Gesetzgebung

StK: Baden-Württemberg und Bayern stärken länderübergreifende Zusammenarbeit / Gemeinsames Positionspapier zur Zukunft des Föderalismus „Starke Länder – Starkes Deutschland“

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„Baden-Württemberg und Bayern sind wirtschaftliche Lokomotiven und führende Industrie- und Innovationsregionen. Uns verbinden viele Zukunftsthemen, bei denen wir gemeinsam punkten werden: Das Interesse an einem Föderalismus mit starken Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder, die Bereiche Mobilität, Batterieforschung, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz. Und auch bei energie- sowie umweltpolitischen Fragen haben wir sehr ähnliche Interessen, die wir gemeinsam vertreten“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann anlässlich der gemeinsamen Kabinettssitzung der Regierungen von Baden-Württemberg und Bayern am Dienstag in Meersburg.

„Wir haben heute die Südschiene neu belebt. Der Süden ist das ‚Leistungs-Herz‘ Deutschlands. Leistung braucht den gesunden Wettbewerb. Darum wollen wir den Föderalismus in Deutschland wieder stärker aufleben lassen und wenden uns klar gegen Bestrebungen aus dem Bund, Geld gegen Länderkompetenzen einzutauschen. Wir wollen uns auf den föderalen Geist des Grundgesetzes rückbesinnen und müssen die Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und Ländern überprüfen und neu justieren“, erklärte Ministerpräsident Dr. Markus Söder.

„Das wird nur dann funktionieren, wenn jede Ebene die erforderlichen finanziellen Mittel erhält, um ihre Arbeit zu tun. Das Geld muss der Aufgabe folgen, nicht umgekehrt. Das ist doch der Kerngedanke der Subsidiarität“, so Kretschmann. „Wir Länder müssen einen ausreichenden Spielraum erhalten, um die Höhe der Steuereinnahmen bei den aufkommensstarken Gemeinschaftssteuern zumindest teilweise in unserer eigenen Verantwortung zu bestimmen.“

„Wir brauchen Zusammenarbeit, wo Länder Spitzenkompetenzen aufweisen. Daher haben wir uns entschlossen, bei der Batterieforschung und der E-Mobilität unsere Kräfte noch stärker zu bündeln“, sagte Ministerpräsident Söder. „Wir werden daher in beiden Ländern sowohl Forschungs- als auch Produktionsstandorte im Batteriebereich einrichten. Dazu wollen wir, dass der Bund einen signifikanten Anteil seiner ausgelobten Fördermittel in Spitzenforschung in Bayern und Baden-Württemberg investiert.“

Für einen lebendigen Föderalismus: Zehn-Punkte-Positionspapier verabschiedet

In einem gemeinsamen Zehn-Punkte-Positionspapier betonen Staatsregierung und Landesregierung den Beitrag der föderalen Ordnung zur Stabilität der Demokratie und zu besserer Teilhabe der Bürger an der Politik. Unter dem Titel „Starke Länder – Starkes Deutschland“ werden Ausweitungen der Länderkompetenzen gefordert und einer schleichenden Abwanderung von Länderzuständigkeiten eine klare Absage erteilt. Ebenso wird darin eine Revision der Bundeskompetenzen unter dem Aspekt der Subsidiarität angestrebt. Alles, was sich vorwiegend örtlich oder in engem Umkreis auswirke, soll wieder in Landeskompetenz übergehen. Darüber hinaus soll künftig dort, wo dem Bund nur konkurrierende Zuständigkeit eingeräumt wird, durch den Bund nachgewiesen werden, dass er die Aufgabe besser wahrnehmen kann als die Länder. Außerdem fordern die beiden Länder eine aufgabengerechtere Finanzierung der Länder. Wenn neue Zuständigkeiten der Länder entstünden, müssten auch die Gemeinschaftssteuern immer wieder neu ausgerichtet werden. Das immer stärker überhandnehmende Prinzip „Bundesgeld im Austausch gegen Kompetenzabgabe“ lehnen Baden-Württemberg und Bayern strikt ab. Darüber hinaus fordert das Positionspapier verlässliche eigene Steuermittel für die Länder statt zeitlich befristeter Programmmittel. So sei es etwa eine Möglichkeit, in begrenztem Umfang Hebesätze für die Einkommen- oder Körperschaftsteuer einzuführen. Ebenso wird ausufernden Kontrollrechten des Bundes gegenüber den Ländern eine Absage erteilt. Wenn Landesbehörden unmittelbar aus dem Bundeshaushalt Mittel bekämen und vom Bund kontrolliert würden, schwäche das die originären Rechte der Landesparlamente. Zudem schade jede unnötige zentralistische Einheitsverwaltung dem föderalen Gedanken. Daher gelte es zu prüfen, welche Bundesverwaltungen flächendeckend oder im Wege einer Optionsmöglichkeit in einzelnen Ländern wieder in die Landesverwaltung überführt werden können. Daneben fordern beide Länder ein Miteinander zwischen Bundestag und Bundesrat auf Augenhöhe. Wie der Bundesrat fristgebunden die Initiativen anderer Verfassungsorgane behandeln müsse, so solle sich künftig auch der Bundestag innerhalb einer bestimmten Frist mit den Initiativen der Länderkammer befassen müssen. Baden-Württemberg und Bayern setzen auf starke Länder in einem starken Deutschland und auf ein starkes Deutschland in einem starken Europa.

