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Besserer Hochwasserschutz durch das Hochwasserschutzgesetz II – Vollzugshinweise für Kommunen und Wasserbehörden

von Ministerialrat a.D. Ulrich Drost 

Mit dem Hochwasserschutzgesetz II[1] hat der Gesetzgeber seine Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen mit den Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre, insbesondere der extremen Überschwemmungen im Jahr 2013 gezogen. Dabei knüpfen die mit dem Hochwasserschutzgesetz II vorgenommenen Änderungen an die bereits in den letzten Jahren in das Wasserhaushaltsgesetz aufgenommenen Regelungen zum vorbeugenden Hochwasserschutz an. Mit dem im Jahr 2005 beschlossenen Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes[2] wurden erstmals weitgehende bundesrechtliche Vorgaben zur Vorbeugung gegen Hochwasserschäden verbindlich geregelt. In diesem Zusammenhang wurden neben dem Wasserhaushaltsgesetz auch das Baugesetzbuch, das Raumordnungsgesetz, das Bundeswasserstraßengesetz und das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst geändert. Mit Inkrafttreten des neuen Wasserhaushaltsgesetzes[3] am 01.03.2010 wurden zudem neue gemeinschaftsrechtliche Instrumente der EU-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie[4] in das nationale Recht umgesetzt (vgl. dort insbesondere §§ 73 bis 75 WHG). Mit dem Hochwasserschutzgesetz II werden für den Bau von Hochwasserschutzanlagen die Möglichkeiten für beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren ausgeschöpft und bundesrechtliche Regelungen für den vorsorgenden Hochwasserschutz den Erfahrungen bei der Umsetzung der bereits bestehenden Regelungen angepasst. Neben Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sieht das Hochwasserschutzgesetz II zusätzlich Anpassungen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), im Baugesetzbuch (BauGB) und in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor.

1. Klarstellungen und Änderungen des WHG, die auf eine Beschleunigung der Verfahren zur Schaffung von Hochwasserschutzanlagen abzielen, Änderungen des BNatSchG und der VwGO

1.1 Einführung eines Vorkaufsrechts für Zwecke des Hochwasser- und Küstenschutzes

Mit § 99a WHG (neu) wird an Grundstücken, die für die Zwecke des Hochwasser- oder Küstenschutzes benötigt werden, ein Vorkaufsrecht für die Länder eingeführt. Das Vorkaufsrecht darf dabei nur ausgeübt werden, wenn dies aus Gründen des Hochwasser- oder Küstenschutzes erforderlich ist. Das Vorkaufsrecht bedarf nicht der Eintragung ins Grundbuch und kann auch zu Gunsten von Körperschaften und Stiftungen des öffentliches Rechts ausgeübt werden und geht rechtsgeschäftlichen und landesrechtlich begründeten Vorkaufsrechten mit Ausnahme solcher auf dem Gebiet des land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksverkehrs und des Siedlungswesens im Rang vor. Bei einem Eigentumserwerb auf Grund der Ausübung des Vorkaufsrechts erlöschen durch Rechtsgeschäft begründete Vorkaufsrechte. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts verweist § 99a WHG auf die Regelungen in §§ 463 ff. BGB. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt damit gem. § 464 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form. Damit kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.

1.2 Enteignungsrechtliche Regelungen, vorzeitige Besitzeinweisung

Bereits nach § 71 WHG (a.F.) konnte durch entsprechenden Ausspruch in einer Planfeststellung oder Plangenehmigung festgestellt werden, dass für die Durchführung des festgestellten oder genehmigten Plans die Enteignung zulässig ist (enteignungsrechtliche Vorwirkung). Im Übrigen wurde die Enteignung zu Gunsten von Maßnahmen des Gewässerausbaus bereits landesrechtlich allgemein zugelassen (vgl. z.B. Art. 56 BayWG). Die genannte Regelung bleibt in § 71 Abs. 1 WHG (neu) erhalten und wird durch eine Regelung in § 71 Abs. 2 WHG (neu) ergänzt, nach der die Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit zulässig ist, soweit sie zur Durchführung eines festgestellten oder genehmigten Plans notwendig ist, der dem Küsten- oder Hochwasserschutz dient, das Grundstück für den Küsten- oder Hochwasserschutz benötigt wird und andere einvernehmliche Lösungen der Eigentumsübertragung ausscheiden. Insoweit geht nunmehr diese bundesrechtliche Regelung der bisherigen landesrechtlichen Zulassung der Enteignung für einen Gewässerausbau zu Gunsten des Hochwasserschutzes vor. Eine besondere Feststellung der enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung oder Plangenehmigung durch gesonderten Ausspruch bedarf es dafür nicht. Der festgestellte oder genehmigte Plan für die Maßnahme des Küsten- oder Hochwasserschutzes ist für die Enteignungsbehörde bindend. Im Übrigen gelten die Enteignungsgesetze der Länder, in Bayern das Bayerische Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung (BayEG).

Für Eilfälle, in denen das Enteignungsverfahren nicht abgewartet werden kann, wird in § 71a WHG auch eine vorzeitige Besitzeinweisung ermöglicht, wenn der Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung vollziehbar ist, der Eigentümer eines Grundstücks, das für das Vorhaben benötigt wird, sich weigert, den Besitz durch Vereinbarung unter Vorbehalt aller Entschädigungsansprüche dem Träger des Vorhabens zu überlassen, und der sofortige Beginn von Bauarbeiten aus Gründen eines wirksamen Küsten- oder Hochwasserschutzes geboten ist.

1.3 Rückhalteflächenschutz, Bevorratung, Änderung des BNatSchG

Nach der Regelung in § 77 Satz 1 WHG sind Rückhalteflächen in faktischen Überschwemmungsgebieten zu erhalten. Nach § 77 Satz 2 WHG darf nur aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit unter Vornahme entsprechender Ausgleichsmaßnahmen von diesem Verbot abgewichen werden. Diese Regelungen bleiben als grundsätzliches Verbot und Zulassungsvoraussetzung eines privatnützigen Eingriffs in Rückhalteflächen in faktischen Überschwemmungsgebieten gem. § 77 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WHG (neu) aufrechterhalten. Die Regelung wird durch eine neue Bestimmung in § 77 Abs. 1 Satz 3 WHG (neu) zur Bevorratung von Rückhalteflächen ergänzt. Danach können Ausgleichsmaßnahmen nach § 77 Abs. 1 Satz 2 WHG (neu) auch Maßnahmen mit dem Ziel des Hochwasser- oder Küstenschutzes sein, die zum Zweck des Ausgleichs künftiger Verluste an Rückhalteflächen getroffen werden oder zugleich als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme nach § 15 Abs. 2 BNatSchG dienen oder nach § 16 Abs. 1 BNatSchG anzuerkennen sind. In § 77 Abs. 1 Satz 3 WHG (neu) wird damit klargestellt, dass die Kommunen die Möglichkeit einer vorsorglichen Bevorratung von Rückhalteflächen haben. Zum anderen stellt § 77 Abs. 1 Satz 3 WHG (neu) ausdrücklich klar, dass eine Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme nach § 16 Abs. 1 bzw. nach § 15 Abs. 2 BNatSchG zugleich Ausgleichsmaßnahme i.S.d. § 77 Abs. 1 Satz 2 (neu) WHG sein kann. In § 16 Abs. 1 BNatSchG wird in einem durch Art. 3 des Hochwasserschutzgesetzes II neu eingefügten Satz 2 klargestellt, dass die Voraussetzung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG, die Nichtinanspruchnahme öffentlicher Mittel, auf derartige Maßnahmen der Bevorratung von Rückhalteflächen, nicht anzuwenden ist. Durch diese Änderung in § 16 BNatSchG wird es einfacher, ein eigenes „Ökokonto“ für Maßnahmen des Hochwasserschutzes einzurichten, so dass auch diesbezüglich Maßnahmen bevorratet werden können. Das bisher in § 77 Satz 3 WHG geregelte Wiederherstellungsgebot von Rückhalteflächen wird nunmehr in § 77 Abs. 2 WHG (neu) übernommen.

