Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Reform der staatlichen Veterinärverwaltung und Lebensmittelüberwachung

Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/16103 v. 21.03.2017). Dieser sieht insbesondere eine Teilverlagerung für bestimmte Zuständigkeiten der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung vor. Für die Kontrolle bestimmter Betriebe wird durch Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes (GDVG) eine neue Kontrollbehörde, die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, errichtet. Der Gesetzentwurf reagiert insoweit auf das „Gutachten zur Struktur und Organisation des amtlichen Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung“, das der ORH am 12.02.2016 vorgelegt hatte (zum Gutachten und zur Stellungnahme des StMUV: hier). Darüber hinaus wird das Gesetzgebungsverfahren genutzt, um weiteren Änderungsbedarf des Ressortbereichs umzusetzen (Aufhebung der Gewässerzustandszuständigkeitsverordnung, Streichung von Art. 6 BayAbfG, Erweiterung des BayImSchG um einen Ordnungswidrigkeitentatbestand). Zudem sind u.a. auch die Zuständigkeitsverordnung (ZustV) und das Gesetz zur Ausführung des Tierischen Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (AGTierNebG) von Änderungen betroffen.

1. Übertragung von Zuständigkeiten

Die Bayerische Staatsregierung hatte den Bayerischen Obersten Rechnungshof (ORH) mit Schreiben vom 15.12.2015 gebeten, ein Gutachten zu erstellen, ob bzw. inwieweit sich die Strukturen und Organisation des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung verbessern lassen. Hierzu hat der ORH mit Gutachten vom 12.02.2016 Stellung genommen und Verbesserungsbedarf insbesondere hinsichtlich der Organisationsstruktur attestiert.

Unter Zugrundelegung der Ausführungen des ORH sieht der Gesetzentwurf eine Teilverlagerung für bestimmte Zuständigkeiten der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung vor. Für die Kontrolle komplexer Betriebe wird durch Änderung des GDVG eine neue Kontrollbehörde, die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, errichtet, die dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zur Aufsicht unterstellt wird. Das StMUV wird ermächtigt, der Kontrollbehörde auch abweichend von landesrechtlich normierten Zuständigkeiten einzelne spezialisierte Zuständigkeiten der Veterinär-, Futter- und Lebensmittelüberwachung sachlich und örtlich zuzuweisen, insbesondere soweit zu erwarten steht, dass die Kontrollbehörde sie auf Grund ihrer Ausstattung oder speziellen personellen Qualifikationen besonders sachkundig erfüllen kann.

Damit hat sich der Gesetzentwurf hinsichtlich der Teilverlagerung für das Modell 4 entschieden. Der ORH hatte diesbezüglich 5 Grundmodelle vorgeschlagen (S. 167 ff. des Gutachtens): Status quo unter Realisierung der im Gutachten aufgezeigten Empfehlungen (Modell 1), Sonderverwaltung (Modell 2), Schwerpunkt-Landratsämter (Modell 3), Teilverlagerung (Modell 4) und Komplettverlagerung (Modell 5).

Für eine modifizierte Variante des Modells 4 spricht laut Gesetzentwurf, dass vor dem Hintergrund zunehmend komplexer Aufgaben im Bereich der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung die Beibehaltung eines – verbesserten – status quo nicht in Betracht komme; das System der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung sei vielmehr dort zu ändern, wo die gegenwärtige Aufgabenverteilung zwischen Kreisverwaltungsbehörden, Regierungen, Landesamt und Staatsministerium im Sinne einer effizienteren Überwachung Verbesserungsbedarf aufweise; soweit sich die bisherigen Strukturen der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung dagegen bewährt hätten, sei die Überwachungszuständigkeit unverändert zu belassen.

Entsprechend werden unter den Gesichtspunkten

  • Komplexität des Betriebs,
  • mikrobiologische Anforderung an das hergestellte Lebensmittel/ Produkt,
  • Überregionalität und
  • Notwendigkeit fachlichen Spezialwissens an der Kontrollbehörde für bestimmte Betriebskategorien

Betriebe definiert, die künftig von der neuen Kontrollbehörde überwacht werden.

Die Überwachung der übrigen Betriebe verbleibt dagegen in der bisherigen Behördenstruktur und erfordere auch mit Blick auf die Erfüllung von Kontrollvorgaben und auf die Forderung nach Optimierung der Kontrollen weiterhin die derzeitige personelle Ausstattung, so der Gesetzentwurf. Auf diese Weise könne insbesondere die notwendige Ortsnähe für die kleineren Betriebe in der Fläche gewährleistet bleiben.

2. Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (AGTierNebG)

Die Unterstützung im Rahmen der sog. Falltierbeihilfe wird an europäische Vorgaben angepasst.

