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DStGB: BVerfG stärkt gemeindliche Selbstverwaltung

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt (SGSA) sehen trotz der Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde in der heutigen Entscheidung des BVerfG eine weitere Stärkung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts: Art. 28 Abs. 2 GG sichert den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht nur eine umfassende Aufgabenzuständigkeit örtlicher Angelegenheiten, insbesondere in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildungsangebote zu, sondern verwehrt den Bundesländern auch, ein eigenes Verfassungsmodell zu entwickeln, das hinter dem Schutzgehalt des Grundgesetzes zurückbleibt.

„Das BVerfG hat eindeutig klargestellt, dass die in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie eine herausgehobene Stellung in unserem Staat hat, die nicht zur Disposition des Landesverfassungsgebers steht“, betonten die Hauptgeschäftsführer des DStGB, Dr. Gerd Landsberg, sowie der Landesgeschäftsführer des SGSA, Jürgen Leindecker, heute anlässlich der Urteilsverkündung in Karlsruhe.

Richtungsweisend hat das Gericht geurteilt, dass Gemeinden das Recht haben, direkt das BVerfG anzurufen, wenn der Schutz der örtlichen Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden durch die Landesverfassung bzw. das Landesverfassungsgericht nicht hinreichend gewährt wird.

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Das Land Sachsen-Anhalt hatte durch eine Änderung des Kinderfördergesetzes bestehende Leistungsverpflichtungen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Bereich der Kindertagesbetreuung auf die Landkreise als Träger der öffentlichen Jugendhilfe übertragen. Auch wenn das BVerfG diese Aufgabenübertragung als noch verhältnismäßig angesehen hat, sind die Rechte der Gemeinden nachhaltig gestärkt worden.

Dem „Dualismus des Selbstverwaltungsrechts von Kreis und Gemeinde“ hat das BVerfG eindeutig eine Absage erteilt. Vielmehr garantiere Art. 28 Abs. 2 GG den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nicht nur die Allzuständigkeit hinsichtlich aller örtlichen Angelegenheiten, sondern die herausgehobene Bedeutung der Gemeinden für den demokratischen Staatsaufbau beinhalte auch einen grundsätzlichen Vorrang der gemeindlichen Aufgabenzuständigkeit.

„Örtliche Aufgaben dürfen den Gemeinden nur aus Gründen des Gemeinwohls entzogen werden, das Ziel der Verwaltungsvereinfachung oder der Zuständigkeitskonzentration scheidet als Rechtfertigungsgrund aus“, stellten Dr. Landsberg und Leindecker klar.

Umgekehrt seien die Länder verpflichtet, das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht zu stärken.

Pressemitteilung des DStGB Nr. 39 v. 21.11.2017

Redaktionelle Hinweise

  • Meldungen und Stellungnahmen im Kontext dieses Urteils: vgl. hier.
  • Meldungen im Kontext „Kinderbetreuung“: vgl. hier.

Das BVerfG hat folgende Leitsätze formuliert:

  1. Zu den für die Länder zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes gehört 28 Abs. 2 GG. Das Landesrecht darf daher keine Regelungen enthalten, die mit Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar sind (Rn. 49).
  2. Der Grundsatz der Subsidiarität der Kommunalverfassungsbeschwerde nach 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, 91 BVerfGG findet keine Anwendung, wenn die landesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung hinter dem Gewährleistungsniveau des Art. 28 Abs. 2 GG zurückbleibt (Rn. 50).
  3. Zu den grundlegenden Strukturelementen von 28 Abs. 2 GG gehört die Eigenständigkeit der Gemeinden auch und gerade gegenüber den Landkreisen.
  4. 28 Abs. 2 Satz 1 GG konstituiert ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach der Gesetzgeber den Gemeinden örtliche Aufgaben nur aus Gründen des Gemeinwohls entziehen darf. Das bloße Ziel der Verwaltungsvereinfachung oder der Zuständigkeitskonzentration scheidet als Rechtfertigung eines Aufgabenentzugs aus. Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung rechtfertigen eine Hochzonung erst, wenn ein Belassen der Aufgabe bei den Gemeinden zu einem unverhältnismäßigen Kostenanstieg führen würde (Rn. 84).