Aktuelles

Staatskanzlei: Kabinett beschließt 9-Punkte-Agenda für weniger Bürokratie im Handwerk

©pixelkorn - stock.adobe.com

Als Konsequenz aus einem Runden Tisch mit dem Bayerischen Handwerk hat die Staatsregierung eine 9-Punkte-Agenda für weniger Bürokratie auf den Weg gebracht. Der für Bürokratieabbau zuständige Leiter der Staatskanzlei Dr. Marcel Huber hatte das gemeinsame Projekt angestoßen. Huber: „Wenn man die Betroffenen nach Beispielen für unnötige Bürokratie fragt, erhält man eine lange Liste. Ganz maßgeblich sind es Bundes- und EU-Gesetze, die die praktische Arbeit handwerklicher und mittelständischer Betriebe erschweren. Wir stehen als Bayerische Staatsregierung für rechtliche Klarheit und Ordnung, aber wenden uns gegen Bevormundung und Gängelung. Das Bayerische Handwerk ist ein entscheidender Garant für Arbeitsplätze, Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum. Wir brauchen Vorrang für Eigenverantwortung und Freiräume.“

Bayern greift die wichtigsten Anliegen des Handwerks zum Abbau überflüssiger Vorschriften gezielt auf. Dafür werden sich alle Ministerien in ihren jeweiligen Fachbereichen und Gremien stark machen – vor allem gegenüber Bund und EU. Huber betonte:

„Ziel ist es, dass die vielen tausend Mittelständler und Handwerker in Bayern ihre volle Kraft in ihre Arbeit, Kreativität und Innovationen stecken können – und nicht in die Bürokratie. Wer sich für ein Handwerk entschieden hat, will nicht die Hälfte seiner Zeit mit Dokumentationsarbeit im Büro verbringen.“

Bayern hatte mit der Paragraphenbremse [red. Hinweis: Nach der Paragraphenbremse für Gesetze und Rechtsverordnungen hatte der Ministerrat am 24.02.2015 auch eine Paragraphenbremse für Verwaltungsvorschriften beschlossen] bereits deutschlandweit ein Exempel statuiert. Es gibt kein neues Gesetz, ohne dass ein anderes dafür gestrichen wird.

„Der Freistaat zeigt, dass es geht. Was wir in unserem Land den Menschen erleichtern, dürfen Bund und EU ihnen nicht wieder doppelt aufbürden“, erklärte Huber entschieden.

Die 9-Punkte-Agenda enthält folgende konkrete Vorhaben:

1. Arbeits- und sozialrechtliche Schwellenwerte zu Betriebsgrößen überprüfen

Das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht kennt zahlreiche an die Betriebsgröße angelehnte Schwellenwerte (Kleinbetriebsregelungen), die sich in Höhe (Betriebsgröße 1-30 Beschäftigte) und Berechnung (z.B. Berücksichtigung von Teilzeitkräften und Auszubildenden) zum Teil deutlich unterscheiden.

Die Staatsregierung wird sich im Interesse einer Vereinfachung und Harmonisierung auf Bundesebene für eine Prüfung einsetzen, ob und inwiefern Veränderungen der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schwellenwerte hinsichtlich Höhe und Berechnung angemessen sind.

2. Verbraucherrechte-Richtlinie der EU: Informationspflichten entbürokratisieren auf Grundlage des Leitbilds des mündigen Verbrauchers

Seit Juni 2014 gelten neue Regelungen im Verbraucherrecht, die auf EU-Vorgaben zurückgehen. Sie sehen u.a. weitgehende vorvertragliche Informationspflichten für Unternehmen vor. Zwar gelten für handwerkstypische Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten zum Teil erleichterte Anforderungen – allerdings nur für Aufträge bis € 200.

Die Staatsregierung wird sich dafür einsetzen,

  • den geltenden Schwellenwert bei Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten von € 200 anzuheben und damit der Lebenswirklichkeit im Hochlohnland Deutschland anzunähern.
  • dass das Leitbild des mündigen Verbrauchers im Rahmen der laufenden EU-Konsultation zur Evaluierung der EU-Verbraucherrechterichtlinie für Deregulierungsmaßnahmen zur Grundlage erklärt wird.

3. Verbraucherstreitbeilegungsgesetz: Konsequente 1:1-Umsetzung von EU-Recht bei Informationspflichten

Das seit 2016 geltende Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) schafft in Umsetzung einer EU-Richtlinie außergerichtliche Streitbeilegungsstellen. Den Betrieben werden hierzu umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten auferlegt. Der deutsche Gesetzgeber verpflichtet über die EU-Vorgaben hinaus Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitern, den Verbraucher auch über ihre fehlende Bereitschaft zur Teilnahme an einer Verbraucherschlichtung zu informieren.

