Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts

Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/22094 v. 15.05.2018). Dieser sieht die erneute Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vor. Sitz ist München. In Bamberg und Nürnberg bestehen jeweils zwei Strafsenate des Obersten Landesgerichts. Das BayObLG war durch das „Gesetz zur Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht (Gerichtsauflösungsgesetz – BayObLGAuflG)“ v. 25.10.2004 (GVBl. S. 400) zum 01.07.2006 aufgelöst worden. Der Gesetzentwurf v. 15.05.2018 sieht insbesondere Änderungen des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern (GerOrgG), das auch eine amtliche Kurzbezeichnung erhält (Gerichtsorganisationsgesetz), und des AGGVG vor, daneben Änderungen des des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) und des Baukammerngesetzes (BauKaG) und des BayRiStAG.

Mit den Änderungen im HKaG und BauKaG wird sowohl das Landesberufsgericht der Heilberufe als auch das Landesberufsgericht der Architekten und im Bauwesen tätigen Ingenieure jeweils vom OLG München zum Bayerischen Obersten Landesgericht verlagert.

Die Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts macht auch Anpassungen im BayRiStAG erforderlich. Die Anpassungen betreffen in erster Linie die Ernennungszuständigkeiten, die Richtervertretungen und die Mitgliedschaft bei den Richterdienstgerichten. Die erst kürzlich neu überarbeiteten Strukturen des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes würden hingegen nicht angetastet, so der Gesetzentwurf.

Begründung des Gesetzentwurfs – Allgemeiner Teil

I. Ausgangslage

Gerade in einem bevölkerungsreichen und großen Land wie dem Freistaat Bayern tragen identitätsstiftende, die Rechtsstaatlichkeit stärkende Strukturen zur Akzeptanz und Verankerung der Justiz in der Mitte der Gesellschaft bei.

Das Bundesrecht ermöglicht es über §§ 8 ff. EGGVG, in Ländern, in denen mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, ein Oberstes Landesgericht zu errichten. Hierfür bedarf es eines formellen Landesgesetzes. Die Besetzung und Verfassung eines Obersten Landesgerichtes ist in § 10 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz geregelt; es gelten die dort genannten Vorschriften für die OLG und den BGH entsprechend.

Durch Schaffung eines Obersten Landesgerichtes können teilweise Zuständigkeiten des BGH verdrängt und dem Obersten Landesgericht zugewiesen werden bzw. es können dem Obersten Landesgericht auch Aufgaben übertragen werden, die ansonsten durch die OLG erfüllt würden. Hierunter fallen u.a.:

  • Revisionen und Rechtsbeschwerden in Straf- und Bußgeldsachen bei erstinstanzlicher Zuständigkeit der Amtsgerichte sowie bei Verletzung von Landesrecht (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes, § 9 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz),
  • Entscheidungen über Rechtsbeschwerden über bestimmte Entscheidungen der Strafvollstreckungs- und Jugendkammern in Strafvollzugssachen (§ 121 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes),
  • Revisionen und Rechtsbeschwerden bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über Landesrecht (§ 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz),
  • Entscheidungen bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten (§ 25 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz),
  • Disziplinarsachen gegen Notare (§ 100 Satz 1 der Bundesnotarordnung),
  • Musterverfahren in Kapitalanlagesachen (§ 6 Abs. 6 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes),
  • Entscheidungen über sofortige Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammern (§ 171 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen),
  • Entscheidungen über Beschwerden im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren (§ 12 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren),
  • Entscheidungen über Beschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats von Aktiengesellschaften (§ 99 Abs. 3 Satz 5 des Aktiengesetzes),
  • Entscheidungen über Beschwerden in Umwandlungsprüfungssachen (§ 10 Abs. 5 Satz 1 des Umwandlungsgesetzes).

Die Übertragung der Aufgaben selbst erfordert teils ein Gesetz, teils genügt eine Rechtsverordnung (z.B. Musterverfahren in Kapitalanlagesachen, Entscheidungen über sofortige Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammern, Disziplinarsachen gegen Notare).

