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BayVGH zum Ausfertigungsmangel eines mehrseitigen Bebauungsplans (Einzelblätter) – Grundsatzentscheidung mit Auswirkungen

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BayVGH, Urt. v. 28.04.2017 – 15 N 15.967 / Weitere Schlagworte: Normenkontrollantrag; Rechtsstaatsprinzip; Ausfertigungsmangel eines Bebauungsplans (bejaht); textliche Festsetzungen eines Bebauungsplans (mehrere Einzelblätter); „körperliche Schnur“; „gedankliche Schnur“ / Landesrechtliche Normen: GO

mitgeteilt von Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsatz des BayVGH:

Sind die Regelungen eines Bebauungsplans nicht auf einem Blatt zusammengefasst, sondern finden sich diese auf mehreren, untereinander nicht hinreichend fest verbundenen Einzelblättern, genügt der mit Unterschrift des Bürgermeisters versehene Ausfertigungsvermerk auf lediglich einem Einzelblatt grundsätzlich nur dann den Anforderungen des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO für eine wirksame Ausfertigung, wenn alle Einzelblätter des Bebauungsplans mit Regelungsinhalt zusammen mit dem ausgefertigten Einzelblatt durch eine Art „gedanklicher Schnur“ untereinander derart verknüpft sind, dass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der nicht gesondert ausgefertigten Einzelblätter zur Satzung ausgeschlossen ist.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

Der BayVGH hat eine grundsätzliche Entscheidung zur Frage der Ausfertigung von Bebauungsplänen getroffen, die erhebliche Auswirkungen auf bereits bestehende Bebauungspläne haben, aber auch den untergesetzlichen Normenbestand betreffen kann.

Vorliegend bestand der Änderungsbebauungsplan aus einer zeichnerischen Darstellung mit Planzeichen als Festsetzungen und davon getrennt den textlichen Festsetzungen. Die textlichen Festsetzungen bestanden aus sechs Seiten in einem Schnellhefter. Auf der letzten Seite fand sich die Unterschrift der ersten Bürgermeisterin mit Datum. Die Unterschrift mit Datum fand sich gleichfalls auf der zeichnerischen Darstellung.

Der BayVGH setzte sich bisher nur mit der Frage auseinander, ob einzelne Bestandteile einer Norm, wie z.B. der Satzungstext, dazugehörige Karten oder Planzeichnungen, jeweils gesondert ausgefertigt werden müssen und unter welchen Voraussetzungen darauf verzichtet werden kann. Die Anforderungen an die einzelnen Seiten eines Satzungstextes waren nicht Gegenstand seiner Rechtsprechung, auch wenn davon auszugehen sein dürfte, dass die vorliegende Fallgestaltung nicht erstmalig aufgetreten ist.

Der BayVGH referiert zunächst seine bisherige Rechtsprechung. Bestehe eine Satzung aus einem Textteil und einer oder mehreren Planzeichnungen, müssten diese entweder körperlich untrennbar miteinander verbunden sein oder es seien grundsätzlich alle Teile gesondert auszufertigen. Die Ausfertigung allein des Textteils oder allein der Planzeichnung genüge in einem solchen Fall nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit aller Planteile zu der beschlossenen Satzung ausgeschlossen werde. Für diesen Fall habe sich zwischenzeitlich eine gefestigte Rechtsprechung des BayVGH herausgebildet, dass Textteil und Planzeichnung für eine ordnungsgemäße Ausfertigung am Maßstab von Art. 26 Abs. 2 GO durch eine Art „gedanklicher Schnur“ untereinander derart verknüpft sein müssten, dass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Teils zum ausgefertigten Satzungsteil ausgeschlossen sei (vgl. Rn. 10).

Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des BayVGH auch, wenn ein Bebauungsplan als Satzung aus mehreren Teilen besteht, die nicht auf einem Blatt zusammengefasst sind. Soweit in diesem Fall nicht alle Teile – also alle Blätter – mit einem Ausfertigungsvermerk versehen würden, genüge der mit Unterschrift versehene Ausfertigungsvermerk auf lediglich einem Teil – also auf einem Einzelblatt – des Bebauungsplans nur dann für eine wirksame Ausfertigung, wenn die einzelnen Blätter des Bebauungsplans entweder körperlich miteinander verbunden seien oder wenn in dem ausgefertigten Teil mit hinreichender Bestimmtheit auf die übrigen Teile resp. Einzelblätter der Satzung Bezug genommen werde oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der nicht gesondert ausgefertigten Teile zur Satzung ausgeschlossen sei. Im zuletzt genannten Fall müsse mithin die notwendige „gedankliche Schnur“ im o.g. Sinne zwischen allen Einzelblättern des Bebauungsplanes bestehen (vgl. Rn. 11).

Dies könne insbesondere durch hinreichend definierte Bezugnahmen erfolgen, die sich aus dem Ausfertigungsvermerk selbst oder aus den einzelnen Satzungsbestandteilen ergäben. Eine zweifelsfreie Individualisierung werde z.B. dadurch ermöglicht, dass über die fortlaufende Seitenzahlangabe bis zum ausgefertigten (letzten) Blatt sowie durch die Angabe von Datum und Regelungsbezug auf allen zur Satzung gehörenden Blättern eindeutig bestimmt werde, welche Einzelblätter vom Ausfertigungsvermerk erfasst würden (vgl. Rn. 12).

Diesen Anforderungen genügte der Änderungsbebauungsplan nicht – mit der Folge, dass er auf Grund eines Ausfertigungsmangels unwirksam war.

Den Normgebern kann nur empfohlen werden, den Anforderungen des Senats bei der Normsetzung Rechnung zu tragen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Es bleibt abzuwarten, ob eine von der Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses gegen dieses Urteil des BayVGH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum BVerwG eine vertiefte Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen herbeiführt (BVerwG 4 BN 34.17).

Titelfoto/-abbildung: (c) Bjm Wylezich – Fotolia.com

Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl ist bei der Landesanwaltschaft Bayern Ständiger Vertreter des Generallandesanwalts.

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