Mehr Regionalität im Gesundheitswesen

Baden-Württemberg und Bayern lehnen eine weitere Zentralisierung im Gesundheitswesen entschieden ab und wenden sich gegen eine bundesweite Öffnung der landesunmittelbaren Krankenkassen. Versorgung fände bei den Menschen vor Ort statt. Die örtlichen Verhältnisse und in der Folge die Anforderungen der Patientinnen und Patienten seien unterschiedlich. Dem könnten bundeseinheitliche Lösungen nicht gerecht werden. Deshalb müsse es mehr Spielräume für die Vertragspartner vor Ort geben. Daher haben Baden-Württemberg und Bayern beispielsweise beschlossen, sich für eine Stärkung der Versorgungsverantwortung auf Landesebene und den Abbau bürokratischer Vorgaben für die regionalen Vertragspartner in der ärztlichen Versorgung einzusetzen. Sie fordern die Wiedereinführung der dezentralen Regelung der Heilmittelversorgung und die Regionalisierung der Versorgung mit Hebammenhilfe. Ebenso sollen ein Präventionsbudget auf Länderebene eingeführt und sektorenübergreifende Versorgungskonzepte und Vertragsnormen im Gesundheits- und Pflegebereich erleichtert werden. Darüber hinaus betonen Baden-Württemberg und Bayern die Länderverantwortung in der Krankenhausplanung. Diese darf nicht durch zentralistische und kleinteilige Vorgaben der Bundesebene unterlaufen werden.

Batterienetzwerk Süddeutschland wird angestrebt

Der Bund hat als Standort für eine Forschungsfertigung Batteriezelle Münster ausgewählt. Die Entscheidung des Bundes für einen Nicht-Automobilstandort, an dem Kapazitäten erst aufgebaut werden müssen, ist aus Sicht Baden-Württembergs und Bayerns schwer verständlich. Um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein, gelte es, die Aktivitäten und Maßnahmen in einer nationalen Gesamtstrategie zu bündeln und in Abstimmung mit den Ländern eine Gesamtstrategie Batterie für Deutschland zu entwickeln. In der Batteriefertigung sind wissenschaftliche Exzellenz und Unternehmen aller Wertschöpfungsstufen – vom Rohstofflieferanten bis zum Recycling – in Baden-Württemberg und Bayern konzentriert. Daher vereinbarten die beiden Regierungen einen Austausch im Bereich der Batteriezellforschung und -fertigung und die Gründung eines Batterienetzwerks Süddeutschland. Der Bund wird von Baden-Württemberg und Bayern aufgefordert, sich bei Batterieforschung- und -fertigung insbesondere an den Standorten Ulm, Karlsruhe, Augsburg sowie für Forschungsprojekte substanziell bei der Finanzierung zu bewegen. Die Länder Baden-Württemberg und Bayern werden mit dem Bund über eine finanzielle Beteiligung zur geplanten Förderung im Bereich der industriellen Fertigung für mobile und stationäre Energiespeicher (Batteriezellfertigung) im Rahmen eines IPCEI (Important Projects of Common European Interest) verhandeln. Auch die industrielle Demontage und das Recycling von Batterien und Batteriezellen müssten intensiviert werden. Beide Länder sind überzeugt, dass der Bund sich dieser Thematik verstärkt annehmen und entsprechende Rahmenbedingungen gestalten soll, damit sich die Unternehmen auch weiterhin die erforderlichen Rohstoffe am Weltmarkt sichern können.

