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Einbeziehung von Außenbereichsflächen ins beschleunigte Verfahren – BayVGH zum Begriff der „Wohnnutzungen“ und zur Europarechtskonformität des § 13b BauGB

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Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BayVGH, Beschl. v. 09.05.2018 – 2 NE 17.2528 / Schlagworte: Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren; kein Verstoß gegen die Richtlinie 2001/42/EG vom 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme; Begriff der Wohnnutzung

mitgeteilt von Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl, Landesanwaltschaft Bayern

Orientierungssätze der LAB:

  1. § 13b BauGB verstößt nicht gegen Art. 3 der Richtlinie 2001/42/EG vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UP-RL). Art. 3 Abs. 3 Plan-UP-RL erlaubt im Zusammenhang mit Absatz 5 den Mitgliedstaaten abstrakt-generell festzulegen, dass bestimmte Pläne ohne Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB erlassen werden können, wenn es sich um die Nutzung kleinerer Gebiete auf lokaler Ebene handelt.
  2. In der verfahrensgegenständlichen Fassung des Bebauungsplans, die keine allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungen insbesondere im allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO ausschließt, ist jedoch die Voraussetzung der Zulässigkeit von „Wohnnutzung“ des § 13b Satz 1 BauGB nicht gegeben.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

In dieser Entscheidung im Eilverfahren gem. § 47 Abs. 6 VwGO stellt der 2. Senat des BayVGH fest, dass § 13b BauGB nicht gegen Art. 3 der Richtlinie 2001/42/EG vom 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UP-RL) verstößt. Art. 3 Abs. 3 Plan-UP-RL erlaube im Zusammenhang mit Abs. 5 den Mitgliedstaaten abstrakt-generell festzulegen, dass bestimmte Pläne ohne Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB erlassen werden können, wenn es sich um die Nutzung kleinerer Gebiete auf lokaler Ebene handelt. Hiervon habe der Gesetzgeber bereits mit der Regelung des § 13a BauGB Gebrauch gemacht.

Darüber hinaus befasst sich der 2. Senat mit dem Begriff der „Wohnnutzung“ des § 13b Satz 1 BauGB und hält in der verfahrensgegenständlichen Fassung des Bebauungsplans, die keine allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungen insbesondere im allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO ausschließt, die Voraussetzung der Zulässigkeit von „Wohnnutzung“ des § 13b Satz 1 BauGB für nicht gegeben. Der 2. Senat geht aber im zu entscheidenden Fall davon aus, dass dieser Fehler aufgrund der laufenden Ergänzung des Bebauungsplans, die die Nutzungen im allgemeinen Wohngebiet einschränkt und Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 (nur Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe) und 3, Abs. 3 Nr. 1, 2, 3 und 5 BauNVO ausschließt, in absehbarer Zeit behoben sein wird.

Im Einzelnen führt der 2. Senat insbesondere Folgendes aus: Weder der Gesetzeswortlaut des § 13b Satz 1 BauGB noch die Gesetzesbegründung legen sich hinsichtlich des Begriffs der Wohnnutzung auf einen bestimmten Baugebietstyp nach der Baunutzungsverordnung fest, so dass beide Gebietstypen – allgemeine und reine Wohngebiete i.S.v. § 3 und § 4 BauNVO – grundsätzlich möglich sind. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Plan-UP-RL sind jedoch die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nach § 4 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3 und 5 BauNVO wegen ihres möglichen Beeinträchtigungspotentials auszuschließen. Grundsätzlich zulässig können allerdings Nutzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO sein, wobei der Senat diese Aussage aber zugleich dem Vorbehalt einer Einzelfallprüfung unterstellt, indem er ausführt, dass grundsätzlich andere als reine Wohnnutzungen oder wohnähnliche Nutzungen auch aus Sicht des 2. Senats möglich sind, sofern sie sich mit dem Ausnahmecharakter des Art. 3 Abs. 3 Plan-UP-RL vereinbaren lassen und ein Beeinträchtigungspotential hinsichtlich der Umweltbelange möglichst gering bleibt. Es sei nicht erkennbar, inwieweit bspw. Kinderbetreuungseinrichtungen, die für den Bedarf im Gebiet nötig werden, ein Beeinträchtigungspotential hinsichtlich der Umweltbelange darstellen sollten. Entsprechend wären auch grundsätzlich für das Gebiet nötige Infrastruktureinrichtungen ohne Beeinträchtigungspotential in einem Gebiet nach § 13b Satz 1 BauGB nicht gänzlich ausgeschlossen. Dies obliege aber der Einzelfallprüfung.

Ergänzend weisen wir darauf hin, dass der 15. Senat des BayVGH in seiner Entscheidung vom 04.05.2018 – 15 NE.18.382 – einen weitergehenden Ausschluss von Nutzungen fordert, die im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zugelassen werden können, denn er führt dazu Folgendes aus: Soweit § 13b BauGB überhaupt die Möglichkeit der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets im vereinfachten Verfahren eröffnen sollte, ist die Gemeinde in diesem Fall zumindest gehalten, über § 1 Abs. 5 BauNVO diejenigen Nutzungen auszuschließen, die nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 5 BauNVO i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise zugelassen werden können.

Net-Dokument: BayRVR2018081601 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl ist bei der Landesanwaltschaft Bayern Ständiger Vertreter des Generallandesanwalts.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB