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BMVI: Nationales Forum Diesel – Erklärung

Erklärung des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, MdB, der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, MdB, des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, MdB, der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, MdB, der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, sowie der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, des Saarlandes sowie des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und des Ersten Bürgermeisters von Hamburg anlässlich des Gesprächs im Rahmen des „Nationalen Forum Diesel“ mit Vertretern der Automobilindustrie am 02.08.2017:

Zu hohe Schadstoffwerte beeinträchtigen die Luftqualität in vielen deutschen Städten. Besonders die Stickstoffoxid-Emissionen (NOx) erfordern umfassende Anstrengungen für mehr Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger. Obwohl die NOx-Emissionen  von 1990 bis 2015 um knapp 60% gesenkt werden konnten, liegt die NOx-Belastung in 28 deutschen Städten und Ballungsräumen immer noch und teilweise erheblich über den von der EU vorgeschriebenen Grenzwerten. Insbesondere Dieselfahrzeuge gelten als NOx-Hauptemittenten. Gefordert sind daher zu allererst die Automobilunternehmen.

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Gerade auch die jüngsten Urteile von Verwaltungsgerichten zu Luftreinhaltungsplänen zeigen: Es muss entschieden gehandelt werden. Wir werden die von hohen NOx-Emissionen betroffenen Kommunen und ihre Bürgerinnen und Bürger nicht alleine lassen.

Aktuell drängendste Aufgabe ist deshalb die Minderung der NOx-Belastung durch Dieselfahrzeuge sowie die weitere Optimierung der Dieseltechnologie – zum Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger, im Interesse der Lebensqualität und Funktionalität unserer Städte sowie zur Sicherung der Mobilitätsbedürfnisse von Bürgern und Wirtschaft.

Gefordert ist eine neue Verantwortungskultur der Automobilindustrie

Das Image und das Vertrauen in die Automobilindustrie als Schlüsselindustrie unseres Landes sind in erheblichem Umfang beschädigt:

  • durch unzulässige Manipulationen an Dieselantrieben und eine extensive Inanspruchnahme rechtlicher Ausnahmen bei EU-Vorgaben zum Abgasverhalten der Fahrzeuge;
  • eine neue Dimension erhält die Entwicklung durch den aktuellen Verdacht illegaler Kartellabsprachen. Es ist jetzt Aufgabe der Kartellbehörden, die Vorwürfe detailliert zu untersuchen und gegebenenfalls die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.

Bei dem heutigen Gespräch haben Bund und Länder deutlich gemacht, dass sie von den Automobilunternehmen ein rasches, umfassendes und belastbar wirksames Sofortprogramm zur Minderung der NOx-Belastung von im Verkehr befindlichen Dieselfahrzeugen sowie erhebliche technologische Anstrengungen zur Verbesserung der Dieseltechnologie erwarten. Dazu gehört auch die weitere Optimierung des Dieselantriebs. Erforderlich ist ein starker Beitrag, um die akut betroffenen Kommunen darin zu unterstützen, im Rahmen ihrer Luftreinhaltepläne pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu vermeiden.

Mit Blick auf die Vorwürfe wettbewerbsrechtswidriger Absprachen erwartet die Bundes-regierung von den Betroffenen umfassende Kooperation mit den Kartellbehörden bei voller Transparenz sowie Aufklärung gegenüber der Öffentlichkeit, den Verbrauchern sowie gegenüber den Belegschaften.

Zu entwickeln ist zudem ein breites Verständnis und eine klare Zukunftsstrategie dafür, wie das Mobilitätsgeschehen der Zukunft und der Transformationsprozess der gesamten Automobilwirtschaft hin zur emissionsfreien und digital vernetzten Mobilität aktiv zu gestalten ist. Die Industrie ist gefordert, jetzt auf dieser Basis eine überzeugende Palette alternativer Antriebe und Mobilitätslösungen zur Marktreife zu bringen.

Auf dem Weg zu emissionsfreien Fahrzeugen dürfen die in der Verbrennungstechnologie noch bestehenden Optimierungsmöglichkeiten und Effizienzpotenziale nicht außer Acht gelassen werden. In diesem Sinne kann auch eine moderne und saubere Dieseltechnologie einen Beitrag für den Klimaschutz leisten. Verbrennungsmotoren werden auf absehbare Zeit für individuelle Mobilität und den Güterverkehr erforderlich sein. Kfz-Eigentümer haben darüber hinaus Anspruch auf Vertrauensschutz. Wir werden auch prüfen, welchen Beitrag synthetische Kraftstoffe zur Minderung von Schadstoffen und Treibhausgasen leisten können. Wir verfolgen einen technologieoffenen Ansatz.

Automobilindustrie in der Verantwortung: Nachrüstung als Sofortmaßnahme zur Reduzierung der NOx-Emissionen

Wir erwarten von den Automobilunternehmen eine Optimierung von 5,3 Mio. der aktuell in Deutschland zugelassenen Diesel-Pkw in den Schadstoffklassen Euro 5 und 6. Damit soll eine Reduktion der NOx-Emissionen dieser Fahrzeuge um 30% bis zum Jahresende 2018 erreicht werden.

