Gesetzgebung

Staatsregierung: Antrag auf Zustimmung zum Zweiundzwanzigsten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Zweiundzwanzigster Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Die Staatsregierung hat mit Schreiben vom 26. November 2018 um Zustimmung des Bayerischen Landtags gemäß Art. 72 Abs. 2 BV zu o.g. Staatsvertrag gebeten (LT-Drs. 18/15 v. 26.11.2018). Dieser sieht in Neufassung der Regelungen zu öffentlich-rechtlichen Telemedienangeboten Änderungen des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) vor.

Allgemeine Begründung

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben vom 15. bis 26. Oktober 2018 den Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet.

Durch Art. 1 wird der Rundfunkstaatsvertrag geändert.

Mit der Änderung der Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags, die den öffentlich-rechtlichen Telemedienauftrag betreffen, erfolgt die notwendige Anpassung an den technologischen Fortschritt im Internet, der sich aus einem geänderten Nutzungsbedürfnis und einem geänderten Nutzungsverhalten ergibt. Auf diese tatsächlichen Änderungen reagierten die Länder bereits, indem sie auf der Grundlage der Beschlüsse der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 23. bis 25. Oktober 2013 und vom 15. bis 17. Oktober 2014 ein gemeinsames Jugendangebot der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und des ZDF auf der Grundlage des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 1. Oktober 2016 beauftragten. In diesem Zusammenhang beauftragten die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder die Rundfunkkommission zudem damit, einen Entwurf für einen zeitgemäßen Telemedienauftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio vorzulegen. Diesem Anliegen dient der vorliegende Staatsvertrag.

Vor dem Hintergrund der ständigen und der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. zuletzt BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16, 745/17, 836/17, 981/17) ist die Novellierung des Telemedienauftrags in der Form des Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrags verfassungsrechtlich insbesondere aufgrund neuer Technologien und der Digitalisierung der Medien erforderlich und begründet. Das Bundesverfassungsgericht betont die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerade auch unter diesen veränderten Rahmenbedingungen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe die Aufgabe, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folge und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffne. Er habe so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden könne. Im Nebeneinander von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk könnten die verschiedenen Entscheidungsrationalitäten aufeinander einwirken. Diese Wirkungsmöglichkeiten gewönnen zusätzliches Gewicht dadurch, dass die neuen Technologien eine Vergrößerung und Ausdifferenzierung des Angebots und der Verbreitungsformen und -wege gebracht sowie neuartige programmbezogene Dienstleistungen ermöglicht hätten (vgl. BVerfG a.a.O., Rdnr. 77 f).

Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weiter aus:

„Dieses Leistungsangebot wird durch die Entwicklung der Kommunikationstechnologie und insbesondere die Informationsverbreitung über das Internet weiterhin nicht infrage gestellt (vgl. BVerfGE 57, 295 (322 f.); 73, 118 (160); 95, 163 (173); 119, 181 (217); 136, 9 (28 Rdnr. 29)). Allein der Umstand eines verbreiterten Angebots privaten Rundfunks und einer Anbietervielfalt führt für sich noch nicht zu Qualität und Vielfalt im Rundfunk. Die Digitalisierung der Medien und insbesondere die Netz- und Plattformökonomie des Internet einschließlich der sozialen Netzwerke begünstigen – im Gegenteil – Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen bei Anbietern, Verbreitern und Vermittlern von Inhalten. Sind Angebote zum größten Teil werbefinanziert, fördern sie den publizistischen Wettbewerb nicht unbedingt; auch im Internet können die für die Werbewirtschaft interessanten größeren Reichweiten nur mit den massenattraktiven Programmen erreicht werden. Hinzu kommt die Gefahr, dass – auch mit Hilfe von Algorithmen – Inhalte gezielt auf Interessen und Neigungen der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten werden, was wiederum zur Verstärkung gleichgerichteter Meinungen führt. Solche Angebote sind nicht auf Meinungsvielfalt gerichtet, sondern werden durch einseitige Interessen oder die wirtschaftliche Rationalität eines Geschäftsmodells bestimmt, nämlich die Verweildauer der Nutzer auf den Seiten möglichst zu maximieren und dadurch den Werbewert der Plattform für die Kunden zu erhöhen. Insoweit sind auch Ergebnisse in Suchmaschinen vorgefiltert und teils werbefinanziert, teils von „Klickzahlen“ abhängig. Zudem treten verstärkt nicht-publizistische Anbieter ohne journalistische Zwischenaufbereitung auf.

Dies alles führt zu schwieriger werdender Trennbarkeit zwischen Fakten und Meinung, Inhalt und Werbung sowie zu neuen Unsicherheiten hinsichtlich Glaubwürdigkeit von Quellen und Wertungen. Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt. Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden“ (BVerfG a.a.O., Rdnr. 79 f., m.w.N.).

