Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf für ein Bayerisches Teilhabegesetz I (BayTHG I)

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Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/18388 v. 04.10.2017). Dieser sieht in Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und unter Nutzung landesrechtlicher Regelungsspielräume insbesondere Änderungen des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) und der Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze (AVSG) vor. Darüber hinaus wird das Gesetzgebunsgverfahren genutzt, bestehende landesrechtliche Regelungen an anderen Stellen zu vereinfachen und zu streichen (das betrifft folgende Gesetze: ArbGOrgG, BaySozKiPädG, BayBGG und das AGSGG); inhaltliche Änderungen sind damit – soweit ersichtlich – nicht verbunden.

Da das BTHG für die umzusetzenden Regelungen unterschiedliche Inkrafttretenszeitpunkte vorsieht, müssen auch die Regelungen im Landesrecht gestaffelt in Kraft treten. Dies hat zur Folge, dass die erforderlichen und im Rahmen des Beteiligungsprozesses mit den Verbänden bereits im Vorfeld diskutierten landesrechtlichen Änderungen in zwei Gesetzesvorhaben (BayTHG I: Inkrafttreten Januar 2018; BayTHG II: Inkrafttreten Januar 2020) unterteilt werden müssen. In das parlamentarische Verfahren eingebracht werden darf zunächst nur das BayTHG I; das Gesetzgebungsverfahren für das BayTHG II soll im Jahr 2019 folgen.

Der rechtliche Grundstein für die im Rahmen des Beteiligungsprozesses vereinbarten Regelungsinhalte werde dabei bereits im BayTHG I gelegt, so die Begründung zum Gesetzentwurf; die abschließende Umsetzung der Inhalte erfolge dann im Rahmen des Bayerischen Teilhabegesetzes II. Lediglich die gesetzliche Institutionalisierung einer zusätzlichen und paritätisch sowie repräsentativ für die unterschiedlichen Behinderungsarten besetzten Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe sei nicht bereits im BayTHG I verankert, da das BTHG diesbezüglich eine Errichtung erst ab dem 01.01.2020 vorsehe.

Das Bundesteilhabegesetz – Neuerungen in Grundzügen

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I Nr. 66 vom 29.12.2016) entwickelt – unter Berücksichtigung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention – die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, eine bundesrechtlich geregelte Sozialhilfeleistung, zu einer personenzentrierten Teilhabeleistung außerhalb des Fürsorgesystems fort. Hierzu werden die Leistungen der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII herausgelöst und als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ in das SGB IX (Reha-bilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) überführt (zukünftiger Teil 2 des SGB IX).

Daneben werden das für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations- und Teilhaberecht, insbesondere die Regelungen zur Zuständigkeitsklärung, zur Bedarfsermittlung und zum Teilhabeplanverfahren, geschärft (bisheriger und zukünftiger Teil 1 des SGB IX) und das Schwerbehindertenrecht (bisheriger Teil 2 und zukünftiger Teil 3 des SGB IX) u.a. durch Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen, Regelungen zur Benutzung von Behindertenparkplätzen sowie die Schaffung eines Merkzeichens für taubblinde Menschen, weiterentwickelt.

Das BTHG sieht dementsprechend folgende zentrale Inhalte vor:

  • Behinderungsbegriff: Der Behinderungsbegriff soll im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention künftig die Teilhabemöglichkeiten des Einzelnen im örtlichen und gesellschaftlichen Umfeld als Ausgangspunkt haben.
  • Personenzentrierung: Die Leistungen zur Teilhabe (sog. Fachleistungen) sollen künftig den individuellen Hilfebedarf des Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt stellen und von den Wohnformkategorien ambulant und stationär losgelöst sein, um die Selbstbestimmung und Gestaltungsfreiheit in der Lebensführung zu stärken.
  • Trennung der Fachleistungen von den Leistungen zur Lebensunterhaltssicherung: Bedarfe zum Lebensunterhalt werden der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Kostentragung: Bund) zugeordnet, die Kommunen finanzieren künftig nur noch die behinderungsspezifischen Fachleistungen.
  • Einführung eines verbindlichen, partizipativen Teilhabeplanverfahrens/Gesamtplanverfahrens sowie einer ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung.
  • Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen, insbesondere durch
    • erleichterten Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Beschäftigte, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten: Einführung eines sog. Budgets für Arbeit (d.h. Lohnkostenzuschüsse an den Arbeitgeber zum Ausgleich der Leistungsminderung und Aufwendungen für die Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz),
    • Öffnung des Marktes durch Zulassung anderer Leistungsanbieter neben den Werkstätten für behinderte Menschen.
  • Stärkung von Bildungs- und Ausbildungschancen von Menschen mit Behinderungen (z.B. künftig Eingliederungshilfeleistungen für Weiterbildungen und Aufbaustudien).