II. Ziel und Gegenstand des Gesetzentwurfs

Ziel des Gesetzentwurfs ist es, durch die Errichtung eines Bayerischen Obersten Landesgerichts die Vorteile eines Obersten Landesgerichts fruchtbar zu machen und mit den Grundsätzen sorgsamer Haushaltsführung sowie der Heimatstrategie in Einklang zu bringen.

Ein Bayerisches Oberstes Landesgericht betont die Eigenstaatlichkeit des Freistaates Bayern. Als wesentlicher Teil der Rechtskultur Bayerns leistet es einen Beitrag zur bayerischen Kultur und zur Identifikation der Bürgerinnen und Bürger auch mit der Rechtsprechung. Es betont den föderalen Gedanken und kann richtunggebend auf die Rechtsprechung im gesamten Bundesgebiet wirken. Allgemein ist zudem auf folgende Vorteile hinzuweisen:

  • Die bayernweite Vereinheitlichung der obergerichtlichen Rechtsprechung vor allem in Straf- und Bußgeldsachen stärkt die Rechtssicherheit.
  • Durch eine Konzentration der Musterverfahren in Kapitalanlagesachen wird der Verbraucherschutz gestärkt.
  • Für die Wirtschaft können die Rechtssicherheit verbessert und – bedingt durch die starke Spezialisierung – noch kürzere Verfahrensdauern, z. B. durch die Konzentration verschiedener Zuständigkeiten im Recht der Kapitalgesellschaften, im Umwandlungsrecht sowie möglicherweise auch bei künftigen Musterfeststellungsverfahren, erreicht werden.
  • Die im Bereich der Föderalismusreform gewonnenen Kompetenzen im Bereich des Justizvollzugs können durch eine Übertragung der Zuständigkeit für Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern noch einmal betont und es kann gleichzeitig eine landesweit einheitliche Rechtsprechung geprägt werden. Zudem kann versucht werden, über Änderung von Bundesrecht Zuständigkeiten, die früher auf ein Oberstes Landesgericht übertragen werden konnten, nunmehr aber beim Bund liegen, wieder „zurückzuholen“.
  • Die Justiz als dritte Gewalt wird in Bayern gestärkt.

Bei der Errichtung dürfen aber auch die fiskalischen Gründe, die zur Auflösung des früheren Bayerischen Obersten Landesgerichts geführt haben, nicht unberücksichtigt bleiben. Zudem sind auch die Ziele der für Bayern wesentlichen Heimatstrategie zu beachten.

Der Gesetzentwurf sieht daher gesetzlich garantierte Außensenate vor. Damit profitiert nicht nur München als eigentlicher Sitz des Bayerischen Obersten Landesgerichts, sondern es profitieren auch Nürnberg und Bamberg als Sitze der Außensenate. Die Standorte werden damit breit über Bayern gestreut gestärkt. Weiterer Effekt ist, dass die Infrastruktur am jeweiligen Justizstandort einschließlich des nichtrichterlichen Unterstützungspersonals genutzt werden kann. Dies trägt zur Steigerung der Kosteneffizienz bei. Zudem wird insbesondere die Verfahrenseffizienz durch die Konzentration bestimmter Zuständigkeiten an den Außensenaten weiter gesteigert.

Weiter ist es nicht erforderlich, eine Generalstaatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht zu errichten. Nachdem diese nur einen eng begrenzten Aufgabenbereich hätte, wäre der Aufbau einer eigenständigen Behörde nicht effizient; er ist auch sachlich nicht zwingend erforderlich. Die einer solchen Behörde zukommenden Aufgaben sollen daher durch die Generalstaatsanwaltschaft München übernommen werden.

Weitere Informationen

  • Verfahrensverlauf, ggfls. Beiträge und amtliche bzw. kommunale Stellungnahmen auf einen Blick: hier.
  • Gesetzentwurf (Vorgangsmappe des Landtags): hier.

(koh)