Für die neuen Nachrüstungsmaßnahmen gelten verbindliche Regeln:

  • Die Kosten für die Nachrüstungen tragen die Hersteller.
  • Für die Freigabe ist auch der Nachweis zu erbringen, dass alle anderen typengenehmigungsrelevanten Parameter wie der Schadstoff- und CO2-Ausstoß, der Kraftstoffverbrauch, Geräusche und die Motorleistung nicht negativ verändert werden. Die Hersteller sichern dies zu.
  • Für alle Nachrüstungen gilt zudem: Die Hersteller müssen gegenüber dem Kunden die Gewährleistung auf die Bauteile übernehmen, die durch die Maßnahme beansprucht werden. Für alle in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen wird für die Verbraucher ein Verbraucherbeirat beim Kraftfahrt-Bundesamt eingerichtet.

Wir erwarten zudem, dass die Hersteller mit eigenfinanzierten wettbewerblichen Maßnahmen (z.B. „Umstiegsprämien“) Anreize für den Wechsel von Dieselfahrzeugen älterer Standards als Euro 5 auf Fahrzeuge mit modernster Abgasnachbehandlungoder E-Fahrzeuge schaffen. Derartige Impulse sind ein weiterer wichtiger Beitrag zur NOx-Reduktion.

Für EU-6-Fahrzeuge müssen die Hersteller zusätzlich ausdrücklich erklären, dass bei den neu zugelassenen Fahrzeugen in allen Fahrsituationen auf der Straße eine technisch optimale Funktion des SCR-Katalysators gewährleistet ist. Das betrifft insbesondere bei der Verwendung von Harnstoff für die Abgasreinigung die Erreichung des dabei erzielten höchsten Wirkungsgrades.

Auch die internationalen Wettbewerber der deutschen Automobilunternehmen sind aufgefordert, mit vergleichbaren Maßnahmen ihren Beitrag zur Schadstoffminderung und damit für Gesundheits- und Klimaschutz zu leisten.

Die vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Auftrag des BMVI gegenüber dem VW-Konzern angeordnete verbindliche Umrüstung von 2,46 Millionen Diesel-Pkw verbessert die Emissionswerte und wird noch in 2017 abgeschlossen.

Stärkung der staatlichen Kontrolle

Der Bund stärkt insgesamt seine Abgaskontrollen.

  • Das KBA wird Abgasemissionen auch bei zugelassenen Fahrzeugen selbst stichprobenartig untersuchen. Das KBA wird dazu regelmäßig Fahrzeuge aus dem Markt entnehmen und auf Vorschriftsmäßigkeit kontrollieren. Das KBA wird dabei seine Stichprobenkontrollen auch bei Fahrzeugen durchführen, für die andere Behörden die Typengenehmigung erteilt haben. Diese Maßnahmen sind bereits im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Berichts der Untersuchungskommission „Volkswagen“ des BMVI eingeleitet worden.
  • Die Wirksamkeit der Nachrüstung bzw. der Upgrades wird – wie bei den bisherigen Rückrufaktionen und freiwilligen Servicemaßnahmen – durch das KBA oder alternativ durch die zuständige Typgenehmigungsbehörde eines anderen EU-Mitgliedsstaates im Rahmen einer Freigabe überprüft werden. Zur Überprüfung der NOx-Reduzierung werden auch Straßenmessungen durchgeführt. Die Bundesregierung wird über die Ergebnisse berichten.

Weitere Schritte erforderlich

Die technischen Nachrüstungen sind ein erster wichtiger Schritt zur Senkung des NOx-Ausstoßes der Dieselfahrzeuge in unseren Städten. Weitere Schritte müssen folgen. Geboten und gefordert ist deshalb die Entwicklung und Vorlage technisch leistbarer sowie wirtschaftlich vertretbarer Konzepte der Automobilhersteller für eine weitergehende Umrüstung – bespw. durch Einbau zusätzlicher Abgasreinigungssysteme.

Die Automobilindustrie ist zudem gefordert, die europäischen Vorschriften zur Einführung von RDE, also die neuen Anforderungen über Realemissionen, deutlich früher anzuwenden. Hierzu sollen die deutschen Hersteller bis Oktober 2017 ein Konzept vorlegen.

„Fonds: Nachhaltige Mobilität für die Stadt“

Zur Unterstützung der Kommunen bei der längerfristigen Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität wird die Bundesregierung einen durch die Automobilindustrie mitzufinanzierenden und insgesamt mit € 500 Mio. dotierten „Fonds: Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ auflegen. Das Ziel lautet, für jede der 28 von der EU-Kommission benannten, von besonders hohen NO2-Belastungen betroffenen Regionen einen individuellen Masterplan („green-city-Plan“) zu entwickeln und umzusetzen, mit Digitalisierung, Intelligenten Verkehrssystemen, intermodalen Mobilitätslösungen sowie mit zunehmender Automatisierung und Vernetzung im Individual- und Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV).

