Gesetzgebung

StMI: Mehr polizeiliche Befugnisse zur Abwehr von Sicherheitsgefahren – Bayern Vorreiter beim Polizeiaufgabengesetz (PAG)

Der Bayerische Landtag hat heute den Gesetzentwurf von Bayerns Innminister Joachim Herrmann beschlossen, mit dem der Polizei im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz mehr Befugnisse zur Abwehr von Sicherheitsgefahren gegeben werden.

„Damit ist Bayern wieder einmal bundesweit Vorreiter, die Bürgerinnen und Bürger noch wirksamer vor Sicherheitsgefahren zu schützen“, brachte es Herrmann im Rahmen der zweiten Lesung vor den Abgeordneten auf den Punkt.

„Die Bayerische Polizei ist damit nicht nur personell und bei der Ausstattung spitzenmäßig, sondern auch beim rechtlichen Handwerkszeug.“

Anzeige

Besonders wichtig ist dem bayerischen Innenminister, die Bürger noch besser vor hochgefährlichen Menschen zu schützen, seien es beispielsweise Islamisten, Linksextreme oder Rechtsextreme.  Die Notwendigkeit habe beispielsweise auch der G20-Gipfel in Hamburg gezeigt. Dabei setzt Herrmann im Kern auf vier Änderungen im Polizeiaufgabengesetz, um die Sicherheit und Ordnung in Bayern weiter zu stärken und das Sicherheitsgefühl der Menschen zu erhöhen.

Als erste wichtige Änderung griff Herrmann heraus, dass Gefährder bei konkreten Gefahren künftig im Einzelfall länger als bislang maximal zwei Wochen in polizeilichen Gewahrsam genommen werden können.

„Wie lange eine Gefahr konkret gegeben ist, hängt immer vom jeweiligen Einzelfall ab“, so Herrmann.

„Damit können wir den Betreffenden solange präventiv festhalten, bis keine konkrete erhebliche Gefahr mehr von ihm ausgeht.“

Die Anordnung des länger andauernden Gewahrsams und die Entscheidung über seine Fortdauer, die nach spätestens drei Monaten erneut zu treffen ist, erfolge stets durch einen Richter.

Wie der Innenminister weiter erläuterte, wird zweitens auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung, die sog. ‚elektronische Fußfessel‘, für gefährliche Personen eingeführt.

„Mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung gewinnen wir neben der personalaufwändigen Observation und dem eingriffsintensiven Gewahrsam eine weitere effektive Polizeimaßnahme“, argumentierte Herrmann.

„Auch wenn es bei der elektronischen Fußfessel natürlich keine hundertprozentige Sicherheit vor schweren Straftaten gibt: Sie hilft der Polizei ganz erheblich, den Bewegungsspielraum von Gefährdern einzuschränken, schneller deren Aufenthalt zu bestimmen und sie damit effektiver zu überwachen.“

Anzeige

Drittens setzt Herrmann auf eine klare Rechtsgrundlage im Polizeiaufgabengesetz, um in bestimmten Fällen zur Gefahrenabwehr an die verschlüsselte Kommunikation im Internet wie über ‚WhatsApp‘ oder ‚Skype‘ heranzukommen, Stichwort ‚Quellen-Telekommunikationsüberwachung‘.

„Bislang kann die Polizei zwar ein Telefongespräch oder den SMS-Verkehr überwachen, aber nicht, wenn jemand mit dem gleichen Telefon und dem gleichen Telefonnetz mittels einer App telefoniert oder Kurznachrichten schreibt“, betonte der Minister.

Der Einsatz der neuen Polizeibefugnis ist laut Herrmann an hohe Voraussetzungen gebunden: Als Mittel der Telekommunikationsüberwachung kommt sie nur bei dringenden Gefahren für besonders hochrangige Rechtsgüter und nur dann in Betracht, wenn ein anderweitiger Zugriff auf die Kommunikationsinhalte nicht möglich ist. Sie bedarf zudem grundsätzlich der richterlichen Anordnung.