Gemeinsame Anstrengungen in den Bereichen Mobilität und Verkehr

Baden-Württemberg und Bayern sind sich einig, dass die Transformation der Automobilwirtschaft und der Strukturwandel im Mobilitätsbereich nur wirtschaftlich erfolgreich, technologieoffen und sozial verträglich vorangetrieben werden kann. Beide Regierungen bringen eine flächendeckende, länderübergreifende und öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge voran. Gegenüber dem Bund setzen sie sich daher mit Nachdruck dafür ein, dass die notwendigen Anpassungen im Wohnungseigentums- und Mietrecht zur Erleichterung des Ausbaus privater Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zeitnah umgesetzt werden und haben deshalb beschlossenen, einen Gesetzentwurf zur Förderung der Elektromobilität in den Bundesrat einzubringen. Um sinnvolle Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehr zu schaffen, werden Baden-Württemberg und Bayern den Schulterschluss mit weiteren betroffenen Ländern suchen und gemeinsame Positionen gegenüber Bund und Europäischer Union beziehen. Gemeinsame Ausbildungskapazitäten für dringend benötigte Zukunftstechnologien und KI-Experten in der Automobilwirtschaft würden ebenso geprüft wie weitere Initiativen der beiden Länder zum automatisierten und autonomen Fahren.

Baden-Württemberg und Bayern sind darüber hinaus entschlossen, gemeinsam den länderübergreifenden Schienenpersonennahverkehr als Rückgrat der öffentlichen Mobilität auszubauen. Beide Regierungen unterstützen das Projekt Regio-S-Bahn Donau-Iller und finanzieren jeweils ein Sechstel der Kosten der von der Region durchzuführenden Nutzen-Kosten-Untersuchung. Auch die laufenden Untersuchungen zur S-Bahn von Dombühl nach Crailsheim sollen vorangetrieben werden.

Umwelt-, Natur- und Klimaschutz über Ländergrenzen hinweg stärken

Gemeinsam betonten Baden-Württemberg und Bayern, dass dringend wirksame Klimaschutzmaßnahmen auf allen Entscheidungsebenen notwendig seien. Die Landesregierung und die Staatsregierung sind der Auffassung, dass die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft dringend eines gesetzlichen Rahmens in Form eines Klimaschutzgesetzes auf Bundesebene bedarf. Auch die Länder seien gefordert, die notwendigen Weichen auf Landesebene zu stellen. Außerdem wurden grenzüberschreitende Kooperationen zum Erhalt der biologischen Vielfalt, des Moorschutzes und des Klimaschutzes bekräftigt. Um den Gewässerschutz zu intensivieren, wurde bereits eine Flussarbeitsgemeinschaft Donau gegründet und erstmals wird ein gemeinsamer Bewirtschaftungsplan für das deutsche Donau-Einzugsgebiet erstellt. Eine engere Zusammenarbeit vereinbarte der Südwesten auch bei der Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen sowie wichtiger Innovationsfelder für das Bauen mit Holz.

Enger Austausch in energiepolitischen Fragen

Ein Austausch fand zudem zu energiepolitischen Fragen statt. Baden-Württemberg und Bayern fordern die Bundesregierung auf, die energiewirtschaftlichen Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung zügig umzusetzen und die Länder bei weiteren Beratungen über die Ausgestaltung des Kohleausstiegs einzubeziehen. Um die mit dem Kohleausstieg wegfallenden Kapazitäten ersetzen zu können, müssen aus Sicht der beiden Bundesländer systematische Investitionsanreize für gesicherte flexible Leistung in Süddeutschland geschaffen werden. Für den Erfolg der Energiewende seien der Ausbau der Übertragungsnetze von Norden nach Süden, wie SuedLink und SuedOstLink, zudem unverzichtbar. Beide Regierungen setzen sich zudem unter anderem für einen beschleunigten Ausbau des 65%-Ziels der Bundesregierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien ein. Der 52-Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik, bei dessen Erreichen die Förderung nach aktueller Gesetzeslage abrupt enden würde, wirke sich zunehmend negativ auf Investitionsentscheidungen in Photovoltaikanlagen aus. Er müssen deshalb schnell abgeschafft werden. Wichtig sei auch, einen regional ausgewogenen Ausbau der Erneuerbaren Energien zu gewährleisten. Der Bund muss deshalb aus Sicht Baden-Württembergs und Bayerns die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbarte regionale Steuerung dieses Ausbaus durch einen gesicherten Mindestanteil für die Ausschreibungen im Süden Deutschland zügig umsetzen. Einigkeit besteht zudem darüber, dass der Energieträger Gas auch in einem auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystem eine wichtige Rolle spielen kann. Gas und die Speicherleistung der Gasinfrastruktur sind aus Ländersicht ein wichtiger Baustein für eine planbare, versorgungssichere und sektorenübergreifende Defossilisierung. Bayern und Baden-Württemberg sehen diesbezüglich auch im Energieträger Wasserstoff große Potenziale für die Zukunft. Beide Länder vereinbaren auf diesem Feld deshalb eine engere Zusammenarbeit.

