Gesetzgebung

Staatsregierung: Entwurf für ein Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) eingebracht

Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/20425 v. 30.01.2018). Dieser sieht die Umsetzung europäischer Vorgaben im Bereich der Bayerischen Polizei (RL [EU] 2016/680) vor sowie die Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben, insbesondere aus dem sog. BKAG-Urteil des BVerfG (Stichworte insoweit z.B.: Einfügung weiterer Richtervorbehalte, explitzite Regelung des Einsatzes von Vertrauenspersonen; hypothetische Datenneuerhebung). Darüber hinaus bringt der Gesetzentwurf eine Ausweitung polizeilicher Befugnisnormen (Stichworte insoweit z.B.: Einfügung der Gefahrenkategorie der drohenden Gefahr für bedeutende Rechtsgüter für weitere Eingriffsbefugnisse; Möglichkeit präventiver DNA-Nutzung; Einsatz intelligenter Videotechnik; Ermöglichung des Einsatzes von Explosivmitteln). Der Gesetzentwurf sieht neben Änderungen des PAG u.a. auch Änderungen des POG, des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes (PKGG), des LStVG (Erleichterung der Voraussetzungen und Erweiterung des zeitlichen Anwendungsbereichs für gemeindliche Alkoholverbotsverordnungen) und des BayDSG vor.

Grund für die Gesetzesinitiative

Problem

Die Richtlinie (EU) 2016/680 vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (RiLi) ist für den Bereich der Bayerischen Polizei bis Mai 2018 in nationales Recht umzusetzen. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), insbesondere mit Urteil vom 20.04.2016, Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09 (BKAG-Urteil), seine Rechtsprechung zu den verfassungsgerichtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung polizeilicher Eingriffsbefugnisse weiterentwickelt und präzisiert. Zudem bedarf es einer weiteren, dem Stand der Technik entsprechenden Ergänzung und noch effektiveren Ausgestaltung wichtiger polizeilicher Befugnisnormen.

Lösung

1. PAG

Im Polizeiaufgabengesetz (PAG) erfolgen insbesondere folgende Ergänzungen und Änderungen:

a) Umsetzung der RiLi

Leitlinie der Umsetzung der o.a. RiLi, die in enger Abstimmung mit der geplanten Novellierung des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG-E) erfolgt, ist, auch künftig die für die Anwendung polizeilicher Befugnisnormen unmittelbar einschlägigen, speziellen Regelungen im PAG selbst zu treffen. Dies gilt etwa für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die besonders geschützten Kategorien angehören, umfänglichere Hinweis- und Belehrungspflichten und die Einführung umfassenderer Rechte betroffener Personen zur Datenlöschung und -berichtigung sowie hinsichtlich der Auskünfte zu gespeicherten Daten.

Das geplante BayDSG-E wird für die Polizei neben punktuell ergänzenden weiteren Regelungen – in etwa vergleichbar wie bisher – vor allem z.B. hinsichtlich der Stellung des Landesbeauftragten für den Datenschutz und der behördlichen Datenschutzbeauftragten oder für den Bereich der Datenauftragsverwaltung und der Datensicherheit in besonderer Weise einschlägig sein. Überdies gelten die Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung – DSGVO), die zusammen mit der RiLi das sogenannte EU-Datenschutzpaket bildet, sowie die auf die Verordnung bezogenen Regelungen des BayDSG-E für bestimmte Bereiche polizeilicher Tätigkeit unmittelbar, die wie etwa reines Verwaltungshandeln von vornherein in keinem Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr und der Verhütung oder Unterbindung von Straftaten stehen.

b) Anpassung an die verfassungsrechtlichen Maßgaben des BKAG-Urteils

Die Anpassung an die Maßgaben der neueren Rechtsprechung des BVerfG, vor allem aus dem o. a. Urteil, erfolgt im Wesentlichen im 2. Unterabschnitt (Besondere Befugnisse und Maßnahmen der Datenerhebung) des III. Abschnitts (Datenverarbeitung).

Wichtig sind hier etwa die Einführung von weiteren Richtervorbehalten und explizite Regelungen betreffend Vertrauenspersonen im PAG. Zugleich werden in diesem Unterabschnitt verstärkte Anforderungen unter anderem an die Zweckbindung und weitere Verarbeitung von Daten, die durch eingriffsintensive Maßnahmen gewonnen wurden (hypothetische Datenneuerhebung), zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und hinsichtlich Protokollierungen und Benachrichtigungspflichten geregelt.