1.4 Beschleunigung von Verwaltungsstreitverfahren

Für Klagen gegen Planfeststellungsverfahren für Maßnahmen des öffentlichen Hochwasserschutzes gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 VwGO (neu) nun nur noch ein zweistufiges Rechtsschutzverfahren (OVG bzw. VGH, BVerwG).

2. Materielle Änderungen des WHG zur Verbesserung des Hochwasserschutzes

Die bisherigen Regelungen zu besonderen Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete in § 78 WHG werden aus Gründen der Übersichtlichkeit auf zwei Paragrafen (§§ 78, 78aWHG) in bauliche Schutzvorschriften und sonstige Schutzvorschriften aufgeteilt. Wie bisher gelten diese Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete auch für vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete (vgl. § 78 Abs. 8 und § 78a Abs. 6 WHG neu). Neu eingeführt werden sog. Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten in § 78b WHG (neu), Verbote für die Errichtung und den Betrieb von Heizölverbraucheranlagen in Überschwemmungsgebieten und weiteren Risikogebieten in § 78c WHG (neu) und Regelungen zur Festsetzung von Hochwasserentstehungsgebieten in § 78d WHG (neu).

2.1 Bauliche Schutzvorschriften für festgesetzte oder vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete (§ 78 WHG neu)

Die Regelungen im neuen § 78 WHG (neu) beschränken sich auf die baulichen Schutzvorschriften in Überschwemmungsgebieten, die sich bisher in den Nr. 1 und 2 des § 78 Abs. 1 WHG (a.F.) befanden, sowie die zugehörigen Ausnahmen in den bisherigen Absätzen 2 und 3. § 78 Abs. 1 WHG (neu) enthält die bisherige Regelung eines Bauleitplanungsverbots in § 78 Abs. 1 Nr. 1WHG (a.F.), entsprechend der Rechtsprechung des BVerwG[5] konkretisiert für Bauleitpläne im Außenbereich. Die bisher in § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG (a.F.) enthaltene Ausnahme für Werften und Häfen findet sich nunmehr in § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG (neu) wieder.

§ 78 Abs. 1 Satz 2 WHG (neu) wurde um eine weitere Ausnahme vom Planungsverbot für solche Bauleitpläne ergänzt, die ausschließlich der Verbesserung des Hochwasserschutzes dienen (z.B., wenn vorhabenbezogene Bauleitpläne für Hochwasserschutzanlagen, insbesondere Deiche und Dämme, aufgestellt werden).

In § 78 Abs. 2 Satz 1 WHG (neu) werden durch wortgleiche Übernahme der bisherigen Regelung wie bisher die kumulativ notwendigen Voraussetzungen für Ausnahmen vom Bauleitplanungsverbot in Überschwemmungsgebieten geregelt. Es wird allerdings zusätzlich in Satz 2 klargestellt, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 3 bis 8, unter denen Ausnahmen vom planungsrechtlichen Bauverbot zugelassen werden können, die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen sind. Damit wird verdeutlicht, dass dem Planungsverbot drittschützende Wirkung zukommt. Diese Wirkung war bisher in der Rechtsprechung umstritten. Ein Teil der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat mangels ausdrücklicher Hinweise im Wortlaut und in der Begründung der bisherigen Vorschriften eine drittschützende Wirkung verneint. Diese Schutzlücke ist nun geschlossen, denn eine wirksame gerichtliche Kontrolle hängt von dieser Wirkung ab. Für diese Regelung sprechen nach Auffassung der Bundesregierung zwingende Gründe, weil jedenfalls die Gewährleistung eines schadlosen Wasserabflusses als Teilelement des Hochwasserschutzes auch dem Schutz von Individualinteressen, nämlich dem Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum der von dem jeweiligen Bauleitplan betroffenen Menschen, dient. Als Nachbarschaft sind dabei nicht nur die unmittelbaren Grundstücksnachbarn, sondern alle diejenigen anzusehen, deren verfassungsrechtliche Rechtsgüter durch die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung mehr als nur geringfügig beeinträchtigt sein könnten. Insbesondere im grenznahen Bereich können auch Bürgerinnen und Bürger aus anderen Staaten betroffen sein, weshalb auch diese von der Regelung erfasst werden. Diese Regelung eines Drittschutzes der Ausnahmeregelung für die Bauleitplanung, die auch für die Ausnahmeregelung zu Gunsten von Einzelbauvorhaben nach § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG (neu) gilt, wurde vom Bundesrat im Rahmen der Gesetzesberatungen vehement abgelehnt. Der Bundesrat hat aber letztlich auf einen Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Bundestages verzichtet.

In § 78 Abs. 3 WHG (neu) finden sich nunmehr Regelungen zum Bauen bzw. Überplanen im Innenbereich. Der bisherige § 78 Abs. 1 Nr. 1WHG (a.F.) enthielt ein Planungsverbot nur in „neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch“.[6] Die bisherige Vorschrift erfasste damit nur solche Flächen in festgesetzten Überschwemmungsgebieten, die erstmals einer Bebauung zugeführt werden sollen. Bloße Umplanungen, etwa die Änderung der Gebietsart eines bereits bestehenden Baugebiets, fallen nicht hierunter. Das BVerwG machte über den entschiedenen Fall hinaus auch deutlich, dass die Überplanung faktischer Baugebiete, d.h. die Überplanung bebauter Innenbereichslagen, für die kein qualifizierter Bebauungsplan existiert, nicht vom Planungsverbot erfasst ist. Bauliche Planungen in Hochwasserschutzgebieten im Innenbereich (insbesondere „Nachverdichtungen“) können aber ebenso wie Maßnahmen im Außenbereich letztlich zu einer signifikanten Erhöhung des Hochwasserrisikos führen. Nunmehr wird ausdrücklich klargestellt, dass insbesondere folgende Anforderungen im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen sind:

  • die Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf Ober- und Unterlieger,
  • die Vermeidung einer Beeinträchtigung des bestehenden Hochwasserschutzes und
  • die hochwasserangepasste Errichtung von Bauvorhaben.

Die Aufzählung der zur berücksichtigenden Belange ist beispielhaft und soll deutlich machen, dass diese drei Belange jedenfalls in der Abwägung zu berücksichtigen sind, im Einzelfall aber auch weitere Belange von Bedeutung sein können, z.B. die in § 78 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 und 9 WHG (neu) genannten Belange (z.B. der umfangs-, funktions- und zeitgleiche Ausgleich von verlorengehendem Rückhalteraum und insbesondere die hochwasserangepasste Bauausführung). Die erwähnten Belange sind bei der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bauleitplänen für Gebiete nach § 30 Abs. 1 und 2 oder § 34 BauGB (überplanter und nicht überplanter Innenbereich) zu berücksichtigen. § 78 Abs. 3 Satz 2 WHG (neu) erweitert den Anwendungsbereich auch auf sog. Innenbereichssatzungen (§ 34 Abs. 4 BauGB) und Außenbereichssatzungen (§ 35 Abs. 6 BauGB). § 78 Abs. 3 Satz 3 WHG (neu) stellt klar, dass die Wasserbehörde den Gemeinden die hierfür erforderlichen Unterlagen im Rahmen des Verfahrens der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 Satz 4 BauGB zur Verfügung zu stellen hat (vgl. dazu auch die zielgleiche Vorschrift in Art. 46 Abs. 1 Satz 4 BayWG). So wird sichergestellt, dass die Gemeinde eine sachgerechte Abwägung der oben genannten Belange vornehmen kann.