Digitalisierung länderübergreifend vorantreiben

Die beiden Länder vereinbarten zudem einen verstärkten Austausch und die Vernetzung im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Bio- und Gesundheitsdaten oder auch Daten beispielsweise im Bereich der Materialwissenschaften sollen durch gemeinsame Datenpools ausgetauscht und verstärkt Kooperationen im Bereich des autonomen Fahrens auf den Weg gebracht werden. Dazu müsse, so die Landesregierung und die Staatsregierung, die Bundesregierung auch ihre im vergangenen Jahr beschlossene nationale ‚Strategie Künstliche Intelligenz‘ zügig umsetzen. Gemeinsam sollen zudem die Bestrebungen für ein länderübergreifendes Testfeld für 5G in Baden-Württemberg und Bayern vorangetrieben werden. Der gegenseitige Wissensaustausch solle im Bereich von Cybersicherheit vorangetrieben werden. Beim Zukunftsthema Personalisierte Medizin verständigten sich Baden-Württemberg und Bayern auf einen engen Austausch und unter anderem darauf, bei gemeinsamen Projekten und der Schaffung eines ordnungs- und förderpolitischen Rahmens verstärkt zusammenzuarbeiten.

Anhang

Gemeinsame Position der Landesregierungen
Baden-Württembergs und Bayerns zur Zukunft des Föderalismus

Starke Länder – Starkes Deutschland

Wir brauchen wieder einen lebendigen Föderalismus in Deutschland. Seit Jahren sehen wir den Zentralismus auf dem Vormarsch. Die föderale Ordnung trägt maßgeblich zur Stabilität der Demokratie bei, indem sie politischen Einfluss nicht auf wenige konzentriert, sondern verteilt. Sie führt zugleich zu einer besseren Teilhabe der Bürger an der Politik. Einheit mit Vielfalt zu verbinden muss das Ziel sein. Starke Länder sind die Garanten für ein starkes Deutschland. Die Landesregierungen Baden-Württembergs und Bayerns bekennen sich daher zu folgenden Eckpunkten für einen Föderalismus der Zukunft:

1. Wir brauchen eine Stärkung und Ausweitung der Länderkompetenzen und damit auch der Länderparlamente. Das heißt zum einen: Die schleichende Abwanderung von Länderzuständigkeiten an den Bund muss aufhören. Was die Länder heute selbst regeln oder verwalten dürfen, das sollen sie auch künftig regeln oder verwalten. Zum anderen brauchen die Länder und damit auch die Länderparlamente wieder mehr eigenen Gestaltungsfreiraum. Das Regel-Ausnahme Verhältnis nach Art. 70 Abs. 1 GG muss wieder Verfassungswirklichkeit werden. Danach haben die Länder das Recht der Gesetzgebung – soweit das Grundgesetz dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

2. Was sich vorwiegend örtlich oder in engem Umkreis auswirkt, soll wieder in Landeskompetenz gegeben werden. Wir sollten daher eine Revision der Bundeskompetenzen unter dem Aspekt der Subsidiarität unternehmen.

3. Wo das Grundgesetz dem Bund nur konkurrierende Zuständigkeit gibt, muss zukünftig für ein Tätigwerden des Bundes der Nachweis erbracht werden, dass und inwieweit der Bund die Aufgabe besser wahrnehmen kann als die einzelnen Länder. Das ist der Kerngedanke der Subsidiarität.

„Abschließende“ Regelungen durch den Bund kommen in ihrer Wirkung ausschließlicher Bundeskompetenz gleich und müssen daher künftig so weit als möglich unterbleiben und im Übrigen an strenge Kriterien gebunden sein. Wir brauchen auch im bereits bestehenden Bundesrecht wieder mehr Öffnungsklauseln zugunsten der Länder.

4. Die aufgabengerechte Finanzierung der Länder ist Kernelement des Föderalismus. Der vom Grundgesetz dafür gewählte Weg ist nach Artikel 106 Absatz 3 ein originärer Anspruch der Länder auf einen aufgabengerechten Anteil am Steueraufkommen, insbesondere an den aufkommensstarken Gemeinschaftssteuern. Es wird also kein Bundesgeld verteilt, sondern ein Teil der Steuergelder der Bürger steht den Ländern unmittelbar zu. Wesentlich ist dabei eine faire Verteilung von Umsatzsteuerpunkten – und zwar ohne Zweckbindung durch den Bund. Wenn neue Aufgaben entstehen, deren Bewältigung in der Kompetenz der Länder liegt, müssen Gemeinschaftssteuern entsprechend ausgerichtet werden. Das Geld muss der Aufgabe folgen, nicht umgekehrt. Das vom Bund gegenüber den Ländern zunehmend forcierte Prinzip „Bundesgeld im Austausch gegen Kompetenzabgabe“ lehnen wir ab.

5. Die Länder sind frei, wie sie ihre Aufgaben erledigen. Es darf keine „goldenen Zügel“ geben. Eine Steuerung und Zweckbindung der Länder durch Transferleistungen des Bundes oder Mischfinanzierungen lehnen wir ab. Die Länder brauchen verlässliche eigene Steuermittel und keine zeitlich befristeten Programmmittel. Dies schließt mehr Gestaltungsrechte für Länder und Kommunen bei den Einnahmen mit ein. So sollte für sie die Möglichkeit eröffnet werden, in begrenztem Umfang Hebesätze etwa auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer einführen zu können.

6. Eine lebendige Demokratie in den Ländern braucht klare Verantwortlichkeiten. Die Kontrolle der Landesregierungen erfolgt nicht durch den Bund, sondern durch die Landesparlamente. Wenn Landesbehörden unmittelbar aus dem Bundeshaushalt Mittel erhalten und vom Bund kontrolliert werden, schwächt das die originären Rechte der Landesparlamente. Landtagswahlen sind eine bessere Kontrolle der Landesregierungen als Prüfrechte von Bundesbeamten. Ausufernde Steuerungs- und Kontrollrechte des Bundes sowie Berichtspflichten selbst in originären Kompetenzbereichen der Länder werden künftig nicht mehr akzeptiert. Die Länder haben eigene Verfassungsräume, in die vom Bund nicht eingegriffen werden darf.

7. Unnötige zentralistische Einheitsverwaltung durch den Bund schadet dem föderalen Gedanken. Wir sollten daher stärker auf schlagkräftige dezentrale Verwaltungsstrukturen setzen und prüfen, welche Bundesverwaltungen flächendeckend oder im Wege einer Optionsmöglichkeit in einzelnen Ländern wieder in Landesverwaltung überführt werden könnten.

8. Bundestag und Bundesrat müssen sich auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen können. So wie der Bundesrat – fristgebunden – die Initiativen der anderen Verfassungsorgane behandeln muss, so sollte umgekehrt auch eine verfassungsrechtliche Frist geschaffen werden, binnen derer sich der Bundestag mit Initiativen des Bundesrats abschließend zu befassen hat.

Der Bundesrat ist das Herzstück des föderalen Bundesstaats. Er muss kompetentiell und organisatorisch entsprechend aufgestellt sein. Form und Inhalt der Bundesratsdebatten sollen reflektieren, dass Gesetzgebung in einer Demokratie nie unpolitisch ist. Die Verfahren im Bundesrat sollten daher auch effizienter und moderner werden. Es muss zugleich überdacht werden, ob die Tendenz des Bundes, eine immer größere Anzahl an Gesetzen im Bundesrat als nicht zustimmungspflichtig zu erklären, dem Grundgedanken des Föderalismus widerspricht. Bundesgesetze, die faktisch erheblich in Länderinteressen eingreifen, sollten nicht gegen den Bundesrat durchgesetzt werden können.

9. Wir setzen auf starke Länder in einem starken Deutschland und auf ein starkes Deutschland in einem starken Europa. Umso wichtiger ist es, dass die Kompetenzen von Europa, Bund und Ländern klar definiert und nach dem Grundsatz der Subsidiarität gestaltet werden. Europa, Bund und Länder müssen ihre Kompetenzen so auslegen und wahrnehmen, dass Entscheidungen nah am Menschen ermöglicht werden. Der Bund muss die Länder in Europaangelegenheiten stärker einbinden als bisher. Zu wichtigen europäischen Zukunftsthemen müssen die Ländervertreter rechtzeitiger und umfassender informiert und in die Entscheidungen vorab eingebunden werden.

10. Wir brauchen ein Europa, das die regionale Vielfalt seiner Mitgliedstaaten achtet. Dazu bedarf es nicht zuletzt einer Aufwertung der Rolle des Ausschusses der Regionen (AdR) in Europa.

Pressemitteilung der StK Nr. 160 v. 23.07.2019 (Bericht aus der gemeinsamen Kabinettssitzung mit Baden-Württemberg in Meersburg)