Förderprogramme zur verbesserten Luftreinhaltung und für nachhaltige Mobilität

Gezielte Förderprogramme setzen wichtige Impulse zur Reduzierung von Schadstoffemissionen – gerade auch für unsere Städte. Die Bundesregierung wird daher die Förderkulissen für emissionsmindernde Maßnahmen im städtischen Verkehr erweitern und ausbauen. Förderschwerpunkte neben der bestehenden Förderung der Elektromobilität (FuE-Förderung, Umweltbonus, Ladeinfrastrukturprogramm etc.) sind dabei:

  • E-Busse: Der Fördersatz zur Anschaffung von Elektrobussen im ÖPNV wird auf 80% angehoben und das Gesamtfördervolumen auf € 100 Mio. jährlich erhöht. Die Förderung von Hybrid-Oberleitungsbussen sowie von Erdgasbussen (CNG) wird fortgeführt und intensiviert.
  • Anschaffungsförderung für emissionsarme städtische Nutzfahrzeuge: Nutzfahrzeuge kommunaler Unternehmen (z.B. Stadtreinigung) erbringen mit die höchsten innerstädtischen Fahrleistungen. Auch für dieses Segment sind vermehrt elektrifizierte Lösungen zu entwickeln und einzusetzen. Diese Aktivitäten werden stärker unterstützt.
  • Anschaffung von E-Fahrzeugen: Die Förderung von 40% der Investitionsmehrkosten für Taxen und Fahrzeuge eines kommunalen Fahrzeugparks wird aufgestockt. Zudem werden die Kommunen durch Änderungen im Personenbeförderungsrecht dazu in die Lage versetzt, an den innerstädtischen Betrieb von Taxen höhere Emissions-anforderungen als bisher stellen zu können.
  • Ausbau der öffentlichen und privaten Ladeinfrastruktur: Der Bund fördert bereits den Aufbau von öffentlich zugänglichen Ladestationen mit € 300 Mio. Erklärtes Ziel für die nächste Wahlperiode ist ein flächendeckendes Netz von 50.000 Ladestationen. Im Wohnungseigentumsrecht schaffen wir Erleichterungen für den Ausbau privater Ladepunkte.
  • Deutschlandweites Digital-Ticket / E-Ticketing: Gemeinsam mit den Öffentlichen Verkehrsanbietern und den Ländern arbeitet die Bundesregierung u.a. am Roll-Out für das deutschlandweit einheitliche Digital-Ticket. Die Bundesregierung wird in das eTicketing und die digitale Vernetzung im ÖPV gezielt weiter investieren.
  • Schienenverkehr:  Die Bundesregierung wird die bestehende Förderung von im Vergleich zu reinen Dieselantrieben deutlich emissionsärmeren Hybrid-Zügen bzw. Zügen mit Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie ausweiten.
  • Förderung des Radverkehrs. Der Radverkehr leistet bereits heute einen signifikanten Beitrag für emissionsfreie städtische Mobilität. Wir unterstützen den Bau von Rad-schnellwegen und stocken die Mittel für die Radverkehrsförderung auf insgesamt jährlich € 200 Mio. auf. Die Förderung erstrecken wir auf urbane Modellvorhaben – z.B. zur Verknüpfung des Radverkehrs mit anderen Verkehrsmitteln sowie zur Einbeziehung des Radverkehrs in eine intelligente Verkehrslenkung.
  • Landstromversorgung in See- und Binnenhäfen: Die Verringerung der Schadstoffemissionen von Schiffen während der Liegezeiten ist ein wichtiger Beitrag zur Luftreinhaltung in den Hafenstädten. Die Bundesregierung wird weitere Pilotprojekte zur Verbreitung der Landstromversorgung weiter fördern.

In den Expertengruppen werden die Maßnahmen von Bund und Ländern vertieft und weiterentwickelt.

Fortschreibung und Konkretisierung der Maßnahmen in vier Expertenrunden

Die Umsetzung der beschriebenen kurz-, mittel- und längerfristigen Maßnahmen bedarf im Einzelfall intensiver Abstimmungsprozesse zwischen verschiedenen Akteuren. Die weitere Konkretisierungsarbeit wird daher in vier Expertengruppen unter Hinzuziehung jeweils thematisch angesprochener unabhängiger Akteure vertieft begleitet. Die Arbeit in den Expertengruppen beginnt umgehend.

Die Expertenrunden im Einzelnen:

  1. Emissionsreduzierung in den im Verkehr befindlichen Fahrzeugflotten
  2. Verkehrslenkung, Digitalisierung und Vernetzung
  3. Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten auf emissionsarme Mobilität
  4. Optimierung von Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe

BMVI, Pressemitteilung v. 02.08.2017

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