In diesem Zusammenhang verweist das Bundesverfassungsgericht auch auf die hohe Anschlussdichte der Haushalte an das Internet und die Ausstattung mit PCs, Laptops, Notebooks, Tablet-PCs und Smartphones (BVerfG a.a.O., Rdnr. 82).

Das Bundesverfassungsgericht stellt ferner fest (BVerfG a.a.O, Rdnr. 98), dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einschließlich der Telemedienangebote ein Angebot aufweise, das so auf dem freien Markt nicht erhältlich sei. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränke sich auf einen minimalen Teil an Werbung. Privater Rundfunk hingegen gehe mit der Zulassung deutlich gesteigerter Werbefinanzierung einher. Entgeltpflichtige Vollprogramme kosteten deutlich mehr, andere entgeltpflichtige Programme hingegen erfassten lediglich Sparten und böten nur einen Ausschnitt aus dem Leistungsspektrum des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Vor diesem Hintergrund stehe dem Rundfunkbeitrag auch bei Belastung mit der vollen Höhe des Rundfunkbeitrags eine äquivalente Leistung gegenüber.

Neben der vorstehend dargelegten Verfassungsrechtslage in Deutschland sind bei der staatsvertraglichen Definition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unionsrechtliche Bedingungen zu berücksichtigen. Durch die Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom 27. Oktober 2009 (2009/C 257/01) stellt die Europäische Kommission Anforderungen auf, die die Mitgliedstaaten prozedural und materiellrechtlich bei der Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu berücksichtigen haben. Die prozeduralen Anforderungen (KOM, a.a.O., Rdnr. 87) wurden u. a. wie folgt eingehalten:

Zur Erarbeitung des novellierten Telemedienauftrags wurden länderinterne Abstimmungen im Zeitraum vom 15. September 2016 bis 14. Juni 2018 durchgeführt. Dabei fanden Beratungen mit fachlich Betroffenen sowie eine öffentliche Online-Konsultation im Zeitraum vom 2. Juni bis zum 7. Juli 2017 statt. Es wurden insgesamt 64 Stellungnahmen von Rundfunkanstalten sowie von Gremien der Rundfunkanstalten, Einrichtungen der Zivilgesellschaft, Verbänden und Unternehmen der Medienwirtschaft, aus der Wissenschaft und von Privatpersonen eingereicht. Die Stellungnahmen wurden im Internetauftritt der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt veröffentlicht. Nach länderinterner Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen fanden am 14. Juli 2017 und am 8. August 2017 Fachgespräche mit Rundfunkanstalten und betroffenen Verbänden statt. Am 31. Januar 2018 erörterte die Rundfunkkommission auf der Ebene der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder mit Intendanten der Rundfunkanstalten und mit Vertretern der Allianz Deutscher Produzenten Film und Fernsehen das Thema der angemessenen Verweildauer sowie der Vertrags- und Finanzierungsgestaltung bei den Online-Rechten von Film- und Medienproduktionen. Abschließend wurde zur Frage der Presseähnlichkeit von öffentlich-rechtlichen Telemedienangeboten auf der Grundlage von Beratungen von Vertretern der Länder, der Rundfunkanstalten und der Zeitungsverlage eine staatsvertragliche Regelung zu § 11 d Abs. 7 erarbeitet, die in den von den Regierungschefinnen und Regierungschefs am 14. Juni 2018 beschlossenen Staatsvertragsentwurf aufgenommen wurde.