Die „Falltierbeihilfe“ muss der Rahmenregelung der Europäischen Union für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten 2014 bis 2020 (ABl. EU C 204 v. 01.07.2014, S. 1) entsprechen. Aus Randnummer 27 der Rahmenregelung ergibt sich, dass an Unternehmen, die einer Rückforderungsanordnung der EU-Kommission auf Grund einer festgestellten unzulässigen Beihilfe nicht nachgekommen sind, bis zur vollständigen Rückzahlung keine (weitere) Beihilfe gezahlt werden darf. Dies entspricht der sog. Deggendorf-Rechtsprechung (T-244/93 und T-486/93, TWD Textilwerke Deggendorf GmbH/Kommission). Der Ausschlusstatbestand ist auf Grund der EU-rechtlichen Vorgabe ausdrücklich in die Beihilferegelung selbst aufzunehmen.

3. Rechtsgrundlage für das Datenbanksystem „TIZIAN“

Mit der Einfügung eins Art. 30a GDVG wird eine gesetzliche Regelung für das Datenbanksystem TIZIAN geschaffen.

Für die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung sowie die Veterinärverwaltung besteht das Datenverarbeitungssystem TIZIAN am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. In dieses System werden alle Daten der zu überwachenden Betriebe eingestellt. Alle Überwachungsbehörden sollen parallel Zugriff auf diese Daten haben. Angesichts der in den meisten Fällen landkreis-, oft auch regierungsbezirksübergreifenden Tätigkeit der Betriebe sei dies zur Schaffung einer gemeinsamen Wissensbasis der Überwachungsbehörden auch nötig, so der Gesetzentwurf. Bisher wurde TIZIAN auf Grund datenschutzrechtlicher Beschränkungen nur sehr eingeschränkt mittels eines Berechtigungskonzepts genutzt. Nach Art. 27a Abs. 4 BayDSG sind gemeinsame Verfahren, die besondere Risiken für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen beinhalten können, nur zulässig, wenn sie durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingerichtet werden. Unabhängig von der Frage, ob die Nutzung von TIZIAN ein gemeinsames Verfahren darstellt, das besondere Risiken für die Rechte und Freiheiten der Betroffenen beinhalten kann, soll im Interesse der Rechtssicherheit eine Rechtsgrundlage für das Datenbanksystem TIZIAN geschaffen werden, so der Gesetzentwurf weiter.

4. Änderung der ZustV

Die ZustV erhält einen neuen § 49a:

§ 49a Grundwasserverordnung, Oberflächengewässerverordnung
(1) 1Für den Vollzug der Grundwasserverordnung (GrwV) und der Oberflächengewässerverordnung sind die wasserwirtschaftlichen Fachbehörden zuständig. 2Art. 63 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Wassergesetzes bleibt unberührt.
(2) Für die Führung des Bestandsverzeichnisses über die zugelassenen Schadstoffeinträge nach § 13 Abs. 1 Satz 4 GrwV sind abweichend von Abs. 1 die Kreisverwaltungsbehörden zuständig.

Die Regelung entspreche inhaltlich der bisherigen Gewässerzustandszuständigkeitsverordnung, so der Gesetzentwurf; zur Auflösung von Kleinstnormen solle sie ohne inhaltliche Änderung in die inzwischen geschaffene ZustV als Sammelnorm überführt werden. In der Folge soll die Gewässerzustandszuständigkeitsverordnung (BayGewZuZustV) außer Kraft treten.

5. Änderung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes (BayImSchG) 

Eine Ergänzung unter Art. 18 Abs. 2 Nr. 4 BayImSchG schafft die Möglichkeit, Verordnungen der Staatsregierung nach § 47 Abs. 7 BImSchG in einer bußgeldbewehrten Fassung zu erlassen. Verstöße gegen eine solche Verordnung können dann nach den einschlägigen Bußgeldvorschriften verfolgt werden.

6. Änderung des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes (BayAbfG) 

Art. 6 BayAbfG soll aufgehoben werden: 

Art. 6 Verbot der Wegnahme getrennt bereitgestellter Abfälle
Abfälle, die der überlassungspflichtige Besitzer in Erfüllung einer satzungsrechtlichen Verpflichtung oder einer entsprechenden Empfehlung getrennt von den sonstigen Abfällen zum Einsammeln durch die entsorgungspflichtige Körperschaft oder deren Beauftragten bereitgestellt hat, dürfen Dritte nicht an sich nehmen. 

Das Verbot der Wegnahme getrennt bereitgestellter Abfälle nach Art. 6 BayAbfG könne im Interesse des Vorschriftenabbaus ersatzlos gestrichen werden, da sich aus Vorschriften des Bürgerlichen Rechts eine ähnliche Rechtsfolge ergebe, so der Gesetzentwurf.

Weitere Informationen

  • Zum Gesetzentwurf: hier (Vorgangsmappe des Landtags).
  • Verfahrensverlauf, ggfls. Beiträge und amtliche bzw. kommunale Stellungnahmen auf einen Blick: hier.
  • Zur Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

Ass. iur. Klaus Kohnen; Titelfoto/-abbildung: (c) Gerhard Seybert – Fotolia.com