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Grundsatzurteil des BVerwG zur Behandlung von Täuschungen über aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände im Einbürgerungsrecht

Bemerkung der Landesanwaltschaft zu BVerwG, Urt. v. 01.06.2017 – 1 C 16.16 / Weitere Schlagworte: Anspruchseinbürgerung; Identitätstäuschung; gewöhnlicher Aufenthalt; rechtmäßiger Aufenthalt; Rücknahme von Aufenthaltstiteln; Angreifbarkeit der Aufenthaltsposition; Bindungswirkung; mittelbare Falschbeurkundung; Rechtsmissbrauch / Landesrechtliche Normen: BayVwVfG

von Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsatz des BVerwG:

Beruhte der Aufenthalt eines Einbürgerungsbewerbers im Inland zeitweise auf einer Täuschung über seine Identität oder sonstige aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände, kommt es für den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 10 Abs. 1 StAG und die dabei rückblickend zu treffende Prognose maßgeblich darauf an, wie sich die Ausländerbehörde verhalten hätte, wenn sie von der Täuschung Kenntnis gehabt hätte (hypothetische Ex-ante-Prognose). Dabei ist bei anerkannten Flüchtlingen die Bindungswirkung des § 6 AsylG zu beachten.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

1. Das Kriterium des rechtmäßig gewöhnlichen Aufenthalts spielt sowohl bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG als auch beim Geburtserwerb nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG eine zentrale Rolle. Während das BVerwG in seinem Urteil vom 26.04.2016 (1 C 9.15) Gelegenheit hatte, die Teilkomponente der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu konkretisieren, stand im vorliegenden Verfahren die Teilkomponente der Gewöhnlichkeit des Aufenthalts im Mittelpunkt.

2. Der Klärungsbedarf trat an einer Fallkonstellation hervor, die in der Verwaltungspraxis der Staatsangehörigkeitsbehörden immer wieder anzutreffen ist, nämlich der Täuschung eines Ausländers über seine Identität (oder sonstige aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände) in vorausgehenden ausländerrechtlichen Verfahren, die zu der Frage führte, welche Konsequenzen sich hieraus für eine Einbürgerung ergeben. Hiervon sind jene Fallkonstellationen abzugrenzen, in denen der Ausländer im Einbürgerungsverfahren selbst täuscht (vgl. hierzu § 35 Abs. 1, § 42 StAG).

3. Im vorliegenden Verfahren lehnten beide Vorinstanzen –  das VG München mit Urteil vom 14.01.2015 (M 25 K 13.5870) und der BayVGH mit Urteil vom 20.04.2016 (5 B 15.2106) – die Klage des Einbürgerungsbewerbers, eines anerkannten Flüchtlings, auf Anspruchseinbürgerung auf Grund seiner jahrelangen Identitätstäuschung mangels eines seit acht Jahren bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ab. Das BVerwG trat dieser Rechtsauffassung entgegen, hob beide vorinstanzlichen Entscheidungen auf und verpflichtete die Behörde zur Einbürgerung des Ausländers.

Dies begründet das BVerwG im Einzelnen wie folgt:

a) Eingangs bestätigt das BVerwG seine bisherige ständige Rechtsprechung zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (Rn. 12 ff.) und führt hierbei aus, dass es für die Feststellung, ob ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, einer in die Zukunft gerichteten Prognose bedürfe, bei der nicht nur die Vorstellungen, sondern auch die Möglichkeiten des Ausländers zu berücksichtigen seien. Denn es genüge nicht, dass er sich auf unabsehbare Zeit in Deutschland aufhalten will, er müsse dazu auch die Möglichkeit haben. Daran fehle es, wenn er nach den gegebenen Umständen nicht im Bundesgebiet bleiben kann, weil sein Aufenthalt in absehbarer Zeit beendet werden wird. Dies zu entscheiden und durchzusetzen sei Sache der Ausländerbehörde. Wenn nach den ausländerrechtlichen Vorschriften und den auf ihrer Grundlage getroffenen Anordnungen der Ausländerbehörde ein Ende des Aufenthalts abzusehen ist, sei auch im Staatsangehörigkeitsrecht die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ausgeschlossen. Nehme die Ausländerbehörde dagegen den Aufenthalt auf nicht absehbare Zeit hin, komme ein dauernder Aufenthalt in Betracht.

b) Dabei stellt das BVerwG klar, dass es einer vorausschauenden Prognose auch dann bedürfe, wenn der gewöhnliche Aufenthalt – wie hier – rückblickend für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zu ermitteln sei. Dabei blieben spätere Entwicklungen unberücksichtigt. Entscheidungserhebliche Änderungen wirkten sich daher erst vom Zeitpunkt der Änderung an auf die Begründung oder das Entfallen des gewöhnlichen Aufenthalts aus (Rn. 14).

