im Wege gemeinsamer Anstrengungen mit den Nachbarn Libyens und den in den Partnerschaftsrahmen eingebundenen Ländern, mit Unterstützung der Mitgliedstaaten und aller relevanten EU-Agenturen sowie durch Bereitstellung aller erforderlichen Überwachungsinstrumente;

i) weiterer Unterstützung der Bemühungen und Initiativen einzelner Mitgliedstaaten, die direkt mit Libyen in Kontakt stehen; in diesem Zusammenhang begrüßt die EU die am 2. Februar 2017 von der italienischen Regierung und dem Vorsitzenden des Präsidialrates Al Sarraj unterzeichnete Vereinbarung und ist bereit, Italien bei deren Umsetzung zu unterstützen;

j) Vertiefung des Dialogs und der Zusammenarbeit mit allen libyschen Nachbarländern in Migrationsfragen, einschließlich einer besseren operativen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Grenz- und Küstenwache bei der Verhinderung von Ausreisen und der Steuerung der Rückkehr/Rückführung.

7. Diese Ziele müssen mit den erforderlichen Mitteln unterstützt werden. In Einklang mit dem Aktionsplan von Valletta ist die Europäische Union im Begriff, bei der öffentlichen Entwicklungshilfe für Afrika, die sich im derzeitigen Finanzierungszeitraum auf 31 Mrd. EUR beläuft, verstärkt auf die durchgängige Berücksichtigung von Migrationsfragen hinzuwirken. Einige der oben genannten Maßnahmen können im Rahmen bereits laufender Projekte finanziert werden, insbesondere im Rahmen von Projekten, die gegebenenfalls über den EU-Treuhandfonds für Afrika finanziert werden, der sich mit 1,8 Mrd. EUR aus dem EU-Haushalt und mit 152 Mio. EUR aus Beiträgen der Mitgliedstaaten speist. Wir begrüßen den Beschluss der Kommission, zur Deckung des dringendsten unmittelbaren und im weiteren Verlauf des Jahres 2017 entstehenden Finanzierungsbedarfs in einem ersten Schritt zusätzlich 200 Mio. EUR für die Nordafrika-Komponente des Fonds zu mobilisieren und migrationsbezogenen Projekten betreffend Libyen Vorrang einzuräumen.

8. Wir werden unsere auswärtige Migrationspolitik weiterentwickeln, um sie für künftige Krisen widerstandsfähiger zu gestalten. Wir werden mögliche Hindernisse ermitteln, beispielsweise in Bezug auf die zu erfüllenden Bedingungen für Rückführungen, und die Rückführungskapazitäten der EU unter Einhaltung des Völkerrechts ausbauen. Wir begrüßen die Absicht der Kommission, als ersten Schritt rasch einen aktualisierten Aktionsplan für die Rückkehr/Rückführung vorzulegen und Orientierungen vorzugeben, um mehr operative Rückführungen durch die EU und die Mitgliedstaaten und eine wirksame Rückübernahme auf der Grundlage des geltenden Besitzstands zu erreichen.

9. Wir kommen überein, entschlossen und zügig zu handeln, um die in dieser Erklärung festgehaltenen Ziele zu erreichen, und fordern alle Beteiligten auf, darauf hinzuarbeiten. Wir begrüßen die Absicht des maltesischen Vorsitzes, dem Rat zu diesem Zweck in enger Zusammenarbeit mit der Kommission und der Hohen Vertreterin baldmöglichst einen konkreten Umsetzungsplan vorzulegen, die Arbeiten voranzubringen und eine enge Überwachung der Ergebnisse zu gewährleisten. Der Europäische Rat wird die Fortschritte in Bezug auf das Gesamtkonzept auf seinen Tagungen im März und im Juni auf der Grundlage eines Berichts des maltesischen Vorsitzes prüfen.

Europäischer Rat, Erklärung von Malta über die externen Aspekte der Migration: Vorgehen in Bezug auf die zentrale Mittelmeerroute, Valletta, den 03.02.2017

Redaktioneller Hinweis