„Viertens geht uns darum, dass die Bayerische Polizei bereits bei drohenden Gefahren für bedeutende Rechtsgüter eingreifen kann“, erläuterte der Minister.

Mit dieser neuen Gefahrenkategorie werde für die Polizei der rechtliche Rahmen geschaffen, um in bestimmten Fällen bereits im Vorfeld wirksam reagieren und schon Vorbereitungshandlungen effektiver abwenden zu können.

Herrmann: „Wenn sich beispielsweise bestätigt, dass gewaltbereite Extremisten bereits lange im Vorfeld einer Großveranstaltung Vorbereitungen für ihre Straftaten getroffen haben, dürfen wir nicht tatenlos zuschauen, bis tatsächlich etwas passiert. Dann müssen der Polizei auch Maßnahmen zur Gefahrenerforschung und erforderlichenfalls auch zur Gefahrenabwehr gestattet sein.“

Gerade bei Gefährdern, die zum Beispiel in ihren Wohnungen Straftaten vorbereiten, war bislang der für ein polizeiliches Handeln erforderliche Nachweis einer konkreten Gefahr schwierig.

StMI, Pressemitteilung v. 19.07.2017

Redaktionelle Hinweise

Bei dem Gesetz handelt es sich um das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen.

Stichworte zum Gesetzentwurf: Änderungen des PAG, BayDSG, LStVG; Einführung der sog. drohenden Gefahr als zusätzliche Gefahrbegriffskategorie; hieran anknüpfend Ausweitung von Generalklausel und Standardbefugnissen; Einfügung einer zusätzlichen Tatbestandsvariante zur rechtsgüterbezogenen Gefahrenabwehr bei der Erkennungsdienstlichen Behandlung; Schaffung einer speziellen Befugnis zu orts- und gebietsbezogenen Aufenthaltsge- und verboten sowie Kontaktverboten, zu deren Überwachung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ggf. auch die EAÜ angeordnet werden kann; Ergänzung des Gewahrsams um die Einfügung einer zusätzlichen Alternative der Abwehr einer Gefahr für bestimmte hochrangige Rechtsgüter sowie um den weiteren möglichen Gewahrsamsgrund des Nichtbefolgens einer angeordneten EAÜ-Maßnahme; Ausdrückliche Regelung von bestimmten Überwachungsmaßnahmen, insbesondere auch einer optischen und technischen Überwachung, bei Personen im polizeilichen Präventivgewahrsam durch Bezugnahme auf die Bestimmungen im BayStVollzG; Aufhebung der bisherigen gesetzlich absoluten Befristung der ohnehin richterlicher Entscheidung unterliegenden (Höchst)Dauer des Präventivgewahrsams von 14 Tagen; zugleich Schaffung einer flankierenden Verfahrensregelung, auf Grund derer eine hinreichende gerichtliche Überprüfung der Gewahrsamsvoraussetzungen gewährleistet ist; Erstreckung der bestehenden Befugnisse zur Durchsuchung von Personen auf Situationen drohender Gefahr; Wiedereinführung einer zweimonatigen Höchstspeicherfrist bei offenen Bild- und Tonaufzeichnungen nach Art. 32 PAG sowie Art. 21a BayDSG (bisher drei Wochen); Einfügung der neuen spezialgesetzlichen Befugnis zu einer (grds. richterlichen) Anordnung einer offenen EAÜ und der damit einhergehenden polizeilichen Datenerhebung sowie weiteren Verarbeitung in einem neu zu schaffenden Art. 32a PAG; Schaffung einer klaren gesetzlichen Regelung für präventivpolizeiliche Maßnahmen der Quellen-TKÜ (Überwachung des Inhalts von verschlüsselter Kommunikation, indem diese vor der Verschlüsselung beim Versender oder nach der Entschlüsselung beim Empfänger ausgeleitet wird); punktuelle Anpassung der Regelungen über die Verkehrsdatenerhebung an die aktuelle Fassung des TKG.

Sonstiges
  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.