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BVerfG: Mündliche Verhandlung in Sachen „Fixierung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung“ am 30.01. und 31.01.2018

Der Zweite Senat des BVerfG verhandelt am Dienstag, 30.01.2018, und Mittwoch, 31.01.2018, über zwei Verfassungsbeschwerden, welche die Anordnung von Fixierungen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zum Gegenstand haben.

1. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 502/16 betrifft die 7-Punkt-Fixierung des Beschwerdeführers – das heißt die Fesselung an das Krankenbett an beiden Armen, beiden Beinen sowie um Bauch, Brust und Stirn – während eines insgesamt gut zwölfstündigen Psychiatrieaufenthalts. Die Maßnahme wurde auf ärztliche Anordnung vorgenommen und dauerte acht Stunden an. Das Bayerische Unterbringungsgesetz (BayUnterbrG), welches Rechtsgrundlage für die vorläufige Unterbringung des Beschwerdeführers war, sieht keine spezielle Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung von Fixierungen vor. Der Beschwerdeführer nahm den Freistaat Bayern erfolglos auf Schadensersatz und Schmerzensgeld für die auf Grund der Fixierung erlittenen Verletzungen in Anspruch. Seine Verfassungsbeschwerde ist gegen die in dem Amtshaftungsverfahren ergangenen Entscheidungen gerichtet.

2. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 309/15 betrifft die 5-Punkt-Fixierung eines in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung Untergebrachten, die über mehrere Tage wiederholt ärztlich angeordnet worden war. Der Beschwerdeführer, der Verfahrenspfleger des Untergebrachten, wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen den die Fixierung anordnenden Beschluss sowie mittelbar gegen § 25 Abs. 3 des baden-württembergischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKHG BW), auf dessen Grundlage der Beschluss erging.

3. Beide Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 und 2 GG). Sie machen geltend, die Fixierung unterliege als freiheitsentziehende Maßnahme einem Richtervorbehalt. Die für die Anordnung der Fixierung jeweils herangezogenen Rechtsgrundlagen würden den verfassungsrechtlichen Maßstäben für die Rechtfertigung eines Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person nicht gerecht. Das Freiheitsgrundrecht stelle besondere Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

4. Bei der Freiheitsentziehung handelt es sich um die schwerste Form der Freiheitsbeschränkung. Sie setzt eine besondere Intensität voraus und kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn die – tatsächlich und rechtlich an sich gegebene – Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird. Im Rahmen der Unterbringung stellt sich zudem die Frage, ob eine „Freiheitsentziehung in der Freiheitsentziehung“ möglich ist.

  • Die Verhandlungsgliederung finden Sie hier.

Pressemitteilung des BVerfG Nr. 107 (Ausschnitt) v. 01.12.2017 – 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16

Redaktionelle Anmerkungen

Sprachlich wird der Begriff „Unterbringung“ meist ohne Differenzierung gebraucht und bezeichnet die Einweisung (ggfls. ohne oder gegen den Willen des Betroffenen) in ein psychiatrisches Krankenhaus, eine Entziehungsanstalt oder in eine sonstige Einrichtung – gleich aus welchen Gründen. Juristisch ist beim Begriff der Unterbringung zu unterscheiden zwischen

  • der Art der Unterbringung (zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche, strafrechtliche),
  • dem Anknüpfungspunkt für die Unterbringung (dem geschützten Rechtsgut) und
  • den Voraussetzungen, dem Verfahren und dem Vollzug, mithin den Rechtsgrundlagen.

PsychKHG – Öffentlich-rechtliche Unterbringung

Anknüpfungspunkt für die Unterbringung ist die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, neben der Eigengefährdung (wie hauptsächlich bei der zivilrechtlichen Unterbringung) also auch die Fremdgefährdung (bei der strafrechtlichen Unterbringung ist Anknüpfungspunkt hingegen eine rechtswidrige Straftat). Voraussetzungen und Vollzug sind landesrechtlich geregelt: In Bayern (noch) im Unterbringungsgesetz (UnterbrG), in anderen Bundesländern meist in einem so oder so ähnlich bezeichneten „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG)“. Hinsichtlich des Unterbringungsverfahrens ist zwischen dem behördlichen Verfahren und dem gerichtlichen Verfahren (geregelt im FamFG, vgl. § 312 Nr. 3 FamFG) zu unterscheiden.

Im Freistaat Bayern wird die öffentlich-rechtliche Unterbringung aktuell neu geregelt: Die Staatsregierung hat hierzu am 01.08.2017 entsprechende Eckpunkte für ein sog. Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz beschlossen. Stichworte hierzu: landesweite psychiatrische Krisendienste; Neuregelung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung; Rechte und Pflichten der Betroffenen sollen transparent geregelt werden; Richtervorbehalt bei Zangsmaßnahmen; unabhängige Unterbringungsbeiräte; eigene Fachaufsichtsbehörde; Präventionsambulanzen für Hochrisikopatienten, um potenzielle Gewalttaten zu verhindern; weiterer Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens: Zuleitung der Eckpunkte an den Landtag, Gesetzgebungsverfahren, Inkrafttreten geplant für Sommer 2018.

  • Weitere Informationen (Stand und Verlauf des Verfahrens) zum „BayPsychKHG“: hier.