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BMJV: Heiko Maas erinnert an „Furchtlose Juristen“ und fordert Einbeziehung des NS-Unrechts in die Juristenausbildung

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Bundesjustizminister Heiko Maas stellte heute das von ihm herausgegebene Buch „Furchtlose Juristen – Richter und Staatsanwälte gegen das NS-Unrecht“ vor.

Das Buch erinnert an 17 Richter und Staatsanwälte, die in der NS-Zeit in unterschiedlicher Form widerständiges Verhalten gezeigt haben. Darunter sind prominente Widerstandskämpfer wie Hans von Dohnanyi (1902-1945), der als Richter des Reichsgerichts und Mitarbeiter des Reichsjustizministeriums um die Verbrechen der Nazis wusste, sich zum Attentat auf Hitler entschloss und hingerichtet wurde. Erinnert wird auch an Lothar Kreyßig (1898-1986), der als Vormundschaftsrichter in Brandenburg an der Havel gegen die „Euthanasie“-Morde an Behinderten protestierte und in den Ruhestand versetzt wurde.

Es werden aber auch bislang unbekannte Amtsrichter vorgestellt, die etwa den Mut hatten, unter Hinweis auf die Rechtsgleichheit aller Menschen zugunsten von Juden zu urteilen und dafür Angriffe von NSDAP und Vorgesetzten in Kauf nahmen. So etwa Karl Steinmetz (1893-1955), ein Amtsrichter aus dem hessischen Neukirchen, der 1934 einen örtlichen SA-Führer dazu verurteilte, einem jüdischen Metzger Schadensersatz zu zahlen und die Schächtmesser herauszugeben, die er diesem abgepresst hatte. Steinmetz ließ sich auch durch Gewalt und die Androhung von Schutzhaft nicht einschüchtern:

„Schießt mich tot, aber in meinen Urteilen lasse ich mich nicht beeinflussen.“

Er wurde zwangsweise ins Ruhrgebiet versetzt und nur noch als Grundbuchrichter eingesetzt.

Heiko Maas sagte zu seinen Motiven für dieses Buch:

„Wir haben uns in letzter Zeit viel mit den Tätern und Opfern der NS-Unrechtsjustiz beschäftigt. Das war wichtig und notwendig. Es gibt aber auch eine positive Seite der Erinnerung: die Erinnerung an die Wenigen, die dem Unrecht widerstanden haben. Auch sie sollten wir nicht vergessen. Viele Juristen haben nach 1945 behauptet, sie hätten sich gar nicht anders verhalten können. Indem wir an die wenigen widerständigen Juristen erinnern, zeigen wir: Man musste damals nicht ‚mitmachen‘; es gab Handlungsalternativen, aber viel zu wenige hatten den Mut, sie zu nutzen. Hätte es mehr furchtlose Juristen gegeben, die deutsche Justiz hätte weniger Schuld auf sich geladen.“

Die Buchvorstellung erfolgte im historischen Plenarsaal des Berliner Kammergerichts – dem Ort, an dem nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20.07.1944 der „Volksgerichtshof“ unter dem Vorsitz von Roland Freisler seine Schauprozesse gegen die Attentäter inszeniert hatte.

„Am Ort der größten Schande der deutschen Justiz erinnern wir an die wenigen aufrechten Juristen jener Zeit“, sagte Maas.

Das Buch wurde von der Präsidentin des BGH, Bettina Limperg, und dem neuen Direktor des Deutschen Historischen Museums, Prof. Dr. Raphael Gross, präsentiert.

Die Autoren der einzelnen Lebensbilder sind Historiker und Juristen, eine wissenschaftliche Einführung hat Prof. Dr. Johannes Tuchel, der Direktor der Gedenkstätte „Deutscher Widerstand“ in Berlin verfasst. Zu den Autoren zählt auch Ingo Müller, der 1987 den Bestseller „Furchtbare Juristen – Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz“ geschrieben hatte. Dazu erklärte Heiko Maas:

„Die Ähnlichkeit der Titel beider Bücher ist kein Zufall; als Student hat mich Müllers Werk sehr beeindruckt. Das neue Buch soll eine Ergänzung zu dem Band sein, mit dem Ingo Müller damals Pionierarbeit geleistet hat.“

Maas sprach sich in diesem Zusammenhang auch für eine Reform der Juristenausbildung aus:

„Als ich studierte, ging es im Fach Rechtsgeschichte oft mehr um Römisches Recht als um das 20. Jahrhundert. Alle angehenden Juristinnen und Juristen sollten aber um das Unrecht wissen, an dem die deutsche Justiz einst beteiligt gewesen ist. Und sie sollten auch um die wenigen Juristen wissen, die sich dem Unrecht damals entgegengestellt haben. Aus diesem Grund arbeiten wir an einem Vorschlag, das Deutsche Richtergesetz zu ergänzen: Das Justizunrecht im Nationalsozialismus und die Folgerungen daraus für das Juristenethos von heute sollen ein fester Bestandteil der Juristenausbildung werden.“

BMJV, Pressemitteilung v. 04.07.2017