§ 78 Abs. 4 Satz 1 WHG (neu) führt das Bauverbot für Einzelbauvorhaben im bisherigen § 78 Abs. 1 Nr. 2 WHG (a.F.) inhaltlich unverändert fort. Nach § 78 Abs. 4 Satz 2 WHG (neu) gelten die bisherigen Ausnahmen (§ 78 Abs. 1 Satz 2 WHG) vom Bauverbot fort, allerdings ergänzt um Anlagen des Messwesens, die aus der Natur der Sache nur an bestimmten Stellen errichtet werden können. Nicht mehr in der allgemeinen Ausnahmeregelung enthalten sind „Handlungen, die für den Betrieb von zugelassenen Anlagen oder im Rahmen zugelassener Gewässerbenutzungen erforderlich sind“. Diese bisherige Regelung wurde auf Anregung des Bundesrates gestrichen, weil man dort keinen Anwendungsbereich für eine Freistellung dieser Handlungen in Bezug auf die Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen und in der Vollzugspraxis kein Bedürfnis und keine Anwendungsfälle sah. Offensichtlich wurde übersehen, dass die Errichtung von Benutzungsanlagen, die auch bauliche Anlagen sein können, und die durch wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen zugelassen werden „Handlungen im Rahmen zugelassener Gewässerbenutzungen“ darstellen, und nunmehr zusätzlich nach der Systematik des § 78 WHG (neu) einer Genehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG (neu) bedürfen.

§ 78 Abs. 5 WHG (neu) enthält die bisherigen Ausnahmeregelungen des § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG (a.F.) vom Bauverbot, wonach bei Vorliegen eines umfangs-, funktions- und zeitgleichen Rückhalteraumausgleichs, einer nicht nachteiligen Veränderung des Hochwasserabflusses, keiner Beeinträchtigung des bestehenden Hochwasserschutzes und einer hochwasserangepassten Bauausführung eine Ausnahmegenehmigung vom Bauverbot erteilt werden kann. Im Hinblick darauf, dass das Bauverbot als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen ist, ist die Regelung der Ausnahme in § 78 Abs. 5 WHG letztlich gesetzliche Grenzziehung dieser Eigentumsbeschränkung, so dass trotz der Formulierung der Regelung als repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eine Ausnahmegenehmigung bei Vorliegen der Tatbestände des § 78 Abs. 5 WHG erteilt werden muss[7]. Die Formulierung als repressives Verbot bewirkt jedoch, dass ein ohne Ausnahmegenehmigung begonnenes Vorhaben allein auf Grund des formalen Mangels der erforderlichen Genehmigung bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens eingestellt werden kann. Ergänzt wurde die Regelung in § 78 Abs. 5 Satz 1 durch einen neuen Satz 2, der eine nachbarschützende Wirkung des Bauverbots vergleichbar wie in § 78 Abs. 2 Satz 2 WHG (neu) für die Bauleitplanung festschreibt.

§ 78 Abs. 6 WHG (neu) entspricht dem bisherigen § 78 Abs.3 Satz 2 WHG, der die Errichtung und Erweiterung baulicher Anlagen allgemein zulässt, wenn diese in einem nach § 78 Abs. 2 WHG (neu) neu ausgewiesenen Baugebiet liegen und das Vorhaben den Vorgaben des Bebauungsplans entspricht oder nach der Bauart so beschaffen sind, dass die Einhaltung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG (neu) auch so gewährleistet sind. Letzteres kann insbesondere bei nach Art. 57 BayBO verfahrensfreien Bauvorhaben, soweit sie bei Hochwasser nicht verteidigt werden sollen, unterstellt werden (z.B. Buswartehäuschen oder Feldstadel).

Nach § 78 Abs. 7 WHG (neu) dürfen bauliche Anlagen der Verkehrsinfrastruktur, die nicht unter den Anwendungsbereich des § 78 Abs. 4 WHG (neu) fallen, nur hochwasserangepasst errichtet und erweitert werden. Damit werden insbesondere verkehrliche Vorhaben erfasst, die nicht Gegenstand eines Bauleitplans sind und vornehmlich in Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren zugelassen werden. Solche baulichen Anlagen dürfen nur hochwassersicher errichtet oder erweitert werden. Dies vermindert zum einen das Schadenspotenzial an verkehrlichen Infrastruktureinrichtungen wie Straßen oder Eisenbahnen im Hochwasserfall selbst, verhindert jedoch auch, dass sich die Hochwassergefahr durch solche Anlagen im Umkreis erhöht. Die Regelung bewirkt keine Privilegierung baulicher Anlagen der Verkehrsinfrastruktur, sondern eine Verschärfung im Vergleich zum derzeitigen Recht, das eine entsprechende Vorgabe nicht enthält.

§ 78 Abs. 8 WHG (neu) mit der Gleichstellung vorläufig gesicherter Überschwemmungsgebiete mit festgesetzten Überschwemmungsgebieten entspricht dem bisherigen § 78 Abs. 6 WHG (a.F.).

2.2 Sonstige Schutzvorschriften für festgesetzte oder vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete (§ 78a WHG neu)

Der neu eingefügte § 78a WHG (neu) übernimmt im Abs. 1 aus den bisherigen Regelungen der Schutzvorschriften für Überschwemmungsgebiete in § 78 Abs. 1 WHG (a.F.) unverändert die Verbote in § 78 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 (jetzt Nrn. 1 und 2) und Nrn. 6 bis 9 (jetzt Nrn. 5 bis 8) WHG (a.F.). Danach ist im Rahmen der Hochwasservorsorge die Errichtung von Mauern und Wällen quer zur Fließrichtung des Wassers bei Überschwemmungen, das Ablagern und Aufbringen wassergefährdender Stoffe auf dem Boden, die nicht nur kurzzeitige Lagerung von Gegenständen, das Erhöhen oder Vertiefen der Erdoberfläche, das Anlegen von Baum und Strauchpflanzungen, die Umwandlung von Grünland in Ackerland sowie die Umwandlung von Auwald in eine andere Nutzungsart verboten. In § 78a Abs. 1 Nr. 3 WHG (neu) wird nun auch die Lagerung von wassergefährdenden Stoffen außerhalb von Anlagen verboten. Damit wird gegenüber der bisherigen Regelung in § 78 Abs. 1 Nr. 4 WHG (a.F.) klargestellt, dass das Verbot der Lagerung auf die Lagerung außerhalb von solchen Anlagen beschränkt ist, die von der Verordnung über den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)[8] erfasst sind. In § 78a Abs. 1 Nr. 4 WHG (neu) wird gegenüber der bisherigen Regelung in § 78 Abs. 1 Nr. 5 WHG klargestellt, dass neben der Ablagerung, die dauerhaften Charakter hat, auch die nicht nur kurzfristige Lagerung von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern können oder die fortgeschwemmt werden können, verboten ist. Die Erfahrung aus zahlreichen Hochwasserlagen in den vergangenen Jahren hat gezeigt, dass bereits die nicht nur kurzfristige Lagerung von bestimmten Gegenständen an ungünstigen Stellen im Überschwemmungsgebiet zu erheblichen Gefahren und Schäden führen kann (z.B. Baumstämme oder Strohballen, die Bäche oder Unterführungen von Straßen und Bahnlinien verstopfen oder verklausen können). An nur kurzfristige Lagerungen werden zudem in § 78a Abs. 3 WHG weitergehende Handlungspflichten geknüpft.

§ 78a Abs. 1 Satz 2 WHG (neu) knüpft zum einen an die allgemeine Ausnahme in § 78 Abs. 1 Satz 2 WHG (a.F.) an, stellt jedoch auch klar, dass die Ausnahme auch für Maßnahmen zur Verbesserung oder Wiederherstellung des Wasserzuflusses oder des Wasserabflusses auf Rückhalteflächen gilt. Wie in § 78 Abs. 4 WHG (neu) wurde auch hier das „Messwesen“ in § 78a Abs. 1 Satz 2 WHG ergänzt. Die Ausnahme für „Handlungen, die für den Betrieb von zugelassenen Anlagen oder im Rahmen zugelassener Gewässerbenutzungen erforderlich sind“, bleibt dagegen anders als in § 78 Abs. 4 WHG (neu) erhalten.

