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EuGH (GA): Verbot und strafrechtliche Ahndung rechtswidriger Beförderungstätigkeiten im Rahmen des Dienstes UberPop ohne Notifizierung möglich

Das französische Unternehmen Uber France betreibt eine elektronische Plattform, über die durch den Einsatz eines mit der entsprechenden Applikation versehenen Smartphones in den Städten, in denen Uber präsent ist, eine Dienstleistung des Personennahverkehrs bestellt werden kann. Im Rahmen des Dienstes UberPop befördern Privatleute, die keine Berufskraftfahrer sind, in ihren eigenen Autos die Fahrgäste.

Uber France wird strafrechtlich verfolgt, weil sie über den Dienst UberPop ein System der Zusammenführung von Kunden mit Fahrern organisiert hat, die keine Berufskraftfahrer sind und Personen in Fahrzeugen mit weniger als zehn Sitzplätzen entgeltlich befördern. Uber France trägt vor, dass die französische Regelung, auf deren Grundlage sie verfolgt werde, eine technische Vorschrift darstelle, die unmittelbar einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie über Normen und technische Vorschriften[1] betreffe. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, der Kommission jeden Entwurf eines Gesetzes oder einer Regelung mitzuteilen, wenn damit technische Vorschriften für Erzeugnisse und Dienstleistungen der Informationsgesellschaft eingeführt werden. Die französischen Behörden haben der Kommission den Gesetzentwurf jedoch nicht vor seiner Verabschiedung mitgeteilt. Uber France leitet daraus ab, dass sie deshalb nicht für die ihr zur Last gelegte Tat belangt werden könne.

Das mit der Rechtssache befasste Tribunal de grande instance de Lille (Regionalgericht Lille, Frankreich) fragt den Gerichtshof, ob die französischen Behörden verpflichtet waren, der Kommission den Gesetzentwurf vorab mitzuteilen.

In seinen heutigen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Maciej Szpunar die Auffassung, dass unabhängig von der Frage, ob der Dienst UberPop unter die Richtlinie falle oder nicht, die Mitgliedstaaten die rechtswidrige Ausübung einer Beförderungstätigkeit wie der von UberPop verbieten und ahnden könnten, ohne der Kommission den Gesetzentwurf zuvor mitteilen zu müssen.

Im Einzelnen weist der Generalanwalt darauf hin, dass gemäß seinen Schlussanträgen vom 11. Mai 2017 in der Rechtssache Uber Spanien[2] der Dienst UberPop zum Verkehrssektor gehöre und somit keinen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie darstelle. In diesem Fall wäre die Richtlinie nicht anwendbar und eine Mitteilung des Gesetzentwurfs an die Kommission nicht erforderlich.

Für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass der Dienst UberPop einen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie darstellt, kommt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass keine „technische Vorschrift“ im Sinne der Richtlinie vorliege, wenn die Tätigkeit eines Vermittlers wie Uber bei der rechtswidrigen Ausübung der Beförderungstätigkeit verboten und geahndet werde, so dass eine Mitteilung des Gesetzentwurfs an die Kommission auch dann nicht erforderlich wäre.

Der Generalanwalt weist hierzu darauf hin, dass die Mitteilungspflicht u.a. nur für technische Vorschriften gelte, die ausdrücklich und gezielt den Zugang zu den Aktivitäten der Dienste der Informationsgesellschaft und deren Betreibung regelten; Vorschriften, die sich lediglich indirekt oder im Sinne eines Nebeneffekts auf diese Dienste auswirkten, unterlägen hingegen nicht der Mitteilungspflicht. Die im vorliegenden Fall in Rede stehende französische Regelung betreffe die Dienste der Informationsgesellschaft nur im Sinne eines Nebeneffekts: Auch wenn sie hauptsächlich einen Dienst der Informationsgesellschaft berühre (und zwar ein System der Zusammenführung auf elektronischem Weg), ziele sie nämlich nicht spezifisch auf diesen Dienst ab (was der Fall wäre, wenn sie die Tätigkeit des Zusammenführens von Kunden mit Beförderungsdienstleistern allgemein verbieten oder auf andere Art und Weise regeln würde), sondern nur darauf, die Effektivität der Vorschriften über Verkehrsdienste (die nicht von der Richtlinie erfasst würden) sicherzustellen.

Dass das Geschäftsmodell von UberPop mit den französischen Vorschriften über die Personenbeförderung unvereinbar sei (weil die Fahrer, die keine Berufskraftfahrer seien, nicht über die nach französischem Recht für die Ausübung der Beförderungstätigkeit erforderlichen Genehmigungen verfügten), bedeute nicht, dass die in Rede stehende Regelung eine technische Vorschrift darstelle, die die Vermittlungstätigkeiten im Verkehrssektor allgemein regele.

Wenn jede nationale Bestimmung, mit der die Vermittlung rechtswidriger Tätigkeiten verboten oder geahndet werde, schon deshalb als technische Vorschrift anzusehen wäre, weil diese Vermittlung höchstwahrscheinlich elektronisch erfolge, müsste eine Vielzahl innerstaatlicher Vorschriften der Mitgliedstaaten mitgeteilt werden. Dies würde zu einer unangemessenen Erweiterung der Mitteilungspflicht führen, ohne tatsächlich zur Verwirklichung der Ziele dieses Verfahrens beizutragen, das verhindern solle, dass die Mitgliedstaaten mit dem Binnenmarkt unvereinbare Maßnahmen erließen, und eine bessere Nutzung der Vorteile des Binnenmarkts durch die Wirtschaftsteilnehmer ermöglichen solle.

EuGH, Pressemitteilung v. 04.07.2017 zu den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rs. C-320/16 (Uber France SAS)

Red. Hinweis: Vgl. auch BGH, Fragen zur Zulässigkeit der Mietwagen-App „UBER Black“ – Vorlage an EuGH


[1] Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung.

[2] Schlussanträge in der Rechtssache C-434/15, Asociación Profesional Elite Taxi / Uber Systems Spain (vgl. Pressemitteilung Nr. 50/17).