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EU-Kommission: Mitgliedstaaten setzen EU-Recht nicht ausreichend um – Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Unionsrechts

Die Mitgliedstaaten der EU halten sich nicht ausreichend an europäisches Recht. Im Jahr 2016 lag die Zahl der anhängigen Vertragsverletzungsverfahren um rd. 20% höher als im Vorjahr und erreichte damit einen Fünfjahresspitzenwert. Das geht aus dem heute (Donnerstag) vorgestellten Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Unionsrechts im Jahr 2016 hervor. Die meisten Vertragsverletzungsverfahren liefen gegen Deutschland und Spanien (beide 91), Belgien (87) und Griechenland (86). Aus dem ebenfalls heute veröffentlichten Online-Binnenmarktanzeiger geht hervor, dass zwar die meisten Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital abgebaut wurden, dass sich die Situation jedoch in einigen Bereichen verschlechtert hat.

Der Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Unionsrechts im Jahr 2016  gibt Anlass zur Sorge, da die nicht ordnungsgemäße Anwendung von EU-Recht Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen daran hindert, aus europäischem Recht erwachsende Ansprüche geltend zu machen und Vorteile zu nutzen. So ist z.B. die vollständige Umsetzung und Durchführung der EU-Bestimmungen für öffentliche Aufträge und Konzessionen unerlässlich, damit sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einfacher und kostengünstiger an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen können.

Daher geht die Kommission entschlossen gegen EU-Rechtsverstöße vor, durch die die Verwirklichung der zentralen Ziele der EU-Politik behindert wird. Die Kommission hat zum Beispiel ganz gezielt das Versagen der Mitgliedstaaten ins Visier genommen, Sanktionsregelungen festzulegen oder anzuwenden, die Kraftfahrzeughersteller davon abhalten, EU-Emissionsvorschriften zu verletzen.

Zypern und Belgien wiesen die höchste Zahl an anhängigen Fällen wegen verspäteter Umsetzung auf, Italien, die Slowakei und Dänemark die geringste. Deutschland und Spanien führten bei anhängigen Fällen wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung und/oder Durchführung von EU-Recht, wohingegen Estland voriges Jahr die geringste Zahl auswies.

Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU sowie Umweltschutz waren auch 2016 die Politikbereiche, in denen die meisten Vertragsverletzungsverfahren eröffnet wurden.

2016 war die Zahl neuer Vertragsverletzungsverfahren auf Grund verspäteter Umsetzung fast doppelt so hoch (847  Fälle) wie im Jahr davor (543 Fälle). Gegen die Mehrheit der Mitgliedstaaten hat die Kommission neue Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Richtlinien über die Konzessionsvergabe und die öffentliche Auftragsvergabe (Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU), zu Tabakerzeugnissen (Richtlinien 2014/40/EU und 2014/109/EU) und zum Führerschein (Directive 2014/85/EU) eingeleitet.

Um die rechtzeitige Umsetzung zu erleichtern, unterstützte die Kommission die Mitgliedstaaten mit Durchführungsplänen, speziellen Websites und Leitfäden sowie durch den Austausch bewährter Verfahren bei Sitzungen von Expertengruppen.

Binnenmarktanzeiger 2017

Der Online-Binnenmarktanzeiger liefert ein genaues Bild des Umsetzungsstandes der EU-Binnenmarktvorschriften: Er umfasst eine Evaluierung der Anwendung dieser Vorschriften durch die EU-Mitgliedstaaten und zeigt Mängel in Bereichen auf, in denen die EU-Mitgliedstaaten ihre Bemühungen verstärken sollten.

Je nachdem welche Leistungsdaten die Mitgliedstaaten im Jahr 2016 bei einer Reihe von Steuerungsinstrumenten und Politikbereichen erzielten, erhielten sie grüne (überdurchschnittliche Leistungsdaten), gelbe (durchschnittliche Leistungsdaten) oder rote Karten (unterdurchschnittliche Leistungsdaten).

Unter Berücksichtigung aller bewerteten Bereiche schneiden Österreich, Dänemark, Estland, Litauen, Malta und die Slowakei am besten ab.

Bürgerbeschwerden

Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, NGO und andere Interessenträger können vermutete Verstöße gegen EU-Recht direkt melden, und zwar mit einem Online-Beschwerdeformular, das auf dem Europa-Server auf der Seite Ihre Rechte und Möglichkeiten zur Verfügung steht. 2016 betrafen die Beschwerden mehrheitlich Sachverhalte aus den Bereichen Justiz und Konsumentenrechte, Beschäftigung, EU-Binnenmarkt, Industrie und KMU. Im Rahmen einer Beschwerde kann SOLVIT Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen helfen, ihre Probleme mit einer Behörde in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu lösen.

Weitere Informationen

a) Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts im Jahr 2016:

b) Binnenmarktanzeiger (Ausgabe 2017):

EU-Kommission, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 06.07.2017