§ 78a Abs. 2 Satz 1 und 2 WHG (neu) enthält in Übernahme der Regelungen in § 78 Abs. 4 Satz 1 und 2 WHG (a.F.) die Voraussetzungen, unter denen eine Ausnahme von den Verboten nach § 78a Abs. 1 WHG (neu) zugelassen werden kann. § 78a Abs. 2 WHG (neu) wird wie § 78 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 WHG (neu) durch Satz 3 dahingehend ergänzt, dass bei Prüfung der Ausnahmevoraussetzungen gem. § 78a Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 WHG (neu) – Hochwasserabfluss und die Hochwasserrückhaltung werden nicht wesentlich beeinträchtigt und eine Gefährdung von Leben und Gesundheit oder erhebliche Sachschäden sind nicht zu befürchten – auch die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen sind. Damit wird auch an dieser Stelle klargestellt, dass die entsprechenden Verbote des § 78a Abs. 1 WHG (neu) drittschützende Wirkung haben und Ausnahmen von diesen Verboten nur erteilt werden dürfen, wenn der Schutz von Individualgütern wie Leben, Gesundheit und Eigentum der Betroffenen ausreichend sichergestellt ist. Insbesondere im grenznahen Bereich können auch Bürgerinnen und Bürger aus anderen Staaten betroffen sein, weshalb auch diese von der Regelung erfasst werden.

§ 78a Abs. 3 WHG (neu) knüpft an das Verbot des Ablagerns oder des mehr als kurzfristigen Lagerns von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern oder die fortgeschwemmt werden können, an und regelt, dass im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Hochwassergefahr Gegenstände, die auf der Grundlage einer Ausnahmegenehmigung nach § 78a Abs. 2 Satz 1 WHG (neu) im Überschwemmungsgebiet abgelagert oder gelagert werden, unverzüglich aus dem Gefahrenbereich entfernt werden müssen. Durch die Regelung sollen aber auch nur kurzfristige Lagerungen, die insbesondere aus arbeitstechnischen Gründen (z.B. Lagerung von Strohballen kurz nach der Ernte oder von Baumstämmen kurz nach dem Einschlag) im Überschwemmungsgebiet erforderlich sind, ermöglicht werden. Gleichzeitig stellt die Regelung sicher, dass im unmittelbar bevorstehenden Gefahrenfalle diese Gegenstände gesichert oder entfernt werden, damit die damit verbundenen erheblichen Gefahren bzw. Schäden vermieden werden. Mehr als kurzfristig dürfte eine Lagerung von Gegenständen über mehr als sechs Monate sein. Handlungspflichtig im Gefahrenfall ist der für die Ablagerung oder Lagerung der Gegenstände Verantwortliche, letztlich derjenige, der als Besitzer die Gegenstände ins Überschwemmungsgebiet verbracht oder im Überschwemmungsgebiet gelagert hat. Kommt es im Hochwasserfall zu Schäden durch abgelagerte oder gelagerte Gegenstände, kommt eine Haftung der Besitzer nach § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. § 78a Abs. 3 WHG (neu) ist ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB, dessen Verletzung eine Schadensersatzpflicht auslösen kann. Eine etwaige Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB setzt ein Verschulden voraus, d.h. die Besitzer der Gegenstände, die abgelagert oder gelagert werden, müssen Kenntnis von der bevorstehenden Hochwassergefahr und ausreichend Zeit zur Reaktion haben. Im Falle plötzlich auftretender Hochwasser, die nicht durch den Deutschen Wetterdienst oder andere anerkannte Vorhersagedienste vorhergesagt werden konnten, scheidet damit eine Haftung der Besitzer betreffender Gegenstände mangels Verschulden aus.

Nach § 78a Abs. 4 WHG (neu) können in Überschwemmungsgebietsfestsetzungsverordnungen nach § 76 Abs. 2 WHG Maßnahmen nach § 78a Abs. 1 Satz 1 WHG (neu) allgemein zugelassen werden. Die Regelung entspricht damit dem bisherigen § 78 Abs. 4 Satz 3 WHG (a.F.).

§ 78a Abs. 5 Satz 1 WHG (neu) übernimmt wortgleich § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG (a.F.) und enthält damit ebenso wie bisher eine Ermächtigung zum Erlass von Vorschriften im Rahmen der Überschwemmungsgebietsfestsetzungsverordnung zum Erhalt oder zur Verbesserung der ökologischen Strukturen der Gewässer und ihrer Überflutungsflächen, zur Vermeidung oder Verringerung von Erosionen, zum Erhalt oder zur Gewinnung oder Rückgewinnung von Rückhalteflächen, zur Regelung des Hochwasserabflusses, zum hochwasserangepassten Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und zur Vermeidung von Störungen der Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung. Mit dem neuen § 78a Abs. 5 Satz 2 WHG (neu) werden die zuständigen Behörden ermächtigt, in Fällen der Eilbedürftigkeit die genannten Maßnahmen auch durch behördliche Entscheidungen (in der Regel Verwaltungsakte im Einzelfall oder Allgemeinverfügungen) zu erlassen. Anlagen der Verkehrsinfrastruktur können nicht durch behördliche Entscheidungen, sondern allein durch Erlass einer Rechtsverordnung geregelt werden.

Nach § 78a Abs. 6 WHG (neu) gelten die Vorschriften in § 78a Abs. 1 bis 5 WHG (neu) auch für vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiet, nach § 78a Abs. 7 WHG bleiben weitergehende Rechtsvorschriften der Länder unberührt. Damit findet unbeschadet der Regelung in § 78a WHG (neu) Art. 46 Abs. 5 BayWG als Ermächtigungsgrundlage, um Anordnungen für den Einzelfall zu treffen, die sich nicht auf die in § 78a Abs. 5 WHG enthaltenen Maßnahmen und auch nicht auf Fälle der Eilbedürftigkeit beschränken, weiter Anwendung. Auch Art. 46 Abs. 4 Halbsatz 2 BayWG mit seiner abweichenden Regelung zum Verbot des Grünlandumbruchs bleibt erhalten. Eine sog. Ping-Pong-Gesetzgebung zwischen Bund und Land wird damit vermieden.

2.3. Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten (§ 78b WHG neu)

2.3.1 Zweck und Begriff von Risikogebieten

Mit § 78b WHG (neu) wird eine neue Gebietskategorie für den vorbeugenden Hochwasserschutz in das WHG eingefügt. § 78b WHG (neu) legt besondere Regelungen für Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten fest. Nach § 78b Abs. 1 Satz 1 WHG (neu) sind Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten Gebiete, für die nach § 74 Abs. 2 WHG Gefahrenkarten und Risikokarten zu erstellen sind, die aber nicht als Überschwemmungsgebiete nach § 76 Abs. 2 und 3 WHG festgesetzt oder vorläufig gesichert sind. Das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 03.05.2005 (BGBl. I S. 1224) – Hochwasserschutzgesetz I – enthielt in § 31c WHG (a.F.) eine Rahmenregelung für sog. überschwemmungsgefährdete Gebiete. Mit der Umsetzung der EG-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie[9] durch das WHG 2010 ist diese Gebietskategorie jedoch weggefallen, weil der Gesetzgeber sie vom Begriff der Risikogebiete nach § 73 WHG ausreichend abgedeckt ansah. Es hat sich gezeigt, dass dadurch allerdings wirksame ordnungsrechtliche Instrumente fehlen, um für die Fälle, in denen Hochwasserschutzeinrichtungen versagen können, eine vorsorgende Planung und ein Mindestmaß an zumutbarer privater Vorsorge durchzusetzen. Die Risikogebiete nach § 73 WHG sind wichtige Managementinstrumente, aber ohne ordnungsrechtliche Verbindlichkeit.

