Gesetzgebung

Landtag: Gesundheitsausschuss – Fachgespräch zu den Eckpunkten für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz

Seit fast 20 Jahren wird in Bayern über ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) debattiert. Die Zeit drängt: Zum einen ist die Suizidrate in Deutschland nirgends höher als in Bayern, zum anderen werden im Freistaat wesentlich häufiger psychisch kranke Menschen eingewiesen als in anderen Bundesländern. Im August hat der Ministerrat die neuen Eckpunkte für das Gesetz beschlossen, die beim Fachgespräch im Gesundheitsausschuss mit Experten diskutiert wurden.

Josef Mederer, Präsident des Bayerischen Bezirketags, sah beim PsychKHG nach wie vor viel Diskussionsbedarf. Zwar gebe es durch die ambulante Krisenhilfe in ganz Oberbayern inzwischen ein niederschwelliges Angebot für Betroffene.

„Das kann aber nicht allein von den Kommunen finanziert werden“, sagte er.

Auch Freistaat und Krankenkassen seien in der Pflicht.

Michael Mauerer-Mollerus vom AWO Bezirksverband Oberbayern sprach sich für eine flächendeckende psychiatrische Krisenversorgung aus.

„Leider findet sich der Punkt in den Angebotsmerkmalen nicht wieder.“

Für die Polizei sei in Notfällen ein mobiler Krisendienst eine große Hilfe. Mauerer-Mollerus kritisierte, dass es auch zukünftig keine Zahlen geben soll, wie viele Menschen untergebracht sind.

Prof. Dr. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums München-Ost, betonte, es dürften nur Menschen eingewiesen werden, die völlig selbstbestimmungsunfähig sind. Auch müsse die Hilfe für Betroffene immer über die Abwehr von Gefahren gestellt werden.

„Wir können auch nicht erkennen, welchen Gewinn eine zentrale Unterbringungsdatei hat“, so Brieger.

Prof. Dr. Thomas Petri, Landesbeauftragter für den Datenschutz, ergänzte, die Staatsregierung müsse sich überlegen, ob sie die hochsensiblen Daten der Unterbringungsdatei der strengen Datenschutzgrundverordnung oder der eher lockeren Richtlinie zur Strafjustiz zuordnen soll.

„Wenn dies falsch verortet wird, bricht möglicherweise die ganze Gesetzesarchitektur zusammen“, warnte Petri.

Prof. Dr. Franz Joseph Freisleder, Ärztlicher Direktor des Heckscher-Klinikums für Kinder- und Jugendpsychiatrie, forderte:

„Bitte nennen Sie Kinder und Jugendliche im PsychKHG explizit beim Namen.“

Jeder fünfte Betroffene sei inzwischen minderjährig – 80% davon Notfälle. Freisleder würde daher eine gesetzlich verankerte Schnittstelle zwischen Polizei und Kliniken begrüßen.

Dr. Nikolaus Melcop, Präsident der Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten, kritisierte die Eckpunkte, weil sie die Vorschläge der Arbeitsgruppen übergingen. Außerdem seien persönliche Ansprechpartner wie Patientenfürsprecher wichtig.

„Der in den Eckpunkten vorgesehenen Fachaufsichtsbehörde trauen wir das nicht zu“, sagte er.

Auch dass Behinderung als möglicher Unterbringungsgrund erfasst wird, sei bedenklich.

Prof. Dr. Oliver Pogarell von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uni München wünscht sich, dass die in der Arbeitsgruppen herausgearbeiteten therapeutischen Hilfsangebote Einzug in den Gesetzentwurf finden; Walter Langenecker von der AOK Bayern, dass der Krisendienst ein verpflichtendes Bindeglied zwischen Patienten und Krankenkassen wird. Und Margarete Blank vom Landesverband Psychiatrie-Erfahrener, dass trotz der Paragrafenbremse gerade im Bereich Hilfe für Betroffene ein nicht zu schlankes Gesetz entsteht.

Kerstin Celina (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nannte die Eckpunkte eine „katastrophal schlechte Vorlage“. Der Gesetzesentwurf habe aus den Augen verloren, was vor drei Jahren Konsens war: Den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen.

„Wie soll dadurch die Zahl der Unterbringungen reduziert werden?“

Kathi Petersen (SPD) wunderte sich über den Satz im Papier des Ministerrats, wonach nicht alle Eckpunkte später zwingend Eingang ins Gesetz finden.

„Warum wird im Vorfeld ein runder Tisch mit Experten gebildet, wenn deren Forderungen nicht aufgenommen werden?“

Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER) schloss sich der Kritik der Vorrednerinnen an.

„Der PsychKHG-Zug fährt in die richtige Richtung“, sagte er, „aber er schlingert gewaltig und muss noch viele Stoppschilder überfahren.“

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 26.09.2017 (von Davin Lohmann)

Redaktionelle Hinweise und Anmerkungen

  • Meldungen im Kontext „BayPsychKHG“ bzw. zum Gesetzgebungsverfahren: hier.
  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

Sprachlich wird der Begriff „Unterbringung“ meist ohne Differenzierung gebraucht und bezeichnet die Einweisung (ggfls. ohne oder gegen den Willen des Betroffenen) in ein psychiatrisches Krankenhaus, eine Entziehungsanstalt oder in eine sonstige Einrichtung – gleich aus welchen Gründen. Juristisch ist beim Begriff der Unterbringung zu unterscheiden zwischen

  • der Art der Unterbringung (zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche, strafrechtliche),
  • dem Anknüpfungspunkt für die Unterbringung (dem geschützten Rechtsgut) und
  • den Voraussetzungen, dem Verfahren und dem Vollzug, mithin den Rechtsgrundlagen.

PsychKHG – Öffentlich-rechtliche Unterbringung

Anknüpfungspunkt für die Unterbringung ist die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, neben der Eigengefährdung (wie hauptsächlich bei der zivilrechtlichen Unterbringung) also auch die Fremdgefährdung (bei der strafrechtlichen Unterbringung ist Anknüpfungspunkt hingegen eine rechtswidrige Straftat). Voraussetzungen und Vollzug sind landesrechtlich geregelt: In Bayern (noch) im Unterbringungsgesetz (UnterbrG), in anderen Bundesländern meist in einem so oder so ähnlich bezeichneten „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG)“. Hinsichtlich des Unterbringungsverfahrens ist zwischen dem behördlichen Verfahren (noch geregelt im UnterbrG) und dem gerichtlichen Verfahren (geregelt im FamFG, vgl. § 312 Nr. 3 FamFG) zu unterscheiden.