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LG Berlin: BVerfG soll über Mietpreisbremse entscheiden

Die Zivilkammer 67 des LG Berlin hält die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch über die sog. Mietpreisbremse (§ 556d BGB) für verfassungswidrig und hat am 07.12.2017 beschlossen, im Rahmen eines Berufungsverfahrens dem BVerfG diese Frage zur Entscheidung vorzulegen. Das höchste deutsche Gericht hat allein die Kompetenz, eine gesetzliche Regelung für verfassungswidrig zu erklären.

Die Zivilkammer 67 hatte bereits im September 2017 verfassungsrechtliche Bedenken geäußert; jedoch unterblieb in dem damaligen Rechtsstreit eine Vorlage an das BVerfG, da es auf die Verfassungsgemäßheit der Vorschrift für die Entscheidung damals auf Grund neuer Umstände nicht mehr ankam.

Nunmehr ist die Frage für den Ausgang eines anderen Berufungsverfahrens von Bedeutung. Es handelt sich um die Klage zweier Mieter, die die höchstzulässige Miete für ihre Wohnung nach den Vorschriften über die sog. Mietpreisbremse festgestellt haben wollen. Die Parteien hatten am 04.02.2016 einen Mietvertrag über eine in Berlin-Wedding gelegene 2-1/2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 59,29 m² geschlossen. Als Mietzins war ein Betrag von € 474,32 netto kalt monatlich vereinbart. Mietvertragsbeginn war der 01.03.2016.

Die Mieter rügten mit einem der Vermieterin am 05.07.2016 zugegangenen Schreiben, dass die Miethöhe ihrer Ansicht nach preisrechtlich überhöht sei und sich nur auf € 419,18 netto kalt belaufen dürfe.

Das AG Wedding gab der Klage der Mieter teilweise statt und stellte in seinem Urteil fest, dass die von der Mieterin geschuldete Miete unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben der Mietpreisbremse ab dem 01.08.2016 lediglich € 435,78 betrage. Bei Vertragsbeginn habe die ortsübliche Vergleichsmiete ausweislich des Berliner Mietspiegels 2015 für die von der Mieterin angemietete Wohnung nur bei € 6,68 pro Quadratmeter (= insgesamt € 396,16) gelegen; diese hätte die Vermieterin um höchstens 10% überschreiten dürfen.

Gegen das erstinstanzliche Urteil legte die Vermieterin Berufung ein und berief sich darauf, das AG habe die maßgebliche ortsübliche Vergleichsmiete, die Grundlage dafür ist, die zulässige Wohnungsmiete zu bestimmen, fehlerhaft ermittelt. Das AG habe zu Unrecht kein Sachverständigengutachten eingeholt und sich unzulässig nur auf den Berliner Mietspiegel 2015 gestützt. Abgesehen davon könnten die Vorschriften der Mietpreisbremse ohnehin nicht zu Lasten eines Vermieters angewandt werden, da sie gegen das Grundgesetz verstießen.

Die Zivilkammer 67 des LG Berlin teilte – anders als z.B. die Zivilkammer 65 des LG Berlin, die das Bundesgesetz für verfassungsgemäß ansah (vgl. Pressemitteilungen Nr. 23/2017 und Nr. 17/2017) – die Bedenken und hielt die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 556d BGB) für verfassungswidrig.

Zur Begründung der Ansicht der Zivilkammer 67 wird auf die Ausführungen in der Pressmitteilung Nr. 55/2017 Bezug genommen, in der es u.a. hieß: „Es liege eine ungleiche Behandlung von Vermietern vor. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber Differenzierungen vornehme, müssten diese durch Gründe gerechtfertigt werden, die dem Ziel der Differenzierung und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen seien. Dies habe der Gesetzgeber bei der Neuregelung von § 556d BGB nicht beachtet und in verfassungswidriger Weise in das Recht der Mietvertragsparteien, im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit den Mietpreis zu regeln, eingegriffen. § 556d BGB in Verbindung mit der von dem Land Berlin erlassenen Rechtsverordnung begrenze die zulässige Neuvermietung auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete.“ Der Wohnungsmietmarkt weise bundesweit preislich seit langem starke Unterschiede auf. Die Differenz in der ortsüblichen Vergleichsmiete betrage z.B. zwischen der Stadt München und dem Westteil der Stadt Berlin ca. € 4,30 pro Quadratmeter in 2013 und € 4,70 pro Quadratmeter in 2016 (Miete pro Quadratmeter in München € 10,25 bzw. € 11,16 gegenüber € 5,90 bzw. € 6,46 in Berlin). Dies entspreche einem Unterschied von über 70%.

Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich treffe. Weder der Gesetzeszweck noch die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Vorteile noch sonstige Sachgründe rechtfertigten dies. Insbesondere seien im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die für eine mögliche sachliche Rechtfertigung relevanten einkommensbezogenen Sozialdaten von Mietern nicht erhoben worden. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener, die vom Gesetz geschützt werden sollten, in höherpreisigen Mietmärkten wie München erheblich besser gestellt seien als die gleichen Zielgruppen in Berlin.

Darüber hinaus liege auch deshalb eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, da diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10% der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt würden. Denn diese Vermieter dürften bei einer Neuvermietung die „alte“ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen. Ein Bestandsschutz für diese „alte“ Miete könne jedoch bei einer Neuvermietung nicht angenommen werden. Zudem sei die Ungleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg unvereinbar. Denn diejenigen Vermieter, die in der Vergangenheit eine maßvolle Miete verlangt hätten, würden erheblich benachteiligt gegenüber denjenigen Vermietern, die schon in der Vergangenheit die am Markt erzielbare Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen hätten, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp werde.

Ergänzend zu ihren früheren Ausführungen rügte die Kammer nunmehr ferner, dass die Vorschrift der Mietpreisbremse auch gegen das im Grundgesetz verankerte Bestimmtheitsgebot verstoße. Der Bundesgesetzgeber habe die staatliche Preisintervention nicht allein davon abhängig gemacht, dass ein angespannter kommunaler Wohnungsmarkt vorliege. Es komme zusätzlich auf die politische Willensbildung auf Landesebene und die darauf beruhende Entscheidung der jeweiligen Landesregierung an, ob von der im Gesetz enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung zur Umsetzung der Mietpreisbremse Gebrauch gemacht werde. Das Bundesgesetz (§ 556d BGB) verpflichte die jeweilige Landesregierung nicht dazu, die Vorschrift im Landesrecht umzusetzen, auch wenn der Wohnungsmarkt im gesamten Bundesland oder in einzelnen Kommunen angespannt sei. Deshalb seien Vermieter in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Saarland bislang nicht von der Mietpreisbremse betroffen, da die Landesregierungen dort trotz zumindest nicht auszuschließender Anspannung einzelner kommunaler Wohnungsmärkte weiterhin davon absähen, die bundesgesetzlichen Vorschriften zur Mietpreisbremse durch eine Landesverordnung zu vollziehen. Dasselbe gelte demnächst voraussichtlich für Vermieter in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, in denen sich die jeweiligen Landesregierungen nach Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse ausweislich der geschlossenen Koalitionsverträge sogar dazu entschlossen hätten, bereits erlassene Verordnungen trotz unzweifelhafter Anspannung zahlreicher kommunaler Wohnungsmärkte wieder aufzuheben. Im Gegensatz dazu unterfielen Vermieter in Bundesländen wie Berlin dem durch die Mietpreisbremse angeordneten Preisstopp, da dort die bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage durch Erlass einer Landesverordnung umgesetzt worden sei. Durch dieses uneinheitlich bindende Regelungssystem verstoße der Bundesgesetzgeber in verfassungswidriger Weise gleichzeitig gegen das am Gesamtstaat zu messende Gleichheitsgebot und das Bestimmtheitsgebot.

Die schriftliche Begründung des Beschlusses liegt noch nicht vor.

