Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und weiterer Rechtsvorschriften eingebracht

Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/21574 v. 06.04.2018). Dieser sieht insbesondere Änderungen der BayBO, daneben auch Änderungen des BayDSchG vor. Anlass der Änderungen ist bestehender Anpassungsbedarf an europarechtliche Vorgaben im Bereich des Bauproduktenrechts. Dies gibt Anlass für weitere Änderungen; hervorzuheben ist insofern die Wiederaufnahme des Abstandsflächenrechts in das Pflichtprüfprogramm im vereinfachten Genehmigungsverfahren, die klarere Strukturierung der Regelungen über die Prüfung von Brandschutz und Standsicherheit sowie Maßnahmen zu Förderung der Elektromobilität im Bereich der Stellplatzablöse und des gemeindlichen Satzungsrechts (Klarstellung, dass die Gemeinde in einer örtlichen Stellplatzsatzung auch die Ausstattung von Stellplätzen mit Elektroladestationen regeln kann). Neben der Änderung des BayBO sieht der Gesetzentwurf u.a. auch Änderung des BayDSchG vor: Die bislang in Art. 18 Abs. 2 BayBO enthaltene Zuständigkeitsregelung für die Zustimmung im Einzelfall für denkmaltypische Bauprodukte, wie Putze, Mörtel und Stucke, findet sich nun in Art. 6 Abs. 3 BayDSchG.

Grund für die Gesetzesinitiative

Problem

Mit Urteil vom 16.10.2014 (Rs. C-100/13) hat die 10. Kammer des EuGH festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen das europarechtliche Marktbehinderungsverbot verstößt, dass an Bauprodukte, die auf harmonisierten europäischen Normen beruhen und ein „CE Zeichen“ tragen, national zusätzliche Anforderungen gestellt werden, deren Einhaltung mit einem „Ü Zeichen“ dokumentiert wird. Konkret würden durch die Bauregellisten, auf die die Bauordnungen der Bundesländer verweisen, für Elastomer-Dichtungen (Normen EN 681-2:2000 – Werkstoff-Anforderungen für Rohrleitungs-Dichtungen für Anwendungen in der Wasserversorgung und Entwässerung – Teil 2: Thermoplastische Elastomere), Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle [MW] – Spezifikation (EN 13162:2008) und Tore (EN 13241-1 – Produktnorm – Teil 1: Produkte ohne Feuer- und Rauchschutzeigenschaften) zusätzliche Anforderungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung dieser Bauprodukte gestellt. Ein Mitgliedstaat darf die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung von Bauprodukten, die die CE-Kennzeichnung tragen, aber weder untersagen noch behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen.

Lösung

Künftig darf ein Bauprodukt, das die CE-Kennzeichnung trägt, verwendet werden, wenn die erklärten Leistungen den in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes festgelegten Anforderungen für diese Verwendung entsprechen. Dabei muss es den am Bau Beteiligten ermöglicht werden, aus den Regelungen der Bayerischen Bauordnung und der auf ihrer Grundlage erlassenen Technischen Baubestimmungen auf rechtssichere Weise abzuleiten, welche Leistungen ein Produkt erbringen muss, um bei einer bestimmten Verwendung die Bauwerksanforderungen zu erfüllen. Hierzu werden die Bauwerksanforderungen in Technischen Baubestimmungen (durch Angabe von verwendungsspezifisch erforderlichen Produktleistungen) festgelegt. Die Bauregellisten A und B sowie die Liste C werden in den Technischen Baubestimmungen zusammengeführt, wodurch ein übersichtliches einheitliches Regelungswerk auch für die nationalen Bauprodukte entsteht.

Begründung des Gesetzentwurfs – Allgemeines

Anlass der Änderung ist bestehender Anpassungsbedarf an europarechtliche Vorgaben im Bereich des Bauproduktenrechts. Dies gibt Anlass für weitere Änderungen, z. B. im Bereich des Abstandsflächenrechts, im Bereich der Elektromobilität und für klarstellende Vereinfachungen, z. B. im Recht der bautechnischen Nachweise.

Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 (Rs. C-100/13) hat die 10. Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen Europarecht verstößt, dass an Bauprodukte, die auf harmonisierten europäischen Normen beruhen und ein „CE Zeichen“ tragen, national zusätzliche Anforderungen gestellt werden, deren Einhaltung mit einem „Ü Zeichen“ dokumentiert wird. Konkret würden durch die Bauregellisten, auf die die Bauordnungen der Bundesländer verweisen, für Elastomer-Dichtungen (Normen EN 681-2:2000 – Werkstoff-Anforderungen für Rohrleitungs-Dichtungen für Anwendungen in der Wasserversorgung und Entwässerung – Teil 2: Thermoplastische Elastomere), Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle [MW] – Spezifikation (EN 13162:2008) und Tore (EN 13241-1 – Produktnorm – Teil 1: Produkte ohne Feuer- und Rauchschutzeigenschaften) zusätzliche Anforderungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung dieser Bauprodukte gestellt. Dies verstoße gegen die Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung (Bauproduktenrichtlinie).

Der EuGH sieht in der deutschen Praxis einen Verstoß gegen das Marktbehinderungsverbot. Zum einen erkennt der Gerichtshof, dass Art. 4 Abs. 2 Bauproduktenrichtlinie eine die Mitgliedstaaten bindende Brauchbarkeitsvermutung für Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung vorsieht, die sich – ordnungsgemäße Planung und Bauausführung vorausgesetzt – auf die Erfüllung der in Art. 3 genannten wesentlichen Anforderungen an Bauwerke bezieht und die die Übereinstimmung mit der jeweiligen harmonisierten Norm voraussetzt. Dementsprechend dürften die Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 1 der Bauproduktenrichtlinie den freien Verkehr, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Produkten, die dieser Richtlinie entsprechen, auf ihrem Gebiet nicht behindern. Soweit von deutscher Seite die Unvollständigkeit europäischer harmonisierter Normen vorgebracht worden ist, verweist das Gericht auf die in der Richtlinie vorgesehenen Verfahren. Mit dem Verfahren des formalen Einwandes nach Art. 5 Abs. 2 kann gerügt werden, dass eine harmonisierte Norm nicht der Richtlinie entspricht; das Schutzklauselverfahren des Art. 21 ermöglicht produktbezogene Maßnahmen, unter anderem auch wegen Mängeln der relevanten Norm. Das Gericht legt dar, dass diese Verfahren nicht fakultativ sind und den Mitgliedstaaten andere als die in der Richtlinie vorgesehenen einseitigen Maßnahmen nicht erlaubt sind. Jede andere Auslegung stelle die praktische Wirksamkeit („effet utile“) der Bauproduktenrichtlinie in Frage.

Die vorliegende Änderung der Bayer. Bauordnung (BayBO) passt das geltende Recht an die in Abstimmung mit der Europäischen Kommission gezogenen Schlussfolgerungen aus den im Urteil des EuGH vom 16. Oktober 2014 enthaltenen und für die Bauproduktenverordnung – VO (EU) 305/2011 (BauPVO) übertragbaren Grundaussagen an. Sie ist Ergebnis intensiver und kontroverser zwischen dem Bund, den Ländern und der Europäischen Kommission geführter Gespräche. Die Änderung folgt inhaltlich der von der Europäischen Kommission gebilligten Änderung der Musterbauordnung der Arbeitsgemeinschaft der Bauminister der Länder (ARGEBAU). Die Notifizierung der Änderung der Musterbauordnung vor der Europäischen Kommission ist zwischenzeitlich abgeschlossen und Grundlage der Einstellung der gegen die Bundesrepublik verfolgten Vertragsverletzungsverfahren. Für den Fall, dass einzelne Länder die Vorgaben nicht umsetzen, hat die Kommission bereits signalisiert, das Vertragsverletzungsverfahren wieder aufzunehmen. Der Bund hat diesbezüglich bereits mehrfach erklärt, Konsequenzen eines ggf. weiteren Vertragsverletzungsverfahrens gingen zu Lasten der betroffenen Länder.