Landesrechtliche Umsetzung – Ziele

Wegen der erheblichen Auswirkungen des gesetzgeberischen Tätigwerdens wurden im Rahmen eines breitangelegten Beteiligungsprozesses auf Landesebene die relevanten Regelungsbereiche mit allen Verbänden der Leistungserbringer, der Kostenträger und der Menschen mit Behinderungen erörtert und die verschiedenen Handlungsoptionen abgewogen, so die Gesetzesbegründung. Dabei hätten sich alle Beteiligten darauf verständigt, im Rahmen der landesrechtlichen Umsetzung des BTHG insbesondere folgende Ziele zu verwirklichen:

  • Leistungen sollen künftig (wie) aus einer Hand erbracht und zeitintensive Zuständigkeitskonflikte vermieden werden.
  • Zur sozialraumorientierten Planung sowohl im Bereich der Behindertenhilfe als auch im Bereich der Pflege sowie zur Sicherstellung wohnortnaher Ansprechpartner und Dienste für die Betroffenen soll die Kooperation der überörtlichen und örtlichen Ebene landesrechtlich verankert werden.
  • Die hohen bayerischen Standards im Bereich der Frühförderung für Kinder mit Behinderungen sollen erhalten bleiben.
  • Das neu eingeführte Budget für Arbeit soll als echte Alternative zu der Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ausgestaltet werden.
  • Die Bedarfsermittlung soll an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) angepasst und in einem transparenten Verfahren auch für Kinder und Jugendliche fortentwickelt werden.
  • Die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen sollen künftig – getreu dem Motto „Nicht ohne uns über uns“ – noch enger in die unterschiedlichen Prozesse (u.a. Arbeitsgemeinschaft zur Fortentwicklung der Eingliederungshilfe, Schiedsstelle, Verhandlung der Rahmenverträge) eingebunden werden. Die Funktionalität der Gremien darf jedoch nicht durch eine zu große Zahl an Interessenvertretern gefährdet werden.

BayTHG I – Wesentliche Inhalte

Vor dem Hintergrund der bundesrechtlichen Vorgaben, der im Rahmen des Beteiligungsprozesses erarbeiteten Ziele sowie der durch das BTHG vorgesehenen gestaffelten Inkrafttretenszeitpunkte sieht das BayTHG I laut Gesetzesbegründung insbesondere folgende Inhalte vor:

Festlegung der Zuständigkeiten – Weitgehende Alleinzuständigkeit der Bezirke 

Ab dem Jahr 2020 wird die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem des Sozialhilferechts des SGB XII herausgelöst und als neuer Teil 2 („Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen [Eingliederungshilferecht]“) im SGB IX verortet. Das BTHG sieht vor, dass die Länder die für die Durchführung dieses neuen Teils 2 im SGB IX zuständigen Träger der Eingliederungshilfe bestimmen müssen.

Von der bisherigen landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe wird die Eingliederungshilfe zukünftig nicht mehr erfasst sein.

Das BayTHG I sieht für die Leistungen der Eingliederungshilfe keine Änderungen an der bisherigen interkommunalen Aufgabenverteilung vor: Auch künftig sind die Bezirke für Leistungen der Eingliederungshilfe zuständig.

Infolge der Einführung des neuen (nun auch teilhabeorientierten) Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des damit verbundenen neuen Begutachtungsinstruments durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II), der Übertragung dieser Regelungen auch auf den Bereich der Hilfe zur Pflege durch das Dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) sowie der durch das BTHG ab dem Jahr 2020 bevorstehenden Auflösung der wohnformbezogenen Leistungserbringung werden sowohl die Abgrenzung von Leistungen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe als auch die Abgrenzung von stationären und ambulanten Leistungen aufwändiger bzw. unmöglich. Zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten und der Ausweitung von Zuständigkeitsstreitigkeiten wird die bisherige differenzierte Zuordnung der Zuständigkeit für Leistungen der Hilfe zur Pflege – (teil-)stationäre Leistungen der Hilfe zur Pflege: überörtliche Träger der Sozialhilfe (Bezirke); ambulante Leistungen der Hilfe zur Pflege: örtliche Träger der Sozialhilfe (Landkreise/kreisfreie Städte) – aufgegeben. Zukünftig wird die Zuständigkeit für die Hilfe zur Pflege mit dem BayTHG I komplett auf die Bezirke als überörtliche Träger der Sozialhilfe übertragen.