Neben den erwähnten prozeduralen Anforderungen erwartet die Europäische Kommission von den Mitgliedstaaten materiellrechtlich, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag so genau wie möglich definiert wird. Aus der Definition sollte unmissverständlich hervorgehen, ob der Mitgliedstaat eine bestimmte Tätigkeit des betrauten Anbieters in den öffentlich-rechtlichen Auftrag aufnehmen will oder nicht (KOM, a.a.O., Rdnr. 45). Eine klare Festlegung der unter den öffentlich-rechtlichen Auftrag fallenden Tätigkeiten sei auch wichtig, damit die privaten Anbieter ihre Tätigkeiten planen könnten (KOM, a.a.O.; Rdnr. 46). Im Zusammenhang mit der Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags beschränke sich die Rolle der Europäischen Kommission darauf, diese Definition auf offensichtliche Fehler zu prüfen. Ein offensichtlicher Fehler liege vor, wenn der Auftrag Tätigkeiten umfasse, bei denen realistischerweise nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie der „Befriedigung der demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse jeder Gesellschaft“ dienen (KOM, a.a.O., Rdnr. 48). Durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 1. Juni 2009 ist den Rundfunkanstalten ein Auftrag erteilt worden, der die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24. April 2007 über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland umsetzte (K (2007) 1761 endg., „Beihilfekompromiss“). Der in dieser Entscheidung allgemein und speziell auch für die Telemedienangebote zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Kompromiss zur Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags wird durch den Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht tangiert. Es wird vielmehr eine zusätzliche Präzisierung vorgenommen, die die Anforderungen der vorstehend dargestellten Vorgaben der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 27. Oktober 2009 erfüllt, indem sie dem seit Abschluss des Beihilfekompromisses im Jahr 2007 eingetretenen technologischen und inhaltlichen Wandel des Internet Rechnung trägt. Exemplarisch für diesen Wandel ist insbesondere die Tatsache, dass die für die aktuelle Nutzung des Internet charakteristische mobile Endgerätegattung der Smartphones im Jahr 2007 technologisch nicht ausgereift und daher bei den Nutzern nur in sehr geringer Stückzahl vorhanden war. Auch die dafür notwendigen hochleistungsfähigen Mobilfunkfrequenzen standen noch nicht zur Verfügung, ebenso wenig die zunehmende Verbreitung von WLAN-Netzen. Das erst mit der sukzessiven Verbreitung der Smartphones einhergehende vielfältige Inhalteangebot (insbesondere Apps, Social-Media-Plattformen und interaktive Kommunikationsdienste) war demzufolge nicht vorhanden. Ebenso hat sich das Nutzungsbedürfnis und Nutzungsverhalten bei der stationären Internetnutzung durch den Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandnetze geändert, z. B. hinsichtlich der Abrufangebote für Filme und Serien, (vgl. VAUNET, Mediennutzung in Deutschland, S. 24; Marktanalyse vom 25.07.2018 https://www.vau.net/pressemitteilungen). Würde angesichts der erheblich geänderten Sachlage eine Änderung des Telemedienauftrags nicht vorgenommen, könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem ihm durch den Rundfunkstaatsvertrag in Einklang mit der Entscheidung der Europäischen Kommission (K (2007) 1761 endg.) erteilten Auftrag nicht mehr gerecht werden. Technologisch und inhaltlich überholte Telemedienangebote würden nicht mehr den Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechen. Die „Befriedigung der demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse jeder Gesellschaft“ wäre hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote im Hochtechnologieland Bundesrepublik Deutschland, welches eine umfassende Internetnutzung für alle Bevölkerungsschichten und alle Generationen aufweist (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2017: Neun von zehn Deutschen online, Media Perspektiven 2017, S. 434 ff.) auf der Grundlage eines Auftrags, dessen Regelungsgehalt auf einer mehr als elf Jahre alten Sachlage beruht, nicht mehr hinreichend gewährleistet. Für die Bundesrepublik Deutschland stellen aktuelle wissenschaftliche Analysen fest, dass insbesondere durch die Nutzung und die fortwährende schnelle Entwicklung des Internet eine „tiefgreifende Mediatisierung aller Lebensbereiche“ stattfinde, die gesellschaftliche und kulturelle Konsequenzen nach sich zögen (Hans-Bredow-Institut, Zur Entwicklung der Medien in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 2013 und 2016, Wissenschaftliches Gutachten zum Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung, Februar 2017, S. 199 ff). Vor diesem Hintergrund seien Medien nicht nur ein von außen hinzugefügtes Instrument, mit dem bestimmte kommunikative Funktionen in einem Lebensbereich komfortabler und schneller erfüllt werden könnten. Vielmehr basierten heute so gut wie alle Lebensbereiche schon von vornherein auch auf mediengestützten Prozessen, die kaum wegzudenken seien (Hans-Bredow-Institut, a.a.O.). Diese wissenschaftlichen Befunde und Trends, die für die Art und Weise der Mediennutzung in Deutschland aktuell und voraussichtlich langfristig zu berücksichtigen sind, korrespondieren vollinhaltlich mit den vorstehend zitierten Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil vom 18. Juli 2018 zur Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet.

Der Zweiundzwanzigste Rundfunkänderungsstaatsvertrag beachtet in seiner Gesamtheit und in seinen einzelnen Regelungen sowohl die Verfassungsrechtslage als auch die erwähnten unionsrechtlichen Maßgaben. Die Befriedigung der sozialen, kulturellen und demokratischen Bedürfnisse der Gesellschaft wird in Bezug auf das Telemediengebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch ein zeitgemäßes Leistungsangebot gesichert. Dies entspricht der verfassungsrechtlichen Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sichergestellt wird durch den Zweiundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zugleich, dass die Rundfunkbeitragszahler auch weiterhin das vom Bundesverfassungsgericht für die Belastung mit dem Rundfunkbeitrag geforderte Äquivalent erhalten.

Weitere Informationen

  • Staatsvertrag und weitere Begründung (Vorgangsmappe des Landtags): hier.
  • Aktueller Stand des Verfahrens und verbundene Meldungen: hier.
  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

(koh)