c) Beruht der Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet auf einer Täuschung der Behörden, etwa über seine Identität, Herkunft oder sonstige für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet beachtliche Umstände, führt dies nach Ansicht des BVerwG – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – nicht automatisch zu einer Verneinung des gewöhnlichen Aufenthalts, bis der Ausländerbehörde alle entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt sind. Auch die bloße Angreifbarkeit eines durch Täuschung erlangten Aufenthaltstitels stehe der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht zwingend entgegen. Bei der Prognose, ob ein Ausländer vor Auf­deckung der Täuschung mit einer Beendigung seines Aufenthalts rechnen musste, sei vielmehr in den Blick zu nehmen, wie die Ausländerbehörde – bei Kenntnis des vollständigen Sachverhalts und in Ansehung der daraus resultierenden rechtlichen Möglichkeiten – voraussichtlich reagiert hätte (hypothetische Ex-ante-Prognose). Dies stelle sicher, dass der Ausländer aus der Täuschung keinen von der Rechtsordnung nicht gedeckten Vorteil erhalte, und gelte auch dann, wenn er sich mit der Täuschung strafbar gemacht habe und/oder einen Ausweisungsgrund verwirklicht bzw. ein Ausweisungsinteresse begründet habe. Denn selbst ein derartiges Verhalten führe nicht zwangsläufig zu einer Aufenthaltsbeendigung.

d) Auch Sinn und Zweck des gesetzlichen Kriteriums des gewöhnlichen Aufenthalts erforderten – so das BVerwG – nicht zwingend die Nichtanrechnung von unter Identitätstäuschung zurückgelegten Aufenthaltszeiten. Ausmaß und Umfang der erreichten Integration knüpften bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG nicht allein an einen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt von mindestens acht Jahren an. Dieser müsse von einer Aufenthaltserlaubnis abgedeckt gewesen sein, außerdem müssten die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 StAG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sein und es dürfe kein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vorliegen. Dabei sei § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG i.V.m. § 12a StAG und § 11 StAG die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, dass nicht jedes strafbare Verhalten und nicht jedes Ausweisungsinteresse einbürgerungsschädlich ist.

e) Im Folgenden konkretisiert das BVerwG die Anforderungen an die hier anzustellende hypothetische Ex-ante-Prognose (Rn. 23):

(1) Die Identitätstäuschung habe hier nicht zur Folge, dass der Kläger zumindest bis zur Offenlegung seiner wahren Identität keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen konnte. Gegenteiliges ergebe sich nicht – wie vom BayVGH angenommen – aus dem Umstand, dass die Ausländerbehörde, solange ihr die Identitätstäuschung nicht bekannt war, hieraus keine aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen ableiten konnte. Maßgeblich für den gewöhnlichen Aufenthalt und die dabei zu treffende Prognose sei vielmehr, wie sich die Ausländerbehörde verhalten hätte, wenn ihr die Täuschung bekannt gewesen wäre. Auch unter dieser Prämisse musste der Kläger in der Vergangenheit nach Maßgabe der einschlägigen ausländerrechtlichen Bestimmungen und ihrer Handhabung durch die Ausländerbehörde nicht mit einer Beendigung seines Aufenthalts rechnen.

(2) Selbst wenn man zu Lasten des Klägers unterstelle, dass die falschen Angaben über seine Identität und Herkunft für den gewährten Flüchtlings- und Abschiebungsschutz ursächlich waren, hätte die Ausländerbehörde den Aufenthalt nicht allein aus diesem Grund beenden können. Zwar hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dann nach Aufdeckung der Täuschung seinen auf einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil beruhenden Bescheid möglicherweise nach dem Rechtsgedanken des § 826 BGB unter Durchbrechung der Rechtskraft aufheben können. Wegen der Verbindlichkeit asylrechtlicher Entscheidungen (§ 6 AsylG; früher: § 4 AsylVfG a.F.) sei es der Ausländerbehörde hingegen verwehrt gewesen, eine Aufenthaltsbeendigung allein auf die – hier unterstellte – Angreifbarkeit des dem Kläger im asylrechtlichen Verfahren gewährten Schutzes zu stützen. Vielmehr hätte sie vor einer Aufenthaltsbeendigung zunächst beim BAMF auf eine Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung hinwirken müssen. Dass sie dies getan hätte, wenn ihr die Identitätstäuschung schon früher bekannt gewesen wäre, sei den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen. Danach sei die Ausländerbehörde der Beklagten in der Vergangenheit gegen nachträglich offenbarte Identitätstäuschungen nicht vorgegangen, sondern reagierte hierauf erst jetzt durch Rücknahme der durch Täuschung erwirkten Aufenthaltstitel und Stellung einer Strafanzeige wegen mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 StGB. Selbst auf diesem inzwischen eingeschlagenen Wege könne bei Asylberechtigten und international Schutzberechtigten zwar möglicherweise die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (rückwirkend) beendet werden, nicht aber dessen Gewöhnlichkeit, solange es – wie hier – an einer Aufhebung der Schutzgewährung durch das BAMF fehlt.

