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BayVGH: Vertriebsverbot für Tabakerzeugnisse – Vorlage zum EuGH

Mit Beschluss vom 11.07.2017 hat der 20. Senat des BayVGH zwei Berufungsverfahren, in denen es um die Rechtmäßigkeit von Vertriebsverboten für die Tabakerzeugnisse „Thunder Chewing Tobacco“ und „Thunder Frosted Chewing Bags“ eines dänischen Tabakunternehmens geht, ausgesetzt und verschiedene Fragen zur Auslegung der einschlägigen europäischen Richtlinie (RL 2014/40/EU) dem EuGH in Luxemburg vorgelegt.

Maßgeblich für den Ausgang der Berufungsverfahren ist die Frage, ob diese Produkte unter das im deutschen Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) geregelte Vertriebsverbot für Tabakerzeugnisse „zum oralen Gebrauch“ fallen, was nach den Vorgaben der europäischen Richtlinie nicht der Fall wäre, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die „zum (…) Kauen bestimmt“ sind.

Nach Auffassung des Senats geben die für den Rechtsstreit entscheidungserheblichen Normen der europäischen Richtlinie nicht klar zu erkennen, was unter einem Tabakerzeugnis, das „zum Kauen bestimmt“ ist, zu verstehen ist, sodass dies zur Klärung dem EuGH vorzulegen war.

Der BayVGH möchte vom EuGH geklärt wissen, ob unter „zum Kauen bestimmt“ nur klassischer Kautabak fällt. Soweit dies verneint wird, fragt er weiter an, inwiefern ein Tabakerzeugnis zum Kauen geeignet sein muss und ob sich hierfür mehr von den Inhaltsstoffen des Produktes lösen muss als bei bloßem Im-Mund-Halten. Hinsichtlich des Tabakerzeugnisses „Thunder Frosted Chewing Bags“ hat der BayVGH außerdem die Frage vorgelegt, ob der Zellulosebeutel, in dem der Tabak enthalten ist, bei der Frage nach der Bestimmung zum Kauen berücksichtigt werden darf oder nicht.

BayVGH, Pressemitteilung v. 19.07.2017 zum Beschl. v. 11.07.2017 – 20 BV 15.2010, 20 BV 15.2073

Redaktioneller Hinweis

Die vom BayVGH formulierten Vorlagefragen lauten:

  1. Ist Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahingehend auszulegen, dass unter „Erzeugnissen, die zum Kauen bestimmt sind“, allein Kautabakerzeugnisse im klassischen Sinn zu verstehen sind?
  2. Ist Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahingehend auszulegen, dass „Erzeugnisse, die zum Kauen bestimmt sind“, gleichbedeutend mit „Kautabak“ i.S.v. Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie sind?
  3. Ist für die Frage, ob ein Tabakerzeugnis i.S.v. Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2014/40/EU „zum Kauen bestimmt“ ist, auf eine auf das Produkt bezogene objektive Betrachtungsweise und nicht auf die Angaben des Herstellers oder die tatsächliche Verwendung durch Konsumenten abzustellen?
  4. Ist Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahingehend auszulegen, dass die Bestimmung zum Kauen erfordert, dass das Tabakerzeugnis von seiner Konsistenz und Festigkeit her objektiv geeignet ist, gekaut zu werden und dass das Kauen des Tabakerzeugnisses dazu führt, dass sich die im Erzeugnis enthaltenen Inhaltsstoffe lösen?
  5. Ist Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2014/40/EU dahingehend auszulegen, dass es für die Bestimmung eines Tabakerzeugnisses „zum Kauen“ als zusätzliche Bedingung erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn durch eine leichte, wiederkehrende Druckausübung mit den Zähnen oder der Zunge auf das Tabakerzeugnis mehr von den Inhaltsstoffen des Erzeugnisses gelöst werden, als wenn es nur im Mund gehalten wird?
  6. Oder ist es für eine „Bestimmung zum Kauen“ notwendig, dass ein bloßes im Mund halten oder Lutschen zu keiner Herauslösung von Inhaltsstoffen führt?
  7. Kann die Eignung eines Tabakerzeugnisses „zum Kauen“ i.S.v. Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2014/40/EU auch durch die außerhalb des verarbeiteten Tabaks vermittelte Darreichungsform wie z.B. einen Zellulosebeutel vermittelt werden?