Ausgangspunkt der Anpassungen ist das europarechtliche Marktbehinderungsverbot, welches textlich abweichend auch in der Bauproduktenverordnung enthalten ist. Danach darf ein Mitgliedstaat die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung von Bauprodukten, die die CE-Kennzeichnung tragen, weder untersagen noch behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen. Zugleich wird klargestellt, dass produktunmittelbare Anforderungen an CE-gekennzeichnete Bauprodukte ohne konkreten Bauwerksbezug (Produktebene) unzulässig sind.

Künftig darf ein Bauprodukt, das die CE-Kennzeichnung trägt, verwendet werden, wenn die erklärten Leistungen den in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes festgelegten Bauwerksanforderungen (Bauwerksebene) für diese Verwendung entsprechen. So wird gewährleistet, dass das Niveau der Bauwerkssicherheit gehalten werden kann; es ist erforderlich und europarechtlich zulässig, verwendungsspezifische Anforderungen an eine Produktleistung zur Erfüllung konkreter Bauwerksanforderungen zu stellen. Den am Bau Beteiligten muss es ermöglicht werden, aus den Regelungen der BayBO und der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen und Technischen Baubestimmungen auf rechtssichere Weise abzuleiten, welche Leistungen ein Produkt erbringen muss, um bei einer bestimmten Verwendung die Bauwerksanforderungen zu erfüllen. Die Konkretisierung der Bauwerksanforderungen in Technischen Baubestimmungen (durch Angabe von verwendungsspezifisch erforderlichen Produktleistungen) ist auch im Bereich nicht harmonisierter Bauprodukte zweckmäßig, da die Mitgliedstaaten auch außerhalb des Anwendungsbereichs der BauPVO nur im Rahmen von Art. 34, 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union berechtigt sind, Produktanforderungen zu stellen.

Dies hat zur Folge, dass die Bauregellisten A und B sowie die Liste C zusammen mit der Liste Technischer Baubestimmungen wegfallen werden. Die bauwerksbezogenen Anforderungen an harmonisierte Bauprodukte und die Anforderungen an national geregelte Bauprodukte werden künftig in Technischen Baubestimmungen gestellt. Für diese Technischen Baubestimmungen wird aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung und -klarheit, aber auch mit dem Ziel einer inhaltlichen Beschränkung, die Vorschrift des Art. 81a geschaffen. Sie schreibt abschließend fest, welche Regelungen das Staatsministerium zur Konkretisierung der Bauwerksanforderungen und der sich daraus für die Verwendung von Bauprodukten ergebenden Konsequenzen treffen darf.

Schließlich erfolgt eine klare Abgrenzung zwischen den Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten und den Anforderungen an die Anwendung von Bauarten (Zusammenfügen von Bauprodukten zu Bauwerken oder Bauteilen). Regelungen zur Planung, Bemessung und Ausführung von Bauarten fallen nach wie vor in die ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten.

Diese europarechtlich notwendigen Änderungen bieten Anlass, weitere Änderungen vorzunehmen. Hervorzuheben ist insbesondere die von der gerichtlichen Praxis, den Vollzugsbehörden und den am Bau Beteiligten seit längerem geforderte Wiederaufnahme des Abstandsflächenrechts in das Pflichtprüfprogramm im vereinfachten Genehmigungsverfahren (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. Art. 6 BayBO), die klarere Strukturierung der Regelungen über die Prüfung von Brandschutz und Standsicherheit (Art. 62 bis 62b BayBO) sowie Maßnahmen zu Förderung der Elektromobilität im Bereich der Stellplatzablöse und des gemeindlichen Satzungsrechts.

Weitere Informationen

  • Gesetzentwurf (Vorgangsmappe des Landtags): hier.
  • Verbundene Meldungen: hier.
  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

(koh)