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BayVGH zur Genehmigung einer Tätowierung im sichtbaren Bereich bei Polizeivollzugsbeamten

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BayVGH, Urt. v. 14.11.2018 – 3 BV 16.2072/ Weitere Schlagworte: Landesbeamtenrecht; Polizeioberkommissar; Genehmigung einer Tätowierung im sichtbaren Bereich (Unterarm); parlamentarische Leitentscheidung; aktualisierte Prüfung; gewandelte gesellschaftliche Vorstellungen (vom Gesetzgeber verneint) / landesrechtliche Normen: BayBG; Erscheinungsbild der Bayerischen Polizei (Bek. v. 07.02.2000, AllMBl S. 99)

von Oberlandesanwältin Beate Simmerlein, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsatz:

Mit Art. 75 Abs. 2 BayBG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung personalaktenrechtlicher und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 18. Mai 2018 (GVBl. S. 286) liegt eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage vor, die die oberste Dienstbehörde ermächtigt, bei Polizeivollzugsbeamten das Tragen von Tätowierungen zu reglementieren.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

I. Die Zulässigkeit sichtbarer Tätowierungen bei Polizeivollzugsbeamten war Gegenstand mehrerer verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, bei denen insbesondere die Frage, ob die Reglementierung sich auf eine hinreichend bestimmte gesetzliche Regelung stützen konnte, bedeutsam war. Der BayVGH hat dies im vorliegenden Urteil für die bayerische Rechtslage bejaht.

II. Der Kläger steht als Polizeioberkommissar im Dienst des Beklagten. Er beantragte mit Schreiben vom 22.10.2013 die Genehmigung einer Tätowierung mit einem verzierten Schriftzug – „aloha“ – auf dem Unterarm im sog. sichtbaren Bereich. Mit Schreiben vom 28.07.2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne. Zur Begründung verwies er auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 07.02.2000 zum Erscheinungsbild der Bayerischen Polizei, wonach im Dienst – ausgenommen Dienstsport – Tätowierungen nicht sichtbar sein dürfen.

Die hiergegen erhobene Klage wies das VG Ansbach mit Urteil vom 25.08.2016, AN 1 K 15.1449, als unbegründet ab.

Hiergegen richtete sich die vom VG zugelassene und vom Kläger am 04.10.2010 eingelegte Berufung. Zwar könne der Dienstherr Erscheinungsformen, die geeignet seien, die Neutralitätsfunktion der Uniform in Frage zu stellen, durch generelle und einheitliche Vorgaben untersagen, dabei habe er sich aber an den Anschauungen zu orientieren, die in der heutigen pluralistischen Gesellschaft herrschten. Die aus dem Jahr 2000 stammende Bekanntmachung sei aufgrund der steigenden Akzeptanz von Tätowierungen in der Bevölkerung mit der heutigen gesellschaftlichen Realität nicht mehr in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber sei gehalten, die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse im Auge zu behalten und jeweils zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Verbots, wie er es bei Erlass angenommen habe, bei einer möglicherweise gewandelten Anschauung in der Bevölkerung zu dieser Frage noch gegeben seien.

III. Der BayVGH hat die Berufung zurückgewiesen.

1. Art. 75 Abs. 2 BayBG in der Fassung vom 18.05.2018, der die oberste Dienstbehörde ermächtige, nähere Bestimmungen zum äußeren Erscheinungsbild der Beamten während des Dienstes zu treffen, biete eine ausreichende Rechtsgrundlage für das in das Persönlichkeitsrecht des Beamten eingreifende Verbot des Tragens von Tätowierungen im sichtbaren Bereich bei uniformierten Beamten.

Der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 17.11.2017, 2 C 25/17, Rn. 42), wonach schon aus der parlamentarischen Leitentscheidung der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar sein müsse, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll, genüge die Vorschrift, die Inhalt (sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale), Zweck (neutrales Erscheinungsbild) und Ausmaß (sichtbarer Bereich) regle.

2. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der für Rechtsverordnungen geltende Grundsatz, dass das zum Verordnungserlass ermächtigende Gesetz grundsätzlich im Zeitpunkt des Verordnungserlasses in Geltung sein müsse, auch für Verwaltungsvorschriften gelte.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers bestünden auch keine besonderen prozeduralen Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren.

Der Gesetzgeber habe im Rahmen der ihm zustehenden weiten Einschätzungsprärogative nachvollziehbar die Neutralität von Polizeivollzugsbeamten durch das Tragen von Tätowierungen gefährdet gesehen. Durch Bezugnahme auf eine Projektarbeit zur Akzeptanz von Tätowierungen bei Polizeibeamten habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass das Verbot auf berechtigten Annahmen über Vorbehalte in der Bevölkerung und einer damit verbundenen Ansehens- und Vertrauensminderung beruht. Der Gesetzgeber war nicht gehalten, Meinungsumfragen durchführen zu lassen oder seine Regelung nach den Ergebnissen der Meinungsforschung auszurichten.

4. Auch das Gericht sei nicht gehalten gewesen, ein demoskopisches Sachverständigengutachten zur Verbreitung und Ausprägung der Ablehnung von Tätowierungen in der bayerischen Bevölkerung einzuholen, da es für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nur darauf ankomme, welche Annahmen der gesetzlichen Regelung zugrunde gelegen haben und zugrunde gelegt werden durften. Die getroffene normative Leitentscheidung sei vom Senat schon wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung hinzunehmen.

Net-Dokument: BayRVR2019031501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Beate Simmerlein ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Kommunalrecht, das Schul- und Prüfungsrecht, das Medienrecht, das Sozialrecht sowie für das Personalvertretungsrecht zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB.