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BVerfG: Mündliche Verhandlung in Sachen „Zensus 2011“ am Dienstag, 24.10.2017

Der Zweite Senat des BVerfG verhandelt am Dienstag, 24.10.2017, über Anträge der Senate von Berlin und der Freien und Hansestadt Hamburg im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über den registergestützten Zensus im Jahre 2011 (Zensusgesetz 2011), der dazugehörigen Stichprobenverordnung 2011 sowie des Gesetzes zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2011 (Zensusvorbereitungsgesetz 2011).

Zum Stichtag 09.05.2011 fand eine bundesweite Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungszählung (Zensus) statt. Hierbei erfolgte erstmalig eine sog. registergestützte Volkszählung. Im Unterschied zu den vorhergehenden Volkszählungen – zuletzt 1987 in der Bundesrepublik Deutschland und 1981 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – wurden dabei nur knapp 10% der Einwohner befragt. Zur Reduktion der Zahl der erforderlichen Befragungen wurde auf bereits in Registern erfasste Daten zurückgegriffen; diese wurden durch primärstatistische Erhebungen ergänzt. Durch den Zensus wurden u.a. die amtlichen Einwohnerzahlen für alle Gemeinden in Deutschland neu festgestellt. Zur Korrektur von Unrichtigkeiten der Melderegister sah das Verfahren neben einer sog. Mehrfachfallprüfung in Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern eine Stichprobenbefragung sowie in kleineren Gemeinden eine sog. „Befragung zur Klärung von Unstimmigkeiten“ vor. Die Ergebnisse führten u.a. dazu, dass die Einwohnerzahl Berlins gegenüber der Bevölkerungsfortschreibung um circa 180.000 und die Hamburgs um gut 82.800 Personen niedriger ermittelt wurde.

Die Antragsteller rügen insbesondere, dass die Regelung der Haushaltsstichprobe gegen Bestimmtheitsanforderungen verstoße. Der Gesetzgeber habe zudem fachstatistische Grundlagen des Stichprobenverfahrens nicht genau genug ermittelt. Eine den verfassungsrechtlichen Rechtspositionen der Länder und Kommunen nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG und Art. 28 Abs. 2 GG sowie dem Finanzverfassungsrecht genügende, hinreichend präzise Einwohnerermittlung sei damit nicht gesichert gewesen. Die Anwendung verschiedener Methoden in Abhängigkeit von der Gemeindegröße sei mit den Geboten interkommunaler und föderaler Gleichbehandlung unvereinbar, da sie zu einer Benachteiligung größerer Gemeinden und der Stadtstaaten geführt habe. Die Antragsteller sind ferner der Auffassung, die Verfahrensgestaltung beeinträchtige Länder und Gemeinden in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz, da sie eine gerichtliche Überprüfung erschwere. Insbesondere die angeordneten Löschungszeitpunkte berücksichtigten das Interesse an der gerichtlichen Nachprüfbarkeit der Einwohnerzahlen nicht hinreichend.

Auf einen Eilantrag des Senats von Berlin hat der Zweite Senat des BVerfG mit Beschluss vom 26.08.2015 den Vollzug der Löschungsvorschriften (§ 19 ZensG 2011) vorläufig ausgesetzt. Die einstweilige Anordnung wurde mit Beschlüssen vom 15.02.2016, 20.07.2016, 22.12.2016 und 13.06.2017 jeweils um sechs Monate verlängert.

BVerfG, Pressemitteilung v. 22.08.2017 zu den Verfahren 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15 (Ausschnitt)

Red. Hinweis: Meldungen im Kontext „Klagen gegen Zensus“.