§ 78b WHG (neu) trägt den Erfahrungen aus den Hochwasserereignissen der vergangenen Jahre Rechnung. Es hat sich dabei gezeigt, dass erhebliche Hochwasserschäden auch in Gebieten entstehen können, die erst bei einem Hochwasser überschwemmt werden, mit dem weniger als einmal in 100 Jahren zu rechnen ist, aber auch in Gebieten, die hinter Hochwasserschutzanlagen liegen, welche vor einem Hochwasser schützen sollen, mit dem mindestens einmal in 100 Jahren zu rechnen ist. Es ist daher erforderlich, dass auch in solchen Risikogebieten Maßnahmen der Hochwasservorsorge getroffen werden. In Zeiten des voranschreitenden Klimawandels, in denen auch großzügig bemessene Hochwasserschutzanlagen versagen können, ist die Durchsetzbarkeit von Anpassungsmaßnahmen zudem von immer größerer Bedeutung. Daher hat sich der Gesetzgeber entschlossen, in § 78b WHG Rechtsgrundlagen für Hochwasserschutzmaßnahmen auch in Risikogebieten außerhalb der Überschwemmungsgebiete zu schaffen. Anders als für die sog. überschwemmungsgefährdeten Gebiete wird jedoch keine neue Gebietskategorie geschaffen und es bedarf keiner neuen Ausweisung von Gebieten, sondern es kann auf die vorhandenen Risiko- und Gefahrenkarten nach § 74 Abs. 2 und 4 WHG zurückgegriffen werden. Um den Begriff des Risikogebietes näher zu bestimmen, wird in § 74 Abs. 2 Nr. 1 WHG ein „Hochwasser mit niedriger Wahrscheinlichkeit“ durch den Klammerzusatz „(voraussichtliches Wiederkehrintervall mindestens 200 Jahre)“ näher beschrieben. Es werden der jeweiligen Risikolage angepasste und angemessene Schutzmaßnahmen auch in Risikogebieten verlangt, die außerhalb der festgesetzten Überschwemmungsgebiete liegen. Damit wird insbesondere der Tatsache Rechnung getragen, dass es auch hinter einem Deich keinen absoluten Schutz vor Hochwasser gibt und entsprechende Vorsorge zu treffen ist.

2.3.2 Ausnahmen vom Risikogebiet

Nach § 78b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WHG (neu) sind keine Risikogebiete Gebiete, die überwiegend von Gezeiten beeinflusst sind, soweit durch Landesrecht nichts anders bestimmt ist. Die baulichen Beschränkungen nach § 78 b Abs. 1 Satz 2 WHG (neu) wären wohl in den tidebeeinflussten Gebieten unverhältnismäßig.

2.3.3 Bauliche Beschränkungen in Risikogebieten

Durch die Regelung in § 78 Abs. 1 Satz2 WHG (neu) werden bauliche Beschränkungen für Risikogenbiete eingeführt. Dabei wird in § 78 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 WHG zwischen dem bauplanungsrechtlich beplanten Innenbereich und dem unbeplanten Außenbereich unterschieden. § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WHG (neu) regelt, dass in Risikogebieten außerhalb von Überschwemmungsgebieten, zum Schutz vor einem solchen Hochwasserereignis bei der Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich sowie bei der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bauleitplänen in Gebieten nach § 30 Abs. 1 und 2 oder § 34 BauGB insbesondere der Schutz von Leben und Gesundheit und die Vermeidung erheblicher Sachschäden in der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigen sind. Damit ist es Sache der Kommunen, im Rahmen der Abwägung bei der Bauleitplanung in Risikogebieten den Hochwasserschutz sicherzustellen. Insbesondere sind, soweit erforderlich, in bestimmten Gebieten auch Anforderungen an das hochwasserangepasste Bauen auf Grund der erweiterten Möglichkeiten im Baurecht durch die im Rahmen des Hochwasserschutzgesetz II erfolgten Änderungen in § 1 Abs. 6 und § 9 Nr. 16 Buchst. c BauGB zu stellen. Dies sind jedoch nur Mindestvorgaben im Hinblick auf die einzubeziehenden Belange. § 78b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 2 WHG (neu) erweitert den Anwendungsbereich ebenso wie in § 78 Abs. 2 Satz 2 WHG auf Innenbereichssatzungen (§ 34 Abs. 4 BauGB) bzw. Außenbereichssatzungen (§ 35 Abs. 6 BauGB).

Nach § 78b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WHG (neu) sollen bauliche Anlagen außerhalb des von § 78b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WHG (neu) erfassten Bereichs (unbeplanter Innenbereich i.S.d. § 34 BauGB) nur nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik in einer dem jeweiligen Hochwasserrisiko angepassten Bauweise errichtet oder wesentlich erweitert werden. Die Vorschrift ist als „Soll“-Vorschrift formuliert, ein Verzicht auf eine hochwasserangepasste Bauweise ist damit im Einzelfall zu begründen. Mit der Einschränkung „soweit eine solche Bauweise nach Art und Funktion der Anlage technisch möglich ist“ wird klargestellt, dass die Forderung nach einer dem jeweiligen Hochwasserrisiko angepassten Bauweise keinem Bauverbot gleichkommen darf. Sollten bestimmte Anlagen unter Berücksichtigung von Art und Funktion der Anlage aus technischen Gründen nicht hochwasserangepasst ausgeführt werden können, gilt das Erfordernis der hochwasserangepassten Bauweise nicht. Darüber hinaus wird in § 78b Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 WHG klargestellt, dass bei den Anforderungen an das hochwasserangepasste Bauen auch die Lage des betroffenen Grundstücks zwingend zu berücksichtigen ist. Insbesondere wird damit verdeutlicht, dass die geforderten Maßnahmen vom möglichen Wasserstand bei einem Hochwasserereignis mit niedriger Wahrscheinlichkeit abhängen. Auch die mögliche Schadenshöhe ist zu berücksichtigen ist. Das bedeutet, dass die erforderlichen baulichen Maßnahmen unter Berücksichtigung des jeweiligen Hochwasserrisikos und dem jeweiligen drohenden Schadenspotenzial zu treffen sind. Sofern der zu erwartende Schaden bei geringem Hochwasserrisiko und/oder geringem Schadenspotenzial insgesamt sehr niedrig ist, kann es im Einzelfall auch möglich sein, dass keine speziellen Maßnahmen zum Hochwasserschutz erforderlich sind. Dies erfordert – wie auch bereits in den Überschwemmungsgebieten – immer auch eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls. Im Übrigen gilt auch hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach § 78b Abs. 2 WHG bleiben weitergehende Rechtsvorschriften der Länder unberührt. Die das Hochwasserschutzgesetz weiter ausführende Gesetzgebung Bayerns bleibt insoweit abzuwarten.

2.3.4 Abgrenzung zu den Anforderungen in Überschwemmungsgebieten

Die §§ 78, 78b WHG enthalten unterschiedliche Anforderungen an das Planen und Bauen im Überschwemmungsgebiet einerseits und im Risikogebiet andererseits. Die neuen Regelungen für Risikogebiete enthalten dabei eindeutig keine strengeren, sondern weitgehend deutlich mildere Regelungen als die Regelungen für Überschwemmungsgebiete. So gelten für Überschwemmungsgebiete Planungsverbote für den Außenbereich mit restriktiven Ausnahmen. Solche Verbote gibt es im Risikogebiet nicht. Zudem gelten im Überschwemmungsgebiet Bauverbote für den Innen- und Außenbereich. Für Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten werden weder Planungs- noch Bauverbote eingeführt. Sowohl in Überschwemmungsgebieten als auch in Risikogebieten ist jedoch im Innenbereich, bei der Abwägung gem. § 1 Abs. 7 BauGB der im Rahmen der Bauleitplanung gem. § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB zu berücksichtigenden Belange, die hochwasserangepasste Bauweise zu beachten. Bei Einzelbauvorhaben im unbeplanten Innenbereich sind die Maßgaben im Rahmen der Eigenvorsorge des Bauherrn zu beachten.