Die Staatsregierung wird sich bundesstaatlich insbesondere dafür einsetzen, die EU-Richtlinie strikt 1:1 umzusetzen und eigene Gesetze entsprechend zu ändern.

4. Lenk- und Ruhezeiten für Kraftfahrer: Ausnahmegrenze für Handwerker auf 150 km erhöhen

Die bestehenden Aufzeichnungspflichten der Lenk-und Ruhezeiten von Berufskraftfahrern sehen Ausnahmeregelungen für Handwerksbetriebe bei Fahrten in einem Umkreis bis 100 km um den Betriebsstandort vor. Die bisherige Grenze von 50 km hat die EU 2015 bereits auf 100 km verdoppelt.

Die Staatsregierung wird sich dafür einsetzen, die Ausnahmen von den Aufzeichnungspflichten für Handwerkerfahrten auf einen Umkreis von 150 km um den Betriebsstandort langfristig zu erweitern.

5. Sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfungen: Mehr Rechtssicherheit für Betriebe

Die Rentenversicherungsträger führen in jedem Betrieb spätestens alle vier Jahre eine stichprobenartige Betriebsprüfung über die ordnungsgemäße Meldung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch.

Die Staatsregierung wird sich für eine Überprüfung der 30-jährigen Verjährungsfrist für die Nachforderung von Beiträgen einsetzen.

6. Mindestlohn: Dokumentationspflichten deutlich entbürokratisieren

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wurde begleitet durch umfangreiche und in weiten Teilen bis heute bestehende Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten, die gerade kleinere Betriebe belasten.

Die Staatsregierung wird sich weiter dafür einsetzen, unnötige Bürokratie im Mindestlohngesetz und seinen Verordnungen abzubauen.

7. Arbeitsschutzgesetz: Verbesserte Information und Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung

Kleinere Betriebe unterliegen aufgrund europarechtlicher Vorgaben grundsätzlich denselben arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen wie Großbetriebe – auch bezüglich der umfangreichen arbeitsschutzrechtlichen Dokumentationspflichten.

Die Staatsregierung wird mit dem Handwerk Möglichkeiten des Freistaats zur Verbesserung der Information, Beratung und Unterstützung gerade kleinerer Unternehmen bei der Umsetzung der gesetzlichen arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben identifizieren und umsetzen.

8. Steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten (digitale Vorhaltung) verkürzen und vereinfachen

Unternehmen müssen für mögliche Betriebsprüfungen steuerrechtlich relevante Unterlagen zehn Jahren lang aufbewahren. Dabei sind Unternehmen grundsätzlich verpflichtet, elektronisch vorhandene Daten über diesen Zeitraum auch maschinenlesbar zu halten.

Die Staatsregierung wird sich dafür einsetzen, die Anforderungen an die digitale Vorhaltung von Buchführungsunterlagen und Belegen zu reduzieren. Auch Handwerksbetriebe sollen die Kostenvorteile der immer kürzeren Produktzyklen der Hard- und Software tatsächlich nutzen können. Darüber hinaus wird sich die Staatsregierung in der nächsten Legislaturperiode auf Bundesebene für eine ergebnisoffene Prüfung der Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen für Buchführungsunterlagen einsetzen.

9. De-minimis-Förderung entbürokratisieren

Die De-minimis-Verordnung der EU stellt Bagatellbeihilfen für Unternehmen von der Anmeldepflicht bei der Europäischen Kommission frei. Es ist nach der Verordnung möglich, einem Unternehmen innerhalb von drei Steuerjahren € 200.000 in Summe zu gewähren. Alle in diesem Zeitraum erhaltenen De-minimis-Förderungen müssen addiert werden. Die Handwerkskammern, die Beratungsleistungen erbringen, sind von Bund und Ländern beauftragt, die De-minimis-Bescheinigung für die Handwerksbetriebe auszustellen.

Die Staatsregierung wird

  • mit dem Handwerk weitere Möglichkeiten des Freistaats zur Verbesserung der Information, Beratung und Unterstützung gerade kleinerer Unternehmen bei der Umsetzung der bestehenden De-minimis-Verordnung identifizieren und umsetzen.
  • sich beim Bund dafür einsetzen, die Beratungsförderung der Kammern nicht mehr als De-minimis-Förderung zu gestalten, sondern zum Beispiel die sog. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung heranzuziehen.

Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 19.09.2017