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Bayerischer Landkreistag: Licht und Schatten aus der Sicht der Landkreise, Regierung muss jetzt schleunigst gebildet werden – Landkreistagspräsident Bernreiter zu Koalitionsergebnis

Landkreistagspräsident, Landrat Christian Bernreiter (Deggendorf), sieht nach Sondierungen von CDU, CSU und SPD angesichts des nun vorliegenden Koalitionsvertrages und der damit einhergehenden Perspektive für die nächsten vier Jahre Licht und Schatten. „In den Bereichen Gesundheit, Zuwanderung, Digitalisierung, Breitband, eGovernment und vielen weiteren sehen wir den Koalitionsvertrag mit ‚kommunaler‘ Tinte gedruckt. Das ist ein Durchbruch!“, so der Präsident des Bayerischen Landkreistags. Gleichzeitig kritisiert er, dass sich die Koalitionsparteien in anderen Bereichen, etwa bei der Eingliederungshilfe, nicht zu den Kommunen bekennen.

Bernreiter warnte zudem:

„Die Bundestagswahl liegt bald ein halbes Jahr zurück. Die Sondierungen waren sicherlich notwendig, um das Beste für unser Land rauszuholen. In einer Demokratie wird tagtäglich um die besten Lösungen gerungen. Das ist richtig und wichtig. Nach langwierigen Verhandlungen muss jetzt aber eine Regierung gebildet werden, um (auch international) eine tragende Säule unseres Erfolges nicht zu gefährden: verlässliche Rahmenbedingungen und Verhandlungspartner. Ein Scheitern durch den SPD-Mitgliederentscheid wäre für unser ‚Erfolgsmodell Bundesrepublik‘ fatal. Wir bewegen uns derzeit auf sehr dünnem Eis.“

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Im Vorfeld zur Bundestagswahl hatte der Bayerische Landkreistag Forderungen erarbeitet, deren Umsetzung für die Bewältigung der Herausforderungen und Aufgaben im ländlichen Raum zukunftsentscheidend sind. Gerade im Gesundheitswesen ist dem Bayerischen Landkreistag jetzt ein Durchbruch gelungen. Seit Jahren kämpft er mit Berlin um eine auskömmliche Krankenhausfinanzierung. Im Koalitionsvertrag steht nun, dass Personalkosten ab jetzt in einem eigenen Verfahren neben den Fallpauschalen berücksichtigt werden sollen. Offen ist, ob dies zu einem vollständigen Ausgleich führt.

„Den täglichen Kampf in unseren Krankenhäusern gegen rote Zahlen, die zu einem großen Teil in der wachsenden Schere zwischen Kosten und Erlösen begründet liegt, führen wir schon lange. Der jetzt im Koalitionsvertrag angekündigte Ausgleich der Tarifsteigerungen im Personalkostenbereich ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, so Landkreistagspräsident Bernreiter.

Allerdings gibt es eine andere existenzgefährdende Entwicklung für die medizinische Versorgung in der Fläche, für die es dringend einer Lösung bedarf. Die Rede ist von „Personaluntergrenzen“. Diese gelten seit 1. Januar.

„Hier ist größte Wachsamkeit geboten. Vielfach wird hier speziell ausgebildetes Fachpersonal gefordert, das gar nicht auf dem Markt ist. Das würde dann durch die Hintertür das Aus für viele Fachabteilungen in der Fläche bedeuten“, so Bernreiter.

Im Breitbandbereich soll der flächendeckende Ausbau mit Gigabit-Netzen bis zum Jahr 2025 kommen, bestehende Funklöcher und weiße Flecken beim Mobilfunk zügig geschlossen und unter anderem in schwer zu versorgenden Gebieten nationales Roaming erlaubt werden.

„Hier ist der von uns vor der Wahl geforderte Schub endlich da! Leider ist aber offen geblieben, wer die Funklöcher und weißen Flecken schließen soll. Hier sollte die Verantwortlichkeit klar bei den Mobilfunkbetreibern liegen, die sich nicht auf dichter besiedelte Gebiete beschränken dürfen“, so Landrat Christian Bernreiter.

Auch die Forderung, alle bisherigen und zukünftigen Gesetze auf ihre Digitaltauglichkeit zu überprüfen, damit eGovernment-fähig zu machen, ebenso wie einfache und sichere Lösungen für die elektronische Identifizierung, wird umgesetzt.

„Das ist ein echter Mehrwert für unsere Bürgerinnen und Bürger“, so Bernreiter.

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Auch eine weitere zentrale Forderung des Bayerischen Landkreistags nach der Erstattung der flüchtlingsbedingten Mehrkosten bei den Kosten der Unterkunft für Flüchtlinge über 2018 hinaus steht im Koalitionsvertrag drin. Bis 2021 entlastet der Bund Länder und Kommunen bei den Flüchtlingskosten (Integrationspauschale, Kosten der Unterkunft, Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) in den Jahren bis 2021 mit insgesamt weiteren € 8 Mrd.

Das Festhalten an der Begrenzung des Familiennachzugs für subsidiär, also nur vorübergehend, Schutzbedürftige ist aus Sicht des Präsidenten des Bayerischen Landkreistags darüber hinaus ein Signal, auf das viele Menschen gewartet hätten. Eine Zuwanderung auf dem Niveau von 2015 wäre für die Kommunen nicht mehr zu schultern gewesen.

Auch die Unterstützung bei der digitalen Schule ist grundsätzlich zu begrüßen.

„Die ‚digitale Bildung‘ ist ein Megathema für uns alle. Die Schulen sollen unsere Kinder aufs Leben vorbereiten. Eine zeitgemäße IT-Ausstattung muss deswegen einfach mit dazugehören. Die immensen Kosten hierfür und die immer schnellere Auswechslung der Geräte kann man nicht mit der Anschaffung von Kreidetafeln und Erdkundeatlanten vergleichen. Hier sind € 5 Mrd. gestreckt auf fünf Jahre bei Weitem nicht ausreichend. Eine relativ aktuelle Bertelsmann-Studie geht von einem deutschlandweiten jährlichen (!) IT-Bedarf an Schulen von € 2,8 Mrd. aus. Ein bayerischer Anteil an diesen € 5 Mrd. Bundesmitteln ist also nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein“, so Bernreiter.

Der eigentlich für die Bildung zuständige Freistaat Bayern wird deswegen noch erhebliche Mittel zur Verfügung stellen müssen.

Besonders begrüßt werden in den Reihen der bayerischen Landrätinnen und Landräte auch bessere Ansätze für Menschen, die arbeitslos sind, und ihre Angehörigen. Durch Verbesserungen im sogenannten SGB II-Bereich kann zukünftig die ganze Familie in den Blick genommen werden.

„Das in Bayern bereits im Einsatz befindliche Konzept CURA ist ein Vorläufer eines solchen Regelinstruments und bestätigt die hohe Wirksamkeit eines solchen ganzheitlichen Ansatzes. Mit CURA werden die Bildungschancen der Kinder langzeitarbeitsloser Menschen erheblich verbessert. Bislang war dieses Projekt auf kreisfreie Städte beschränkt. Die Ausweitung auf die Landkreise wäre ein großer Mehrwert für die ganze Gesellschaft“, so Landrat Christian Bernreiter.

Bernreiter bemängelte allerdings das Fehlen einer Zusage, kommunale Mehrkosten durch das Bundesteilhabegesetz durch den Bund zu übernehmen. Auch die Dynamisierung der € 5 Mrd. Kommunalentlastung findet sich nicht im Koalitionsvertrag. Bei der Schaffung eines Anspruchs auf Ganztagsschule sind stattdessen sogar mehr Belastungen der Landkreise zu befürchten, wenn sie die Kosten über die Jugendhilfe tragen müssen.

Bernreiter fehlt zudem ein Bekenntnis im Koalitionsvertrag zum Wegfall der erhöhten Gewerbesteuerumlage wie bisher vorgesehen. Das würde die bayerischen Kommunen mindestens € 700 Mio. jährlich kosten.

Pressemitteilung des Bayerischen Landkreistags v. 07.02.2018