2.4 Hochwasserentstehungsgebiete

2.4.1 Begriff und Zweck

Die zunehmende Häufigkeit von Starkniederschlägen insbesondere in bestimmten Gebieten und Regionen ist eine Folge des voranschreitenden Klimawandels. Die Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltefähigkeit der Gebiete, in denen die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Starkniederschlägen mit einer z.B. durch starkes Gefälle geprägten Geländemorphologie, die einen schnellen Abfluss befördert, zusammentrifft, ist von großer Bedeutung für das Entstehen bzw. die Höhe von Hochwasser. Technische Hochwasserschutzmaßnahmen können die Wassermassen, die durch eine weitere Reduzierung des Wasserrückhalte- und Wasserversickerungsvermögen in diesen Gebieten (Flächenversiegelung, Umwandlung von Wald in Ackerland etc.) entstehen können, nicht ausgleichen. Zudem sollte der vorsorgende Hochwasserschutz im Sinne der Nachhaltigkeit Vorrang vor sehr kostenintensiven, rein technischen Maßnahmen haben. Deshalb ist es das Ziel der Regelung in § 78d WHG (neu), die Hochwassergefahr bereits in ihren Entstehungsgebieten, z.B. durch Aufforsten, zu minimieren.

§ 78d Abs. 1 WHG (neu) definiert den Begriff „Hochwasserentstehungsgebiete“. Hochwasserentstehungsgebiete sind Gebiete (z.B. in den Mittelgebirgs- und Hügellandschaften, aber auch im Hochgebirge, in denen es, anthropogen im Wesentlichen unbeeinflusst, auf Grund der Morphologie [z.B. Fels] oder des Reliefs [z.B. starke Hangneigung] ein natürlicherweise nur eingeschränktes Wasserversickerungs- und -rückhaltevermögen gibt), in denen es bei Starkniederschlägen oder bei Schneeschmelze in kurzer Zeit zu starken oberirdischen Abflüssen kommt und hierdurch eine Hochwassergefahr in den oberirdischen Gewässern ausgelöst wird, die zu einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (sprich Leib und Leben sowie bedeutende Sachwerte) führen kann. Diese Gebiete können wie Überschwemmungsgebiete nunmehr durch Rechtsverordnung festgesetzt werden (siehe § 78d Abs. 2 Satz 2 WHG neu). Durch die Ausweisung von Hochwasserentstehungsgebieten und den damit verbundenen Nutzungsregelungen soll der Wasserrückhalt in der Fläche verbessert werden.

2.4.2 Festlegung von Hochwasserentstehungsgebieten

Nach § 78d Abs. 2 Satz 1 WHG (neu) können die Länder Kriterien für das Vorliegen eines Hochwasserentstehungsgebietes festlegen. Den Ländern steht dabei ein Ermessen zu.

Die Festsetzung von Kriterien für Hochwasserentstehungsgebiete ist als „kann“-Bestimmung geregelt und nicht vergleichbar mit der Erstellung von Gefahrenkarten oder der Festsetzung von Überschwemmungsgebieten. In diesen beiden Fällen gibt es klare wissenschaftlich-technische Vorgaben zur Ermittlung der Ausdehnung der Gebiete und es ist eine Frist gesetzt, bis zu der die Länder verpflichtet waren, zu handeln (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 2 WHG). Für die Festsetzung werden in § 78d Abs. 2 Satz 2 WHG (neu) die wichtigsten Kriterien in allgemeiner Form bereits genannt. Im Rahmen der hydrologischen und topographischen Gegebenheiten sind insbesondere das Verhältnis Niederschlag zu Abfluss, die Bodeneigenschaften, die Hangneigung, die Siedlungsstruktur und die Landnutzung zu berücksichtigen. Neben den Bodeneigenschaften spielt der Niederschlag eine große Rolle, daher müssen die identifizierten Flächen in einem Gebiet liegen, in dem es überdurchschnittlich häufig zu hochwasserauslösenden Niederschlägen kommt. Auf Grund der Kriterien, die die Länder weiter zu konkretisieren haben, kann gem. § 78d Abs. 2 Satz 3 WHG (neu) die Landesregierung oder die durch Gesetz bestimmte Landesbehörde die Hochwasserentstehungsgebiete durch Rechtsverordnung rechtswirksam festzusetzen. Auch für die Festsetzung von Hochwasserentstehungsgebieten steht damit den zuständigen Behörden ein Ermessen zu.

2.4.3 Rechtsfolgen der Festsetzung eines Hochwasserentstehungsgebietes

In durch Rechtsverordnung festgelegten Hochwasserentstehungsgebieten werden durch § 78d Abs. 3 bis 6 WHG (neu) besondere Gebote oder Verbote sowie Genehmigungspflichten festgelegt, um die Entstehung eines Hochwassers soweit als möglich zu verhindern.
Hierzu legt § 78 Abs. 3 WHG (neu) als allgemeinen Grundsatz fest, dass in den Hochwasserentstehungsgebieten zur Vermeidung oder Verringerung von Gefahren durch Hochwasser das Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltevermögen zu erhalten oder zu verbessern ist. Beispielhaft werden hier Maßnahmen der Bodenentsiegelung und der Aufforstung genannt. Die jeweils wirksamsten und angemessenen Maßnahmen können nur im Einzelfall festgelegt werden. Anlagen der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur sind von dieser Regelung ausgenommen.

§ 78d Abs. 4 WHG (neu) sieht in den festgesetzten Hochwasserentstehungsgebieten eine zusätzliche Vorkontrolle in Form einer Genehmigungspflicht für bestimmte Vorhaben vor, die zu einer Erhöhung des Hochwasserrisikos in signifikanter Weise beitragen können. Dies gilt nach § 78d Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 WHG (neu) für die Versiegelung von Flächen ab einer Größe von 1.500 m², für den Bau neuer Straßen, die Beseitigung von Wald oder die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart oder die Umwandlung von Grünland in Ackerland. Die Genehmigungspflicht nach § 78d Abs. 4 Nr. 1 WHG (neu) gilt auch dann, wenn im Fall der Änderung (wesentliche Erweiterung) die Änderung selbst die Schwelle von 1.500 m² nicht erreicht, diese Schwelle aber durch bereits vorhandene Versiegelung erstmals überschritten wird (Stichwort: Verhinderung von „Salami-Taktik“). Für die Erteilung der Genehmigung wird durch § 78d Abs. 4 Satz 2 WHG (neu) nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach Antragstellung eine Fiktion eingeführt, die durch die zuständige Behörde gem. § 78d Abs. 4 Satz 3 WHG (neu) einmalig um zwei Monate verlängert werden kann. Soweit für die in § 78d Abs. 4 Satz 1 WHG (neu) genannten Vorhaben andere Zulassungsverfahren erforderlich sind (z.B. nach Straßenrecht oder Bauordnungsrecht) ist über die Genehmigung nach § 78d Abs. 4 Satz 1 WHG (neu) im Rahmen dieser Zulassung im Benehmen mit der zuständigen Wasserbehörde zu entscheiden.