Um weitere Schnittstellen zu vermeiden, folgt die Zuständigkeit für existenzsichernde Leistungen (Drittes und Viertes Kapitel SGB XII), die bei gleichzeitigem Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe oder der Hilfe zur Pflege gewährt werden, grundsätzlich der Zuständigkeit für diese speziellen Leistungsarten. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt jedoch vor allem für die Fälle, in denen Leistungen der Eingliederungshilfe oder der Hilfe zur Pflege in teilstationären Einrichtungen (z.B. in einer Werkstatt für behinderte Menschen, Förderstätte oder in einer Tagesstätte) erbracht werden: Hier bleibt die Zuständigkeit für die existenzsichernden Leistungen wie bisher bei den Landkreisen/kreisfreien Städten als örtlichen Sozialhilfeträgern, da es hier keine problematischen leistungsrechtlichen Schnittstellen gibt.

Diese weitgehende Alleinzuständigkeit der Bezirke greife die Forderung der Menschen mit Behinderungen nach Leistungen aus einer Hand und einem behördlichen Ansprechpartner auf und löse u.a. die heute bestehenden erheblichen Zuständigkeitsprobleme für Leistungen in ambulant betreuten Wohngemeinschaften, so die Gesetzesbegründung.

Das BTHG schreibt zudem vor, dass die Leistungsangebote im Bereich der Eingliederungshilfe sozialraumorientiert ausgestaltet werden müssen. Bei einer alleinigen Zuständigkeit der Bezirke für die Leistungen der Eingliederungshilfe würde es der örtlichen Ebene an einem rechtlichen Anknüpfungspunkt für ein eigenes Tätigwerden für Menschen mit Behinderungen fehlen. Gleiches gilt angesichts der Alleinzuständigkeit der Bezirke für die Leistungen der Hilfe zur Pflege für den Pflegebereich. Um klarzustellen, dass auch die örtliche Ebene bei der sozialraumorientierten Planung in den Bereichen der Behindertenhilfe und Pflege in der Pflicht ist bzw. auch weiterhin ein Recht zum Tätigwerden hat, wird diesbezüglich eine gegenseitige Kooperationspflicht zwischen überörtlicher und örtlicher Ebene im BayTHG I normiert. Die Träger der Sozialhilfe haben für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich untereinander Kooperationsvereinbarungen über ihre Zusammenarbeit abzuschließen.

Vergütung bei den interdisziplinären Frühförderstellen 

Die Vergütung von Leistungen der interdisziplinären Frühförderstellen erfolgt auf der Grundlage von Vereinbarungen der Rehabilitationsträger mit den Leistungserbringern. Die Entgelte für diese sog. Komplexleistungen, die sowohl heilpädagogische als auch medizinisch-therapeutische Leistungen umfassen, werden dabei auf der Grundlage der Leistungszuständigkeit nach Spezialisierung und Leistungsprofil der Einrichtung, insbesondere den vertretenen Fachdisziplinen und dem Diagnosespektrum der leistungsberechtigten Kinder, aufgeteilt. Die Pauschalierung der Entgelte ist bisher optional zulässig.

Nunmehr gibt das BTHG eine pauschalierte Aufteilung der Entgelte für die Komplexleistungen verbindlich vor. Es ist allerdings erlaubt, per landesrechtlicher Regelung auch Einzelleistungsvergütungen vorzusehen.

Auf Wunsch aller im Bereich der Frühförderung relevanten Akteure werde die Fortführung des aktuellen Abrechnungssystems („Einzelleistungsvergütungssystem“ bei den interdisziplinären Frühförderstellen, „pauschale Abrechnung“ bei den Sozialpädiatrischen Zentren) landesrechtlich ermöglicht, so die Gesetzesbegründung.

Maximaler Zahlbetrag beim Budget für Arbeit 

Mit dem BTHG wurde zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben das sog. Budget für Arbeit eingeführt. Dieses Instrument richtet sich an Personen, die Anspruch auf eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen haben und von einem Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung angeboten bekommen. Das Budget für Arbeit umfasst einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber zum Ausgleich der Leistungsminderung des Beschäftigten und die Aufwendungen für die ggf. ergänzend erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz. Der Lohnkostenzuschuss beträgt bis zu 75% des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts, jedoch höchstens 40% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Dauer und Umfang der Leistungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Durch Landesrecht kann von dem im BTHG vorgegebenen Prozentsatz der Bezugsgröße (d.h. den 40%) nach oben abgewichen werden.

Um das Budget für Arbeit als echte Alternative zu der Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu implementieren, wird es landesrechtlich so ausgestaltet, dass die den Trägern der Eingliederungshilfe für den Lohnkostenzuschuss entstehenden Kosten den durchschnittlichen Kosten eines Platzes in einer Werkstatt für behinderte Menschen entsprechen. Da die durchschnittlichen Kosten eines Werkstattplatzes rd. 48% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV betrage, werde mit dem BayTHG I auch der Prozentsatz der Bezugsgröße auf 48% festgelegt, so die Gesetzesbegründung.

Erarbeitung des Instruments zur Bedarfsermittlung 

Bisher existierten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene keine gesetzlichen Vorgaben zur Ermittlung der Bedarfe für Menschen mit Behinderungen. Normiert war lediglich, dass bei der Erstellung des Gesamtplans, der die Grundlage der Leistungsgewährung bildet, die Träger der Sozialhilfe mit dem Menschen mit Behinderungen und u.a. dem Arzt oder Jugendamt zusammenarbeiten.

Durch das BTHG wird das Gesamtplanverfahren neu und insbesondere wesentlich detaillierter normiert. Zukünftig wird abstrakt festgelegt, wie der individuelle Bedarf des Leistungsberechtigten für Leistungen der Eingliederungshilfe zu ermitteln ist: Demnach muss die Ermittlung des individuellen Bedarfs des Einzelnen durch ein Instrument erfolgen, das sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) orientiert. Das Instrument muss daher so konzipiert sein, dass es die nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe in den folgenden Lebensbereichen erfasst:

  • Lernen und Wissensanwendung,
  • allgemeine Aufgaben und Anforderungen,
  • Kommunikation,
  • Mobilität,
  • Selbstversorgung,
  • häusliches Leben,
  • interpersonelle Interaktionen und Beziehungen,
  • bedeutende Lebensbereiche und
  • gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben.

Durch Rechtsverordnung haben die Länder die Möglichkeit, Konkretes bezüglich des Instruments zur Bedarfsermittlung zu bestimmen.

Das BayTHG I normiert Vorgaben zum Verfahren, mit welchem das zukünftige Bedarfsermittlungsinstrument erarbeitet werden soll; festgelegt werden insbesondere die Errichtung und die Besetzung einer Arbeitsgruppe, die die Entwicklung des Instruments zur Aufgabe hat. Zusätzlich werden abstrakte Kriterien (z.B. Anwendbarkeit des Bedarfsermittlungsinstruments auch auf Kinder und Jugendliche) aufgestellt, an denen sich das künftige Instrument zur Bedarfsermittlung zu orientieren hat. Mit diesen Vorgaben soll zukünftig ein transparentes und einheitliches Verfahren zur Bedarfsermittlung sichergestellt werden.

Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen – Letztere auch anlasslos möglich 

Im Vertragsrecht der Eingliederungshilfe ist infolge des BTHG zukünftig ein ausdrückliches Prüfrecht auf Seiten der Kostenträger vorgesehen: Geprüft werden darf die Wirtschaftlichkeit und Qualität der erbrachten Leistung, soweit „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten durch den Leistungserbringer bestehen. Durch Landesrecht darf von der Einschränkung, dass „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Prüfung vorliegen müssen, abgewichen werden.

Zum Wohle der Menschen mit Behinderungen wird im BayTHG I normiert, dass Qualitätsprüfungen, durch die eventuelle vertragliche oder gesetzliche Verstöße zulasten der Menschen mit Behinderungen aufgedeckt werden können, auch anlasslos möglich sein müssen. Bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die primär das Verhältnis Leistungserbringer und Kostenträger betreffen, bleibt es hingegen bei den im BTHG vorgegebenen anlassbezogenen Prüfungen.

Besetzung der Schiedsstelle/Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen 

Mit der Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Sozialhilferecht entsteht für den Bereich der Eingliederungshilfe ein neues Vertragsrecht für die zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern getroffenen Vereinbarungen. Zur Konfliktlösung ist auch für diesen Rechtsbereich eine Schiedsstelle einzurichten und Näheres durch landesrechtliche Rechtsverordnung festzulegen. Neu geregelt durch das BTHG wird zudem, dass im Bereich der Eingliederungshilfe zukünftig auch die Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen an den Schiedsverfahren bestimmt werden kann.

Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind infolge der mit dem BayTHG I erfolgenden Bündelung der Zuständigkeiten für die Leistungen der Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und grundsätzlich der diese ergänzenden existenzsichernden sowie anderen Leistungen nach dem SGB XII bei den Bezirken nur noch marginal vom Vertragsrecht des Sozialhilferechts betroffen. Sie werden daher auf eigenen Wunsch künftig nicht mehr in das Schiedsverfahren nach dem SGB XII einbezogen.

Vergleichbar zu den bisherigen Bestimmungen zur Schiedsstelle für den Bereich des Sozialhilferechts werden durch das BayTHG I – verbunden mit einer Bündelung und Straffung der Regelungen zur Schiedsstelle in der Jugendhilfe und Sozialhilfe in der AVSG – nun auch die Besetzung und das Verfahren der Schiedsstelle für das SGB IX normiert. Bei der Besetzung der Schiedsstellen in der Eingliederungshilfe/Sozialhilfe werde künftig – ohne die Zahl der Sitze der Schiedsstelle auszuweiten – die Trägervielfalt und auch die verbandliche Bedeutung im Hinblick auf die Zahl der betreuten Personen besser wiedergegeben, so die Gesetzesbegründung. Als Dachverband der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen in Bayern wird die LAG SELBSTHILFE Bayern e.V. die Interessen der Menschen mit Behinderungen in den Schiedsverfahren im Bereich der Eingliederungshilfe vertreten.

In engem Zusammenhang damit steht, dass die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen künftig auch an der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge mitwirken dürfen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe wird durch die Bayerischen Teilhabegesetze ebenfalls der LAG SELBSTHILFE Bayern e.V. übertragen.

Umbenennung Integrationsamt in Inklusionsamt 

In Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und dem damit einhergehenden Paradigmenwechsel von der Integration hin zur Inklusion wurden durch das BTHG diverse Instrumente zur Integration von Menschen mit Behinderungen ins Arbeitsleben umbenannt (z.B. Inklusionsvereinbarung, Inklusionsbeauftragter, Inklusionsprojekt). Für das Integrationsamt als Ansprechpartner für alle Fragen zum Thema Schwerbehinderung und Beruf wurde im Bundesrecht allerdings die bisherige Begrifflichkeit beibehalten.

Um das Bekenntnis zur UN-Behindertenrechtskonvention und der aus ihr resultierenden Verpflichtung, an der selbstverständlichen und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen beständig zu arbeiten, weiter in die Öffentlichkeit zu tragen, wird das Zentrum Bayern Familie und Soziales die Aufgaben des Integrationsamts zukünftig als Inklusionsamt wahrnehmen.

Rechtsvereinfachung und Rechtsbereinigung 

Das vorliegende Gesetzesvorhaben wird ferner zum Anlass genommen, bestehende landesrechtliche Regelungen an anderen Stellen zu vereinfachen und – wo nicht mehr erforderlich – zu streichen (vgl. §§ 4 bis 7 des Gesetzentwurfs). Das betrifft das Gesetz über die Organisation der Gerichte für Arbeitssachen im Freistaat Bayern (ArbGOrgG), das Bayerischen Sozial- und Kindheitspädagogengesetz (BaySozKiPädG), das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) und das Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes in Bayern (AGSGG). Inhaltliche Änderungen sind damit – soweit ersichtlich – nicht verbunden.

Weitere Informationen

  • Verfahrensverlauf, ggfls. Beiträge und amtliche bzw. kommunale Stellungnahmen auf einen Blick: hier.
  • Gesetzentwurf (Vorgangsmappe des Landtags): hier.
  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

Ass. iur. Klaus Kohnen / Titelfoto/-abbildung: (c) magele-picture – Fotolia.com