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Auswahlverfahren ohne vergleichbare dienstliche Beurteilungen – BayVGH zu den Anforderungen an ein Auswahlgespräch

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BayVGH, Beschl. v. 08.02.2018 – 3 CE 17.2304 / Weitere Schlagworte: Konkurrentenstreitverfahren; Konkurrenz zwischen Beamtem und Tarifbeschäftigtem; Leistungsvergleich; Auswahlgespräch; Dokumentation im Auswahlvermerk / Landesrechtliche Normen: LlbG

von Oberlandesanwältin Elisabeth Steiner, Landesanwaltschaft Bayern

Orientierungssätze der Landesanwaltschaft Bayern:

  1. Das Arbeitszeugnis einer Tarifangestellten kann nur dann taugliche Grundlage eines Auswahlverfahrens sein, wenn es Surrogat einer dienstlichen Beurteilung bzw. ein Leistungsäquivalent einer dienstlichen Beurteilung ist.
  2. Liegen bei einem Bewerber keine aussagekräftigen Erkenntnisquellen für den Leistungsvergleich vor, so kann ein wissenschaftlich fundiertes Auswahlverfahren durchgeführt werden.
  3. Führt der Dienstherr ein Auswahlgespräch durch, so muss in einem Auswahlvermerk dokumentiert werden, welche konkreten Gesichtspunkte und Erwägungen für die darauf gestützte Auswahlentscheidung maßgeblich waren. Eine Niederschrift des Gesprächs ohne Einzel- oder Gesamtbewertungen genügt auch bei einer Gremienentscheidung nicht.
  4. Der Dienstherr muss vor Durchführung des Auswahlgesprächs eine Gewichtung von Beurteilung(en) und wissenschaftlich fundiertem Auswahlverfahren festlegen. Die alleinige Heranziehung des Ergebnisses des Auswahlverfahrens würde die Beurteilungen unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG zur Marginalie machen.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

Der vorliegende Beschluss fügt der ohnehin schon sehr verzweigten Rechtsprechung in Konkurrentenstreitverfahren einige weitere schwierige Aspekte hinzu, die sich typischerweise bei einem heterogenen Bewerberfeld ergeben können.

1. Ausgangspunkt des Rechtsstreits war, dass vorliegend ein interner und eine externe Bewerberin konkurrierten. Während der interne Bewerber eine aktuelle dienstliche Beurteilung vorweisen konnte, legte die externe Bewerberin kein aktuelles und detailliertes Arbeitszeugnis vor, weil sie ihre Veränderungswünsche gegenüber ihrem Arbeitgeber zunächst nicht offenlegen wollte. Der Dienstherr sah den Antragsteller infolge seines Statusamts und seiner Beurteilung als grundsätzlich besser geeignet an, wollte der Konkurrentin allerdings im Rahmen eines Auswahlgesprächs vor dem städtischen Werksausschuss Gelegenheit einräumen, diesen Vorsprung ggf. wettzumachen. Schon dieser Ansatz war aus Sicht der Vorinstanz (VG München, Beschl. v. 09.11.2017 – M 5 E 17.3441) aus zwei Gründen rechtsfehlerhaft: Weder dürfe der Dienstherr auf die Vorlage eines aktuellen Zeugnisses verzichten, noch komme vorliegend ein wissenschaftliches Auswahlverfahren nach Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LlbG in Betracht. Ein solches dürfe erst dann verwendet werden, wenn ein Leistungsvergleich auf Grundlage der Beurteilungen und Zeugnisse erfolgt sei und die innere Ausschöpfung derselben zu einem Gleichstand geführt habe.

2. Mit dem vorliegenden Beschluss korrigiert der für das Landesbeamtenrecht zuständige 3. Senat des BayVGH diese Rechtsauffassungen. Er weist darauf hin, dass die externe Konkurrentin eben doch in ein wissenschaftlich fundiertes Auswahlgespräch einbezogen werden durfte, weil für sie keine aussagekräftige und aktuelle Erkenntnisquelle vorlag (Rn. 9) und auch nicht zu erlangen war (Rn. 12).

In einem weiteren Schritt löst er sich von seiner noch zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 17.05.2013 – 3 CE 12.2470, Rn. 40), ein Auswahlgespräch dürfe nur bei einem Beurteilungsgleichstand stattfinden. Zum Vorgehen nach der neuen Rechtslage erteilt er dabei folgende Hinweise: Zum einen muss der Dienstherr vor Durchführung des Auswahlgesprächs die beabsichtigte Gewichtung von Beurteilung(en) und wissenschaftlich fundiertem Auswahlverfahren nach Art. 16 Abs. 1 Satz 5 LlbG festlegen. Zum anderen kommt auch künftig die alleinige Heranziehung des Ergebnisses des Auswahlverfahrens nicht in Betracht, weil ein solches Vorgehen die dienstlichen Beurteilungen unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG zur Marginalie machen würde (vgl. dazu bereits ausführlicher Beschl. v. 05.08.2014 – 3 CE 14.771, Rn. 46). Zuletzt muss der Dienstherr die konkreten Ergebnisse eines Auswahlgesprächs hinreichend dokumentieren und die wesentlichen Auswahlerwägungen auch dann schriftlich fixieren, wenn die Auswahlgespräche vor einem gemeindlichen Gremium stattfanden (Rn. 4 f.).

3. Dagegen bleibt die Rechtsprechung des 3. Senats des BayVGH aus der Sicht der Vertreterin des öffentlichen Interesses in einem Punkt weiterhin unklar:

a) Wie soll der Dienstherr vorab eine Gewichtung von Beurteilung(en) und wissenschaftlich fundiertem Auswahlverfahren vornehmen, wenn für einen Konkurrenten wie vorliegend eben gerade keine verwendungsfähigen Beurteilungen vorliegen? Dem Senat scheint hier eine Art „Vorabbewertung“ des Vorhandenen und eine entsprechende Vorabreihung der Bewerber vor Augen zu stehen. Die Einbeziehung einer nicht verwendungsfähigen Leistungseinschätzung in eine vorbereitende Reihung dürfte aber im Lichte des 33 Abs. 2 GG und dem daraus abgeleiteten Postulat, eine ggf. vorhandene dienstliche Beurteilung müsse stets Gewicht für die Auswahlentscheidung haben, wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt sein.

b) Eine ähnlich unlösbare Konstellation, bei dem vergleichbare dienstliche Beurteilungen der Bewerber nach Auffassung des Gerichts nicht vorlagen und auch nicht erstellt werden konnten, hatte der Senat bereits in seinem Beschluss vom 24.04.2017 (3 CE 17.434, Rn. 51) über das Instrument des 16 Abs. 1 Satz 4 LlbG lösen wollen. Er führte dazu aus, eine Auswahlentscheidung müsse in dieser Konstellation hier anhand wissenschaftlich fundierter Auswahlverfahren getroffen werden. Wie dabei der Anforderung Rechnung getragen werden soll, nicht allein auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung abzustellen und vor Durchführung des Auswahlgesprächs die beabsichtigte Gewichtung von Beurteilung(en) und wissenschaftlich fundiertem Auswahlverfahren festzulegen, erschließt sich nicht.

c) In solchen Sonderfällen könnte eine am Wortlaut des 16 Abs. 1 Satz 5 LlbG orientierte Auslegung möglicherweise doch Anlass bieten, zu erwägen, eine Auswahlentscheidung ohne Berücksichtigung der ohnehin nicht vergleichbaren dienstlichen Beurteilungen zu gestatten.

Net-Dokument: BayRVR2018031501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Elisabeth Steiner ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Baurecht sowie das Recht des öffentlichen Dienstes für Landesbeamte zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB

  • Zur Rechtsentwicklung im Bereich „Öffentlicher Dienst“ vgl. hier.