Die Regelungen in § 78d Abs. 5 und 6 WHG (neu) sollen sicherstellen, dass eine weitere Verschlechterung, insbesondere der Bodenbeschaffenheit und Topographie im Hochwasserentstehungsgebiet, ausgeschlossen wird. Nach § 78d Abs. 5 WHG (neu) ist bei Zulassung eines einzelnen Vorhabens sicherzustellen, dass die Beeinträchtigung des Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltevermögens so weit wie möglich vermieden wird und – falls dies nicht möglich ist – diese Beeinträchtigungen durch Maßnahmen wie das Anlegen von Wald oder die Schaffung von Rückhalteräumen im festgesetzten Hochwasserentstehungsgebiet angemessen ausgeglichen werden. § 78d Abs. 5 Satz 3 WHG (neu) enthält eine Ausnahme für öffentliche Verkehrsinfrastrukturvorhaben, da davon auszugehen ist, dass den Anforderungen nach § 78d Abs. 4 Satz 1 WHG (neu) im Rahmen der Abarbeitung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gem. § 17 Abs. 1 BNatSchG vollumfänglich Genüge getan wird, wobei auch davon auszugehen ist, dass hierbei keine neuen Bewertungsverfahren hinsichtlich des Wasserversickerungs- bzw. Wasserrückhaltevermögens entwickelt werden müssen. § 78d Abs. 5 Satz 2 WHG (neu) stellt durch Verweis auf die neu in § 77 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WHG (neu) eingefügte Regelung klar, dass der nach § 78d Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WHG (neu) erforderliche Ausgleich auch eine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme nach Bundesnaturschutzgesetz sein kann. § 78d Abs. 6 WHG (neu) enthält wie § 78 Abs. 4 Satz 1 WHG (neu) gesonderte Vorgaben für die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB im Rahmen der Ausweisung neuer Baugebiete in Hochwasserentstehungsgebieten durch die kommunalen Planungsträger. So ist besonders die Vermeidung von Beeinträchtigungen des Wasserversickerungs- oder Wasserrückhaltevermögens wie auch der Ausgleich von Beeinträchtigungen durch Anlegen von Wald oder Schaffung von Rückhalteräumen im Hochwasserentstehungsgebiet bauleitplanerisch zu berücksichtigen. Die Aufzählung in § 78d Abs. 6 Satz 1 WHG (neu) ist beispielhaft und muss im Einzelfall z.B. durch Maßnahmen zur Entsiegelung von Flächen ergänzt werden. Der Begriff des „neuen Baugebiets“ ist auch hier im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG[10], d.h. neues Baugebiet im Außenbereich, zu verstehen. § 78d Abs. 7 WHG (neu) sieht vor, dass weitergehende Rechtsvorschriften der Länder unberührt bleiben.

2.5 Heizölverbraucheranlagen in Überschwemmungsgebieten und weiteren Risikogebieten

2.5.1 Zweck der Regelung

Die Schäden an und durch Ölheizungen machen einen großen Teil der Schadensumme eines Hochwassers aus. Vergangene Hochwasserereignisse haben gezeigt, dass bis zu 70% der Sachschäden an Gebäuden durch ausgetretenes Heizöl verursacht wurden. Dringt Öl ins Mauerwerk ein, ist dieses oft vollständig kontaminiert. Das Gebäude kann dann nur noch aufwendig saniert oder muss gar komplett abgerissen werden. Das mit Öl verseuchte Wasser steht zudem in den betroffenen Regionen teilweise wochenlang und fließt nicht ab und führt damit auch zu schädlichen Auswirkungen für die Umwelt. Zielsetzung des § 78c WHG (neu) ist es, diese immensen Schäden zu verringern.

2.5.2 Verbot der Errichtung neuer Heizölverbraucheranlagen in Überschwemmungsgebieten

Nach § 78c Abs. 1 Satz 1 WHG (neu) ist die Errichtung neuer Heizölverbraucheranlagen in festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten verboten. Der Begriff der „Heizölverbraucheranlage“ wird in § 78c WHG (neu) nicht bestimmt, so dass auf andere Inhaltsbestimmungen zurückgegriffen werden muss. „Heizölverbraucheranlagen“ sind nach § 2 Abs. 11 AwSV[11] Lageranlagen und im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und öffentlicher Einrichtungen auch Verwendungsanlagen, die dem Beheizen oder Kühlen von Wohnräumen, Geschäfts- und sonstigen Arbeitsräumen oder dem Erwärmen von Wasser dienen, deren Jahresverbrauch an Heizöl leicht (Heizöl EL), an anderen leichten Heizölen mit gleichwertiger Qualität, an flüssigen Triglyceriden oder an flüssigen Fettsäuremethylestern 100 Kubikmeter nicht übersteigt und deren Behälter jährlich höchstens viermal befüllt werden. Notstromanlagen stehen Heizölverbraucheranlagen gleich. Damit werden größere Anlagen oder Anlagen, die öfters als viermal pro Jahr befüllten werden, von dieser Begriffsbestimmung nicht umfasst. Im Hinblick auf den Zweck der Regelung in § 78c WHG (neu) wäre das jedoch kontraproduktiv, zumal es sich dabei um Anlagen mit einem höheren Gefährdungspotential handelt. Zweck der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 11 AwSV ist es auch, die dort genannten Heizölverbraucheranlagen, die sich millionenfach im privaten Gebrauch befinden, zu privilegieren und strengere Anforderungen nach den üblichen Anforderungen des AwSV, insbesondere für den zugehörigen Abfüllplatz, zu vermeiden. Der Begriff der Heizölverbraucheranlage in § 78c Abs. 1 Satz 1 WHG (neu) wird deshalb auf alle Lageranlagen, im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und öffentlicher Einrichtungen auch Verwendungsanlagen, die dem Beheizen oder Kühlen von Wohnräumen, Geschäfts- und sonstigen Arbeitsräumen oder dem Erwärmen von Wasser unter Gebrauch der genannten Brennstoffe dienen, anzuwenden sein.

Ausnahmen von dem Verbot können nach § 78c Abs. 1 Satz 2 WHG (neu) von der zuständigen Behörde erteilt werden, wenn weniger wassergefährdende Energieträger (z.B. Flüssiggas oder leitungsgebundenes Erdgas) nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten zur Verfügung stehen und die Heizölverbraucheranlage hochwassersicher errichtet wird. Die beiden genannten Ausnahmetatbestände müssen kumulativ vorliegen.

Nach § 78c Abs. 2 Satz 1 WHG (neu) ist die Errichtung neuer Heizölverbraucheranlagen auch in Gebieten nach § 78b Abs. 1 Satz 1 WHG (Risikogebiete außerhalb von festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten) verboten, wenn andere weniger wassergefährdende Energieträger (z.B. Flüssiggas oder leitungsgebundenes Erdgas) zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten zur Verfügung stehen oder die Anlage nicht hochwassersicher errichtet werden kann. Nach § 78b Abs. 2 Satz 2 WHG (neu) besteht allerdings zur Erleichterung der Verfahren in diesen Gebieten keine Zulassungspflicht, sondern es reicht eine Anzeige gegenüber der zuständigen Behörde aus, die spätestens sechs Wochen vor Errichtung vorliegen muss. Die Behörde kann dann innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Anzeige die Errichtung untersagen oder Auflagen an die Hochwassersicherheit festlegen ansonsten kann die Anlage wie geplant errichtet werden.

§ 78c Abs. 3 Satz 1 WHG (neu) enthält Nachrüstpflichten für Heizölverbraucheranlagen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Hochwasserschutzgesetzes II zum 05.01.2018 in festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten bereits vorhanden waren. Sie müssen vom Betreiber bis zum 05.01.2023 nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik hochwassersicher nachgerüstet werden. In Risikogebieten außerhalb von festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten ist die Nachrüstpflicht bis zum 05.01.2033 zu erfüllen. Die Nachrüstmaßnahmen in sonstigen Risikogebieten müssen aber wirtschaftlich vertretbar sein, d.h. dass die Kosten nicht den Nutzen zu Gunsten des Hochwasserschutzes übersteigen dürfen. Ausschließlich aus Gründen des Bestandsschutzes werden zur Nachrüstung von Heizölverbraucheranlagen die im Gesetz vorgesehenen langen Übergangsfristen gewährt. Wird jedoch eine in den Anwendungsbereich nach § 78c Abs. 3 Sätze 1 und 2 WHG (neu) fallende Heizölverbraucheranlage wesentlich geändert, so ist diese zum Änderungszeitpunkt hochwassersicher nachzurüsten (vgl. § 78c Abs. 3 Satz 3 WHG neu).

