Gesetzgebung

BVerwG zur Verletzung des Gleichheitssatzes bei einem Stufentarif zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BVerwG, Urt. v. 14.12.2017 – 9 C 11.16 / Weitere Schlagworte: Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit; degressiver Tarifverlauf; Erwerbszweitwohnung; Schutz von Ehe und Familie / Landesrechtliche Normen: KAG

von Oberlandesanwältin Beate Simmerlein, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsätze des BVerwG:

1. Ein Stufentarif für die Erhebung von Zweitwohnungssteuer, bei dem sich Steuerbetrag und Steuersatz beim Übergang von einer Stufe zur nächsten verdoppeln und bei dem der Steuersatz auf den einzelnen Stufen auf die Hälfte des Steuersatzes am jeweiligen Stufenanfang absinkt, obwohl der Mietaufwand am Stufenende doppelt so hoch ist wie am Stufenanfang, verletzt den Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

2. Es stellt keine die Erhebung von Zweitwohnungssteuer ausschließende Kapitalanlage dar, wenn der Eigentümer seine Wohnung an eine GmbH vermietet, deren alleiniger Geschäftsführer er ist, damit er dort im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit übernachten kann.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

1. Die Zulässigkeit eines Stufentarifs bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer war bereits Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zwar die streitgegenständliche Satzung für nichtig erklärt, jedoch keine grundsätzlichen Bedenken gegen nach Aufwandsstufen gestaffelte feste Steuerbeträge und die mit ihnen zwangsläufig verbundenen Degressionswirkungen erhoben (Beschluss vom 15.01.2014 – 1 BvR 1656/09, Rn. 69).

a) Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung hat das BVerwG die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Satzung mit einem nach sieben Mietaufwandsstufen gestaffelten Steuersatz als nicht vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG angesehen.

Die Steuer verdoppele sich jeweils am Übergang von der niedrigeren zur nächsthöheren Mietaufwandsstufe, obwohl der Mietaufwand und die darin zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der Steuerschuldner dort praktisch gleich seien. Außerdem führe der für jeden Mietaufwand innerhalb einer Mietaufwandsstufe gleiche Steuerbetrag in den Mietaufwandsstufen 2 bis 6 dazu, dass der Steuersatz für Steuerpflichtige, deren Mietaufwand sich am unteren Rand der jeweiligen Stufe befindet, deutlich höher ist als derjenige von Steuerpflichtigen, deren Mietaufwand sich dem Höchstbetrag der jeweiligen Stufe annähere. Diese Gestaltung verstoße gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

b) Das BVerwG weist darauf hin, dass jedoch Tarife in Betracht kämen, bei denen sich der Steuerbetrag und der höchste Mietaufwand einer Stufe im Vergleich zur vorhergehenden Stufe nicht verdoppeln, sondern moderater erhöhen. Entscheidend sei, dass die Erhöhung des Steuerbetrags von einer Mietaufwandsstufe zur nächsten möglichst gering und der Steuersatz auf der jeweiligen Mietaufwandsstufe möglichst wenig degressiv sei.

c) Das BVerwG erachtet die Verwaltungsvereinfachung durch die Stufentarife als zu gering, um die Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen rechtfertigen zu können.

Wesentliche Vollzugserleichterungen könne die Kommune jedoch durch die in der Satzung enthaltene Schätzungsbefugnis erzielen, die von der Ermittlung des Mietaufwands in Form der Nettokaltmiete durch ein Sachverständigengutachten entbinde.

Auch bestehe die Möglichkeit, von einer jährlichen Steuerfestsetzung abzusehen, solange sich die Bemessungsgrundlage und der Steuerbetrag nicht änderten.

Die Kenntnis hiervon erhalte die Kommune, wenn die Inhaber von Zweitwohnungen nach der Satzung verpflichtet seien, der Kommune für die Höhe der Steuer maßgebliche Veränderungen unverzüglich zu melden und über den Umfang dieser Veränderungen Auskunft zu erteilen.

2. Das BVerwG hat die Entscheidung, ohne dass es vorliegend darauf ankäme, für den Hinweis genutzt, dass das BVerfG bisher ausdrücklich offengelassen hat, ob Art. 6 Abs. 1 GG auch in anderen Fallkonstellationen der Zweitwohnungssteuererhebung als derjenigen einer von einem Verheirateten vorwiegend genutzten Erwerbszweitwohnung verletzt sein kann (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.03.2014 – 1 BvR 1159/11, Rn. 22)

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschluss vom 11.10.2005 – 1 BvR 1232/00), verstößt die Erhebung der Zweitwohnungssteuer jedenfalls dann gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wenn eine melderechtliche Zwangslage vorliegt, weil für Verheirate zwingend die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie Hauptwohnung ist und somit die vorwiegend benutzte Erwerbswohnung nur Zweitwohnung sein kann.

Hierzu wäre eine Klärung wünschenswert, zumal das BVerfG (Beschluss vom 31.10.2016 – BvR 871/13) entschieden hat, dass eine Kommune jedenfalls ihre Zweitwohnungssteuersatzung ohne Verstoß gegen Art. 3 GG dahin ändern kann, dass alle Verheirateten, die eine Erwerbszweitwohnung innehaben, von der Zweitwohnungssteuerpflicht befreit sind.

Net-Dokument: BayRVR2018041601 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Beate Simmerlein ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Kommunalrecht, das Schul- und Prüfungsrecht, das Medienrecht, das Sozialrecht sowie für das Personalvertretungsrecht zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB.