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BVerfG: Nachträgliche Auferlegung einer Missbrauchsgebühr wegen unrichtigen Tatsachenvortrags

Das BVerfG hat mit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23.08.2017 die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers gegen einen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen anlässlich des „G-20 Gipfels“ in Hamburg erlassenen Haftbefehls nicht zur Entscheidung angenommen. Nachdem sich herausgestellt hat, dass der Vortrag der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers in einem wesentlichen Aspekt unrichtig war, hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG der Bevollmächtigten mit Beschluss vom 27.09.2017 eine Missbrauchsgebühr i.H.v. € 600 auferlegt.

Sachverhalt

1. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen anlässlich des „G-20-Gipfels“ in Hamburg hat das zuständige AG gegen den Beschwerdeführer Untersuchungshaft angeordnet. Gegen diesen Haftbefehl und die im Beschwerdeverfahren ergangenen Entscheidungen hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt. Dabei begründete die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen damit, dass auf dem vorhandenen Videomaterial, entgegen der in den angefochtenen Entscheidungen getroffenen Feststellungen, keine Steinwürfe zu erkennen seien. Vielmehr seien „lediglich“ Würfe aus der Menschenmenge mit „Bengalos“ und „Böllern“ zu sehen. Mit Beschluss vom 23.08.2017 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie den Substantiierungserfordernissen nicht genügt hat.

2. Nach dieser Entscheidung ist der Kammer das polizeiliche Video, auf das die Verfassungsbeschwerde vielfach Bezug genommen hat, bekannt geworden. Dieses Video lässt deutlich erkennen, dass aus der Menschenmenge auch mehrere Steine in Richtung der eingesetzten Polizeibeamten geworfen worden sind.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

1. Das BVerfG muss es nicht hinnehmen, an der Erfüllung seiner Aufgaben durch erkennbar substanzlose Verfassungsbeschwerden gehindert zu werden. Deshalb kann eine Missbrauchsgebühr etwa dann verhängt werden, wenn die Verfassungsbeschwerde den Versuch unternimmt, dem BVerfG die Kenntnis von für die Entscheidung offensichtlich bedeutsamen Tatsachen vorzuenthalten, oder wenn gegenüber dem BVerfG falsche Angaben über entscheidungserhebliche Umstände gemacht werden.

2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Vortrag der Bevollmächtigten zum Inhalt des Videos, mit dem zugleich der Eindruck erweckt wird, das Video in Augenschein genommen zu haben, erweist sich in einem wesentlichen Aspekt als unrichtig. Deshalb hält die Kammer die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr i.H.v. € 600 Euro für angemessen, aber auch erforderlich, um die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers nachdrücklich zur sorgfältigen Prüfung der Richtigkeit ihres Beschwerdevortrags anzuhalten.

BVerfG, Pressemitteilung v. 12.10.2017 zum Beschl. v. 27.09.2017 – 2 BvR 1691/17