Die Verpflichtungen nach § 78c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 WHG (neu) sind nach § 103 Abs. 1 Nr. 18 und 19 WHG (neu) mit Bußgeld bewehrt.

3. Änderung des BauGB und des BNatSchG

Wie das Hochwasserschutzgesetz I[12] ändert auch Art. 2 des Hochwasserschutzgesetzes II[13] das Baugesetzbuch und verschärft damit die Regelungen für die Ausübung des Planungsermessens in Hinblick auf die erforderliche Berücksichtigung von Belangen des vorsorgenden Hochwasserschutzes bei der Ausweisung neuer oder der Überplanung bestehender Baugebiete. Nach Art. 2 Nr. 1 des Hochwasserschutzgesetzes II werden in § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes durch die beispielhafte Aufzählung der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden näher konkretisiert. Damit ist bei Ausübung des Planungsermessens ausdrücklich auf diese Gesichtspunkte mit einzugehen, die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden ist in die Abwägung der privaten und öffentlichen Belange gem. § 1 Abs. 7 BauGB mit einzustellen. Die Regelungen des § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB knüpfen anders als die baulichen Schutzvorschriften in § 78 WHG (neu) nicht an das Vorhandensein von festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten oder an das von Risikogebieten in § 78b WHG (neu) an, sondern enthalten eine allgemeine Pflicht zur Berücksichtigung und Abwägung der Belange des vorsorgenden Hochwasserschutzes auch außerhalb dieser Gebiete, soweit sich aus dem Umfeld des zu überplanenden Gebietes dafür ein Anlass ergibt. Dies gilt insbesondere für Planungen im Wirkbereich von Gewässern, für die keine Hochwassergefahren- und -risikokarten gem. § 74 WHG erarbeitet worden sind und damit für den weitaus überwiegenden Anteil der Gewässer in Bayern, insbesondere für Gewässer dritter Ordnung, für die die Gemeinden auch Träger der Ausbau- und Unterhaltungslast sind (vgl. Art. 22, 39 BayWG). Um eine nachvollziehbare Ausübung des Planungsermessens im Hinblick auf die Vermeidung und Verringerung von Hochwassergefahren vornehmen zu können, müssen an diesen Gewässern im Rahmen der Grundlagenermittlung für die Aufstellung eines Bauleitplans entsprechende Untersuchungen zur Hochwassergefahr und zum Hochwasserrisiko angestellt werden. Den Gemeinden steht hierzu unterstützend die Regelung in Art. 46 Abs. 1 Satz 4 BayWG zur Seite, wonach die Wasserwirtschaftsämter verpflichtet sind, vorhandene Erkenntnisse zur Hochwassergefahr im Plangebiet den Gemeinden kostenlos zur Verfügung zu stellen. Art. 46 Abs. 1 Satz 4 BayWG enthält aber keine Ermittlungspflicht der Hochwassergefahr und des -risikos durch die Wasserwirtschaftsämter zu Gunsten der planenden Gemeinden. Eine derartige Verpflichtung kann auch nicht aus der Stellung der Wasserwirtschaftsämter als Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 BauGB abgeleitet werden. Fehlen entsprechende planerische Abwägungen bei Aufstellung eines Bauleitplans, ist dieser rechtswidrig und nichtig. Der Begriff des Hochwassersschutzes und der Hochwasservorsorge in § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB umfasst anders als die Regelungen in §§ 78 ff. WHG (neu) auch Hochwässer durch wildabfließendes Wasser nach Starkregenereignissen, da insoweit eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Gewässer i.S.d. § 2 Abs. 1 WHG (vgl. auch Nr. 3.7.1 VVWas; zur VVWas insgesamt vgl. Drost, Die neue Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wasserrechts – VVWas)[14] bauplanungsrechtlich fehlt.

Wie bereits festgesetzte Überschwemmungsgebiete sollen nach entsprechender Änderung der §§ 5 Abs. 4a und 9 Abs. 6a BauGB Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten und Hochwasserentstehungsgebiete im Flächennutzungsplan oder im Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden. Für die Aufstellung von Bebauungsplänen wird § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB geändert. Dabei wird die bisherige Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB in die Buchstaben a bis d unterteilt, wobei die Buchstaben c und d Neuregelungen enthalten. Die Gemeinden erhalten mit Buchstabe c eine neue Festsetzungsmöglichkeit, um Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich der Schäden durch Starkregen getroffen werden müssen, im Bebauungsplan zu bezeichnen, um damit den Gegebenheiten, insbesondere in Überschwemmungsgebieten, Rechnung tragen zu können. Die Gemeinden können nun bspw. Festsetzungen zur Verwendung bestimmter Bauteile oder Baustoffe treffen, die größere Schäden bei Hochwasser vermeiden oder verringern sollen. Mit der Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Nr. 16 Buchst. d BauGB (neu) können auf Baugrundstücken Flächen für die natürliche Versickerung des Niederschlagswassers zugunsten des Hochwasserschutzes freigehalten werden. Das kann z.B. notwendig sein, wenn Flächen mit Parkplätzen versiegelt werden sollen. 

4. Inkrafttreten

Die neuen Vorgaben in § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB zur Berücksichtigung der Belange der Hochwasservorsorge und des Hochwasserschutzes im Rahmen der Ausübung des bauleitplanerischen Ermessens sind bereits am 06.07.2017 in Kraft getreten. Die übrigen Vorschriften der Hochwasserschutzgesetzes II traten am 05.01.2018 in Kraft.

Net-Dokument: BayRVR2018012501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

Titelfoto/-abbildung: (c) Luftbildfotograf – Fotolia.com  

Anmerkung der Redaktion

Ministerialrat a.D. Ulrich Drost war Leiter des Referats Wasserrecht im vormaligen Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit und ist Autor zahlreicher Fachbücher zum im Bund und im Freistaat geltenden Wasserrecht mit seinen europäischen Bezügen.

Wasserrechtliche Beiträge des Autors auf einen Blick: hier – darunter etwa


[1] Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) v. 30.06.2017 (BGBl. I S. 2193).

[2] Gesetz vom 03.05.2005 (BGBl. I S. 1224) (Hochwasserschutzgesetz I), In Kraft getreten am 10.05.2005.

[3] Gesetz vom 31.07.2009 (BGBl. I S. 2585).

[4] Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (ABl. L 288 vom 6.11.2007 S. 27).

[5] BVerwG, Urt. v. 03.06.2014 – 4 CN 6.12.

[6] Zum Begriff vgl. BVerwG, Urt. v. 03.06.2014 – 4 CN 6.12 (Rn. 12-15).

[7] Vgl. Erläuterungen in Drost/Ell, Das neue Wasserrecht in Bayern, Rdnr. 48 zu § 78 WHG (a.F.).

[8] Verordnung über den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vom 18.04.2017 (BGBl. I S. 905).

[9] Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (ABl. L 288 vom 6.11.2007 S. 27).

[10] Vgl. BVerwG, Urt. v. 03.06.2014 – 4 CN 6.12, Rdnr. 12 -15

[11] Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) vom 18.04.2017 (BGBl. I S. 905).

[12] Gesetz vom 03.05.2005 (BGBl. I S. 1224) (Hochwasserschutzgesetz I), In Kraft getreten am 10.05.2005.

[13] Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II) vom 30.06.2017 (BGBl. I S. 2193).

[14] Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wasserrechts vom 27.01.2014 (AllMBl S. 57).