Pressemitteilung des LG Berlin Nr. 75 v. 11.12.2017 zu dem Beschl. v. 07.12.2017 – 67 S 218/17

Redaktionelle Hinweise und Anmerkungen

Vgl. auch

Im Freistaat Bayern ist die sog. Mietpreisbremse in der Mieterschutzverordnung (MiSchuV) geregelt. Die MiSchuV bestimmt die Städte und Gemeinden in Bayern, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen i.S.d. §§ 556d558 oder 577a BGB besonders gefährdet ist. In diesen Gebieten gilt mithin die sog. Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen (§ 556d BGB), die abgesenkte Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen in laufenden Mietverträgen (§558 BGB) bzw. eine verlängerte Kündigungssperrfrist bei der Umwandlung einer Mietwohnung in Wohnungseigentum (§ 577a BGB).

Die MiSchuV ist zu begründen, soweit sie Festsetzungen zur sog. Mietpreisbremse enthält (§ 556d Abs. 2 Satz 5 BGB). Laut Anlage zur MiSchuV gilt die Mietpreisbremse in 137 Gemeinden. Die wesentlichen Gründe, die zu dieser Einstufung führten, wurden 2015 im JMBl. bekannt gemacht (JMBl 10/2015, S. 117).

Im Hinblick auf eine Entscheidung des BayVerfGH v. 04.04.2017 (Vf. 3-VII-16) sah sich die Bayerische Staatsregierung jedoch veranlasst, ihre Einstufungs-Entscheidungen noch näher zu erläutern und ergänzende Angaben zu den Tatsachen bekannt zu geben, welche ihr beim Erlass der Mieterschutzverordnung vom 10.11.2015 vorlagen und welche zum Erlasszeitpunkt zu der Bewertung geführt haben, dass die in der Anlage zur Mieterschutzverordnung aufgeführten 137 Gemeinden einen angespannten Wohnungsmarkt i.S.d. § 556d BGB aufweisen und daher in dessen Anwendungsbereich einzubeziehen sind.

Der BayVerfGH hatte die auf die mangelnde Begründung gestützte Popularklage zwar abgewiesen, dabei jedoch lediglich festgestellt, dass ein möglicherweise vorliegender Verstoß gegen die bundesrechtliche Begründungspflicht nicht zur verfassungsrechtlichen Beanstandung der angegriffenen Regelung führt (siehe dazu Rn. 31 der Entscheidung):

„Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine nicht auf den Einzelfall eingehende Begründung bundesrechtlich zur Unwirksamkeit der Verordnung führt, stellt ein solches Begründungsdefizit keinen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsordnung im Sinn der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV dar. Ein derartiger Eingriff liegt nicht bereits dann vor, wenn die gesetzliche Verfahrensvorschrift, gegen die verstoßen wird, dem Schutz von Grundrechten oder anderen mit Verfassungsrang geschützten Rechtspositionen dient (vgl. BVerfG v. 20.12.1979 BVerfGE 53, 30/65; v. 08.02.1983, BVerfGE 63, 131/143; v. 15.12.1983 BVerfGE 65, 1/44; v. 17.04.1991 BVerfGE 84, 34/46). Verstöße gegen bundesrechtliche Verfahrensvorschriften sind im Rahmen der Prüfung anhand des Rechtsstaatsprinzips nur dann von Bedeutung, wenn die verfahrensrechtlichen Vorgaben zur Sicherung materieller verfassungsrechtlicher Rechtspositionen, wie der vom Antragsteller angeführten Grundrechte aus Art. 101, 103 und 118 Abs. 1 BV, unabdingbar sind, weil ein nachträglicher verfassungsgerichtlicher Schutz nicht hinreichend gewährt werden kann.“

Dementsprechend sei die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen die bundesrechtliche Begründungspflicht zur Unwirksamkeit der Verordnung führe, in erster Linie Aufgabe der hierfür zuständigen Fachgerichte (Rn. 30).

Dass auf Basis der bisherigen Begründung wohl ein Verstoß gegen die bundesrechtliche Begründungspflicht vorliegt, wird insbesondere aus den Rn. 28-30 der Entscheidung deutlich.

Dementsprechend hat das AG München mit Urt. v. 21.06.2017 (414 C 26570/16) entscheiden, dass die MiSchuV jedenfalls für München nicht anwendbar und nichtig ist (vgl. hierzu auch die entsprechende Pressemitteilung).