Zugleich wird geregelt, dass dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bayerischen Landtags jährlich über das Gebrauchmachen von im Wesentlichen allen Befugnissen zur verdeckten Datenerhebung zu berichten ist. Ferner ist entsprechend den Maßgaben des BVerfG in jährlichem Turnus auch eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Anzahl der Maßnahmen vorgesehen.

c) Ergänzung polizeilicher Befugnisnormen

Hier ist unter Berücksichtigung der unter den Buchst. a und b dargestellten Maßgaben unter anderem die Einfügung der Gefahrenkategorie der drohenden Gefahr für bedeutende Rechtsgüter (vgl. Art. 11 Abs. 3 PAG) konsequenter Weise auch in weitere, im BKAG-Urteil vorgezeichnete Befugnisse vorgesehen. Daneben soll für begründete Einzelfälle die Möglichkeit der präventiven DNA-Nutzung unter grundsätzlichem Richtervorbehalt explizit geregelt werden. Um der fortschreitenden technischen Entwicklung gerecht zu werden, werden ferner die bestehenden Bestimmungen zu Durchsuchungen um eine rechtsklare Regelung für von elektronischen Speichermedien aus abrufbare Datenbestände, etwa in einer Cloud, ergänzt. Die Bestimmungen zur offenen Videografie werden um Regelungen für Aufnahmen und Übersichtsaufzeichnungen bei großen oder unübersichtlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen, für den Einsatz u. a. von sog. Bodycams, einschließlich des Einsatzes in Wohnungen, und Vorschriften und Vorgaben zum Einsatz intelligenter Videotechnik zur Muster- und ggf. Personenerkennung ergänzt. Weitere Änderungen betreffen etwa die Einführung der Möglichkeit einer präventiven, richterlich angeordneten und überwachten Postsicherstellung unter strengen Voraussetzungen, ähnlich, wie diese künftig auch im BKAG enthalten ist, ferner die ausdrückliche Regelung des Einsatzes von unbemannten Luftfahrtsystemen (Drohnen) und, in Ansehung der Erfahrungen mit der Bekämpfung schwerbewaffneter Terrorzellen in Frankreich und Belgien sowie mit Terroranschlägen, bei denen schwere Fahrzeuge wie Lkw als Tatmittel verwendet wurden, die Ermöglichung des Einsatzes von Explosivmitteln – ähnlich der künftig vorgesehenen Regelung in Baden-Württemberg.

2. POG

Im Polizeiorganisationsgesetz (POG) ist neben formalen Anpassungen an die RiLi vor allem die Schaffung einer neuen unabhängigen Stelle für einen zielgerichteten, effektiven Schutz namentlich von Kernbereichsdaten in den im BKAG-Urteil angesprochenen Fällen vorgesehen.

3. SWG

Im Sicherheitswachtgesetz (SWG) sind kleinere, insbesondere harmonisierende Anpassungen der dortigen Datenschutzregelung sowie weniger weiterer Bestimmungen veranlasst.

4. PKGG

Das Parlamentarische Kontrollgremium-Gesetz (PKGG) ist punktuell an die geänderten Regelungen im PAG zur Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums anzupassen.

5. LStVG

Im Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) ist vor allem die Erleichterung der Voraussetzungen und Erweiterung des zeitlichen Anwendungsbereichs für gemeindliche Alkoholverbotsverordnungen vorgesehen.

6. BayDSG

Im Bayerischen Datenschutzgesetz (BayDSG) ist in Anlehnung an die Regelung im neugefassten Bundeskriminalamtgesestz (BKAG) eine ausdrückliche Vorschrift zur Speicherung von DNA-Identifizierungsmustern zur Erkennung von DNA-Trugspuren vorgesehen.

Begründung des Gesetzentwurfs – Allgemeiner Teil

Einer der Kernpunkte des PAG-Neuordnungsgesetzes ist, die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (RiLi) für den Bereich der Bayerischen Polizei in nationales Recht umzusetzen.

Weiterer Hauptpunkt ist die Anpassung an die sich mittelbar auswirkenden Maßgaben der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere in dessen Urteil vom 20. April 2016, Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09 (BKAG-Urteil).

Daneben wird die mit dem Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen (Drs. 17/16299) erfolgte Novellierung zeitnah fortgeführt, was die dem Stand der Technik entsprechende Ergänzung und noch effektivere Ausgestaltung wichtiger weiterer polizeilicher Instrumentarien betrifft, um auf die aktuelle Gefährdung durch vielfältige Formen des Terrorismus, Extremismus, aber auch durch anderweit motivierte gewichtige Bedrohungslagen bis hin zu Cyberangriffen reagieren zu können.

Hierzu bedarf es umfänglicher Ergänzungen des Polizeiaufgabengesetzes sowie punktueller Anpassungen des Polizeiorganisationsgesetzes, des Gesetzes über die Sicherheitswacht, des Gesetzes über das Parlamentarische Kontrollgremium sowie des geplanten Bayerischen Datenschutzgesetzes. Hinsichtlich des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) soll zugleich auch den Forderungen aus der kommunalen Praxis nach einem größeren Anwendungsbereich für gemeindliche Verordnungen betreffend Alkoholverbote Rechnung getragen werden.

Weitere Informationen

(koh)