f) Das Begehren des Klägers auf Einbürgerung unter Einbeziehung der vor Offenlegung der Identitätstäuschung im Bundesgebiet zurückgelegten Aufenthaltszeiten ist nach Auffassung des BVerwG (Rn. 27) auch nicht rechtsmissbräuchlich. Täusche ein Ausländer deutsche Behörden über aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände, sei es Aufgabe der Ausländerbehörde, auf dieses – grundsätzlich integrationsschädliche – Verhalten zu reagieren (etwa durch Strafanzeige wegen mittelbarer Falschbeurkundung, Hinwirken auf eine Aufhebung der Entscheidung des BAMF und/oder Aufhebung des dem Ausländer erteilten Aufenthaltstitels) mit entsprechenden Folgewirkungen für ein späteres Einbürgerungsverfahren. Mache die Ausländerbehörde indes – wie hier – von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten keinen Gebrauch, sei die Einbürgerungsbehörde bei der Prüfung der auf die Aufenthaltsdauer bezogenen Einbürgerungsvoraussetzungen an diese Entscheidung gebunden und könne dem Ausländer die – von der Ausländerbehörde folgenlos hingenommene – Täuschung nicht entgegenhalten. Die Befugnis der Staatsangehörigkeitsbehörden zur Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen und die Eigenständigkeit des Staatsangehörigkeitsrechts änderten hieran nichts.

4. Das vorliegende Grundsatzurteil zur Behandlung von Identitätstäuschungen und Täuschungen über sonstige aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände im Einbürgerungsrecht gibt aus der Sicht des am Verfahren beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses Anlass zu einigen Anmerkungen:

a) Zu begrüßen ist, dass das BVerwG (Rn. 12 f.) seine Rechtsprechung zum Merkmal des gewöhnlichen Aufenthalts erneut bestätigt (zuletzt hierzu BVerwG, Urt. v. 26.04.2016, 1 C 9.15, Rn. 12-14), insbesondere zur Notwendigkeit einer Ex-ante-Prognose auch in den Fällen, in denen der gewöhnliche Aufenthalt – wie hier – rückblickend für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zu ermitteln ist (Rn. 14).

b) Zugleich entwickelt es diese Rechtsprechung für die Fälle der Täuschungen über die Identität oder sonstige aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände weiter, indem es hierfür von einer realen, d.h. auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellenden Ex-ante-Prognose (vgl. hierzu Rn. 12, 16) auf eine sog. hypothetische Ex-ante-Prognose umstellt (Rn. 15). Entscheidend ist daher nicht, dass der Ausländer die Ausländerbehörde durch seine Täuschung wie vorliegend gerade über Jahre daran gehindert hat, bei Kenntnis des wahren Sachverhalts über dessen Aufenthaltsbeendigung zu entscheiden, und sein Aufenthalt insoweit angreifbar und nicht zukunftsoffen war, sondern es kommt allein darauf an, wie die Ausländerbehörde sich verhalten hätte, wenn sie von der Täuschung Kenntnis gehabt hätte.

Eine überzeugende dogmatische Begründung für diesen (überraschenden) Perspektivenwechsel bei der Ex-ante-Prognose bleibt das Gericht indes schuldig. Denn die gegebene Begründung, dass dies sicherstelle, dass der Ausländer aus der Täuschung keinen von der Rechtsordnung nicht gedeckten Vorteil erhalte, und dies gelte auch dann, wenn er sich mit der Täuschung strafbar gemacht habe und/oder einen Ausweisungsgrund verwirklicht bzw. ein Ausweisungsinteresse begründet habe, weil selbst ein derartiges Verhalten nicht zwangsläufig zur Aufenthaltsbeendigung führe, misst der Eigenständigkeit des Staatsangehörigkeitsrechts und des spezifisch staatsangehörigkeitsrechtlichen Begriffes des „rechtmäßig gewöhnlichen Aufenthalts“ eine zu geringe Bedeutung zu. Denn im Staatsangehörigkeitsrecht ist durch die Rechtsprechung des – früher für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständigen – 5. Senats des BVerwG (Urt. v. 01.09.2011 – 5 C 27.10) geklärt, dass eine Einbürgerung grundsätzlich solange nicht in Betracht kommt, bis die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist (vgl. auch Rn. 25). Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers wirkt auch voraus auf die Frage der Anrechnung von unter Identitätstäuschung – vom BVerwG selbst (Rn. 27) als grundsätzlich integrationsschädliches Verhalten bezeichnet – zurückgelegten Aufenthaltszeiten; dass aktuell keine Zweifel mehr an der Identität des Einbürgerungsbewerbers bestehen, wie das BVerwG (Rn. 25) argumentiert, ist hierfür ohne Bedeutung. Auf die vom BVerwG aufgeworfene weitergehende Frage, ob ausländerrechtlich der Aufenthalt des Einbürgerungsbewerbers infolge der Täuschung sogar gefährdet ist, kommt es insoweit nicht an; dies spielt erst bei der – hiervon zu unterscheidenden – Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts oder der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG bzw. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG eine Rolle.

c) Das BVerwG gibt für die bei Identitätstäuschungen anzustellende hypothetische Ex-ante-Prognose zwei Hinweise, die ein tatsächliches und ein rechtliches Element betreffen:

(1) Zum einen kommt es als tatsächliches Element darauf an, wie die Ausländerbehörde bei Kenntnis des vollständigen Sachverhalts voraussichtlich reagiert hätte (Rn. 15, 23: „Handhabung der einschlägigen ausländerrechtlichen Bestimmungen durch die Ausländerbehörde“).

(2) Zum anderen ist als rechtliches (und somit begrenzendes) Element zu berücksichtigen, wie diese voraussichtliche Reaktion der Ausländerbehörde in Ansehung der aus der Kenntnis des vollständigen Sachverhalts resultierenden recht­lichen Möglichkeiten, d.h. der einschlägigen ausländerrechtlichen Bestimmungen, ausgefallen wäre (Rn. 15, 23, 24).

Bei den zu berücksichtigenden rechtlichen Möglichkeiten bzw. Grenzen der Ausländerbehörde ist in vergleichbaren Konstellationen insbesondere die Verbindlichkeit asylrechtlicher Entscheidungen nach § 6 AsylG von Bedeutung, die die Handlungsoptionen der Ausländerbehörde einschränkt (siehe Rn. 24). Denn insoweit ist es der Ausländerbehörde verwehrt, den Aufenthalt des Betroffenen wegen der Identitätstäuschung ohne weiteres zu beenden; notwendig wäre insoweit die Aufhebung der Schutzgewährung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (siehe Rn. 24 a.E.).

(3) Zusammenfassend kommt es somit darauf an, wie sich die Ausländerbehörde verhalten hätte und hätte verhalten dürfen, wenn ihr die Identitätstäuschung bekannt gewesen wäre.

d) Ausdrücklich gilt diese Entscheidung des BVerwG nicht nur bei der Täuschung über die Identität, sondern auch über sonstige aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände (siehe Leitsatz und Rn. 15).

e) Wie soll nun auf Grundlage dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung im Staatsangehörigkeitsrecht mit Fällen der Täuschung über die Identität oder sonstige aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände in ausländerrechtlichen Verfahren umgegangen werden?

Hierzu äußert sich das BVerwG dahingehend, dass, wenn ein Ausländer deutsche Behörden über aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände täusche, es Aufgabe der Ausländerbehörde sei, auf dieses – grundsätzlich integrationsschädliche – Verhalten zu reagieren (etwa durch Strafanzeige wegen mittelbarer Falschbeurkundung, Hinwirken auf eine Aufhebung der Entscheidung des BAMF und/oder Aufhebung des dem Ausländer erteilten Aufenthaltstitels) mit entsprechenden Folgewirkungen für ein späteres Einbürgerungsverfahren. Mache die Ausländerbehörde indes – wie im vorliegenden Fall – von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten keinen Gebrauch, sei die Einbürgerungsbehörde bei der Prüfung der auf die Aufenthaltsdauer bezogenen Einbürgerungsvoraussetzungen an diese Entscheidung gebunden und könne dem Ausländer die – von der Ausländerbehörde folgenlos hingenommene – Täuschung nicht entgegenhalten.

Staatsangehörigkeitsrechtlich wird dadurch das Problem der Identitätstäuschung bei dem Kriterium der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts angesiedelt, die nur entfällt, wenn der Aufenthaltstitel mit Wirkung für die Vergangenheit durch die Ausländerbehörde zurückgenommen wird.

Net-Dokument: BayRVR2017101601 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar) 

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl ist bei der Landesanwaltschaft Bayern Ständiger Vertreter des Generallandesanwalts und schwerpunktmäßig u.a. zuständig für Ausländerrecht und Staatsangehörigkeitsrecht.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB